Trudering:Im Rappenweg vergaloppiert

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So marode wie dieses Autowrack erscheint auch das ungeordnete Gewerbegebiet am Rappenweg, in dem jede Firma baut und an- und umbaut, wie sie will. (Foto: Angelika Bardehle)

Seit Jahrzehnten versucht die Stadt erfolglos, das illegale Gewerbegebiet am Rande Truderings neu zu ordnen. Nun jedoch hat sich ein Grundstückseigentümer just dort Baurecht erstritten - was die Verhandlungen noch komplizierter macht

Von Renate Winkler-Schlang, Trudering

Das illegale Gewerbegebiet am Rappenweg, teils auf Kiesgruben gelegen, die mit Abfällen verfüllt sind, und voller Handwerks- und Baufirmen, die jeder braucht und keiner in seiner Nachbarschaft haben will, rückt einmal wieder in den Fokus. In punkto legaler Neuordnung ist die Stadt seit Jahrzehnten nicht entscheidend weitergekommen, obwohl sie es schon vor zehn Jahren, zur Bundesgartenschau, endlich geschafft haben wollte. Nun macht eine gerichtlich erstrittene Baugenehmigung alles noch komplexer - nicht nur für München, sondern auch für die Nachbargemeinde Haar.

Im Zentrum steht eine Eigentümerin aus Trudering, von der die Stadt gebetsmühlenhaft behauptete, sie sei die einzige, die sich einer internen Umverteilung der Grundstücke und damit einer neuen Lösung verweigere. Ein Sprecher dieser Familie schildert nun seine Sicht: Die Stadt habe 2008 auf einen Vorbescheidsantrag hin erklärt, dass auf genau diesem Grundstück am Ostrand des Gebiets kein Baurecht bestehe - anders als bei den unmittelbaren Nachbarn. Entsprechend niedrig war natürlich die Aussicht auf ein Angebot, welches das Kommunalreferat der Eigentümerfamilie hätte machen können.

Nach Jahren ergebnisloser Verhandlungen hat die Familie daher gerichtlich feststellen lassen, dass sie eben doch ein Baurecht hat, erst vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht, 2013 bestätigt von der nächsten Instanz, dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Ohne Bebauungsplan müsse man sich an der Umgebungsbebauung orientieren, Orientierungspunkte im angrenzenden Haar gebe es genug, so das Gericht. Das Urteil enthielt jede Menge Schelte für die Untätigkeit der Stadt, die einer dauerhaften Duldung gleichkomme.

Jetzt, erst 17 Monate nach diesem Urteil, hält die Familie die konkrete Baugenehmigung in Händen. Sie darf dort vier Gewerbehallen errichten. Da auf diesem Grundstück keine Kiesgrube und keine Altlasten vorhanden sind, könnten die Eigentümer sofort loslegen. Für die Stadt hat das jede Menge unangenehmer Folgen. Zum einen stellt das Baurecht auf diesem Grundstück einen Präzedenzfall dar für die anderen Eigentümer im Gewerbegebiet Rappenweg, denn noch immer gibt es dort keinen gültigen Bebauungsplan.

Zum anderen - und das ist noch gravierender - stünden die vier Hallen einer geplanten Verbindungsstraße zwischen dem Truderinger Rappenweg und der Schneiderhofstraße in Haar nördlich der Bahnlinie im Weg. Eine Straße, die aber beide Kommunen als äußerst sinnvoll erachten. Sie würde die Truderinger Bahnstraße entlasten, die unter dem Verkehr der Lastwagen zum Haarer Quetschwerk ächzt. Und sie würde die unbebaute Fläche am Schneiderhofweg in Haar erschließen. Rund 1000 Wohnungen könnten laut dem früheren Münchner CSU-Stadtrat Georg Kronawitter dort entstehen, zur Linderung der Wohnungsnot im Großraum München. Diese 132 000 Quadratmeter große Fläche gehört der Stadt München, diese müsste also allergrößtes Interesse daran haben, dass sie wirkungsvoll erschlossen wird.

Man darf vermuten, dass die Familie, die nun auf ebendieser Trasse Baurecht hat, sich dessen bewusst ist. Man sei ja auch lange gesprächsbereit gewesen, erklärt der Familiensprecher. "Aber dazu muss man halt mit uns sprechen und nicht immer nur über uns." Derzeit aber erscheine es so, als bleibe gar nichts anderes übrig, als den eigenen Weg konsequent weiterzuverfolgen, einen Architekten zu finden, zu bauen. Alles kein Problem.

Das Problem hat die Stadt, denn eine Ausweichroute für diese neue wichtige Erschließungsstraße ist laut Kronawitter kaum zu finden. Sie wäre entlang der lauten Bahnlinie einfach optimal platziert. Und aus Haar kommt Druck. Die Haarer Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) und auch der SPD-Landtagsabgeordnete Peter Paul Gantzer haben sich in einem offenen Schreiben an den Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) gewandt mit der Forderung, alles zu tun für die Erschließung der städtischen Flächenpotenziale in Haar.

Gantzer empfiehlt Reiter gar, "bei einem derartigen Fehlverhalten der zuständigen Abteilung diese aufzulösen und neu zu gründen". Bürgermeisterin Müller pocht auf erneute Grundstücksverhandlungen mit der Eigentümerin. Das Gerichtsurteil habe zwar die Verhandlungsposition geschwächt, aber nun wisse man immerhin, woran man sei.

Die neuen Gewerbehallen nicht bauen und stattdessen das Grundstück an die Stadt verkaufen? Theoretisch ist das wohl für die Eigentümerin immer noch möglich. Doch es seien inzwischen hohe Kosten für den Anwalt und auch für die Baugenehmigung angefallen. "Es müsste halt jemand mit uns sprechen. Aber ernsthaft sprechen. Das Zeitfenster schließt sich. Zunehmend", sagt der Sprecher der Eigentümer-Familie.

Im städtischen Planungsreferat, das die Baugenehmigung letztlich ja hatte erteilen müssen und deshalb genau im Bilde sein müsste, sagt dessen Sprecher Ingo Trömer nur, man müsse sich erst auf die neue Lage einstellen, verfolge aber alle Pläne im Grunde weiter wie bisher. Grundstücksverhandlungen müsse ohnehin das Kommunalreferat führen. Dort ist es schwer, Auskunft zu erhalten, die entscheidenden Mitarbeiter sind auf der Expo Real. Sprecher Bernd Plank erklärt dann, die Stadt sei nie untätig gewesen, zwei Mitarbeiterinnen seien mit dem Fall befasst. Doch die Familie wolle nicht verkaufen, sondern tauschen, und zwar das Grundstück am Rappenweg mit dem alten Truderinger Rathaus, denn sie habe dort angrenzend auch Eigentum. Daher würden derzeit für beide Objekte Gutachten erstellt. Der Anwalt der Familie hatte allerdings schon vor Jahren dementiert, dass es ihr ums alte Rathaus gehe. Der Familiensprecher legt sich da nicht fest, er erklärt nur, dass es vielleicht auch nicht so gut sei, wenn irgendein Investor Zugriff auf das Rathaus bekäme.

© SZ vom 08.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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