Trudering:Freude über das freie Grün

Anwohner und Aktivisten atmen erleichtert auf, weil die Stadt das Wohnprojekt auf der Unnützwiese gestoppt hat

Von Renate Winkler-Schlang, Trudering

Als erstes wollen sie sich bei Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) bedanken, dass er das Projekt mit 48 Wohnungen für ihre Unnützwiese gestoppt hat. "Das gehört sich", findet Nachbar Clement Meier. Er hatte durch seine Kontakte zur Freiwilligen Feuerwehr Michaeliburg, die dort am Rand der Wiese einen Anbau bekommen soll, eher zufällig von den geplanten Wohnungen erfahren, den Bezirksausschuss informiert, den Protest mit initiiert.

Ein "triumphales Siegerfest" wollen sie nun zwar nicht feiern auf der Wiese, das wiederum gehöre sich eher nicht, findet der Nachbar. Aber sich mit einem Gefühl der Genugtuung mit den Nachbarn zum Grillen treffen und die freie Wiese genießen am Samstag, 14 Uhr, das werde sicher schön. Schließlich habe der Kampf um diese grüne Oase, auf der schon ihre Väter und Opas gekickt hätten, sie noch besser zusammengeschweißt. Und wenn das Wetter nicht hält, werde man sicher bei der Feuerwehr Unterschlupf finden.

Trudering: Spielen, kicken, ratschen: In Trudering ist die Freude groß darüber, dass nach langem Kampf die Unnützwiese nun nicht bebaut wird.

Spielen, kicken, ratschen: In Trudering ist die Freude groß darüber, dass nach langem Kampf die Unnützwiese nun nicht bebaut wird.

(Foto: Renate Winkler-Schlang)

Gerade weil sich in der Umgebung das Gerücht gehalten hatte, dass die Wiese eine Schenkung an die Stadt gewesen sei mit der Auflage, sie für die Jugend zu nutzen, sei man hier schockiert gewesen über die Baupläne, sagt Meier: Es sei immer nur ein Kampf für die Wiese an der Unnützstraße gewesen, niemals einer gegen Flüchtlinge, die hier einziehen sollten, das müsse betont werden. Und man habe sich, anders als bei Wohnen-für-alle-Projekten in anderen Vierteln, immer um einen sachlichen und höflichen Ton bemüht. Da kein Nachbar so direkt betroffen gewesen wäre, dass er eine Klagemöglichkeit gehabt hätte, sei man ja auch immer auf Schützenhilfe aus der Politik angewiesen gewesen.

Am Zaun hängen immer noch die Transparente und Aufrufe zum Unterschriftensammeln. Ob die Initiative ihr Bürgerbegehren nun stoppt, ist noch nicht entschieden. Julia Lvova und Alesia Naomovich breiten mit ihren Töchtern Valentina und Margarita eine Picknickdecke aus. "Super, das war mein Highlight des Tages", sagt die eine zur guten Nachricht, "Gott sei Dank", ergänzt die andere. Sie sind deshalb so froh, weil sie an diese Wendung schon kaum mehr zu glauben wagten. Aber die Wiese sei so wichtig: "Sie wird tagtäglich genutzt." Auf Facebook hat es Monica Perez erfahren und freut sich für ihre Kinder Raoul und Vanessa. Das Tolle hier seien die Tore, sagt der Sohn. Eine Dame mit Rollator kommt vorbei: Bebauen? Das wäre doch eine Ungehörigkeit gewesen. Angelika Lex vom nahen Blumengeschäft hat mit Unterschriften gesammelt: "Ich finde das richtig jetzt. Jeder schimpft, dass die Jugend aggressiv ist, aber wo soll sie sich austoben, wenn alles zubetoniert wird?"

Chronologie der Rettung

Sommer 2016: Dass die Unnützwiese im Programm "Wohnen für alle" bebaut werden soll, kommt durch Zufall ans Licht.

20. Juli 2016: Die Truderinger Stadträte Sebastian Schall (CSU), Ingo Mittermeier (SPD) und Herbert Danner (Grüne) erreichen in nicht öffentlicher Stadtratssitzung den Kompromiss, dass nur der Rand bebaut, der Rest Bolzplatz bleiben soll. Dennoch gründet sich die Bürgerinitiative "Rettet die Unnützwiese", die ein Bürgerbegehren für das Freihalten von Grünflächen stadtweit initiiert.

6. Oktober 2016: Die Bürgerversammlung stellt sich hinter die Initiative.

6. Dezember 2016: Der Bezirksausschuss Trudering-Riem vertagt eine Entscheidung.

24. Januar 2017: Die Initiative verweigert bei einer Infoveranstaltung der Gewofag die Mitarbeit: Man wolle nicht über die Art der Häuser reden, man wolle sie verhindern.

6. Februar 2017: Stadtrat Danner fordert ein Rechtsgutachten zum Baurecht.

8. Februar 2017: Der Landtagsabgeordnete Markus Blume (CSU) unterstützt eine Petition an den Landtag, denn es bestünden Zweifel am Baurecht.

27. März 2017: OB Reiter wartet das Ergebnis nicht ab, sondern stoppt das Projekt.re

Die Vertreter der Politik sehen die Geschichte mit gemischten Gefühlen: Georg Kronawitter (CSU) hatte mit kritischen Anträgen erreichen wollen, dass die Stadt solche Projekte künftig in öffentlicher Sitzung behandelt - das war mit Hinweis auf die beabsichtigte Grundstücksübertragung an die Gewofag nicht geschehen. In der Geheimniskrämerei aber erkennt Kronawitter einen wichtigen Grund für den Unmut der Bürger. Oberbürgermeister Dieter Reiter habe das Projekt unbedingt durchsetzen wollen: Seine Verwaltung habe gewusst, dass sie Baurecht finden musste. Den städtischen Mitarbeitern sei da gar kein Vorwurf zu machen. Dank gebühre dem Landtagsabgeordneten Markus Blume (CSU), der das Baurecht in Zweifel gezogen und die Petition unterstützt hatte.

Otto Steinberger (CSU), der Vorsitzende des Bezirksausschusses, wirft die Frage auf, wie sehr man sich künftig auf rechtliche Einschätzungen der Stadt verlassen könne. Herbert Danner (Grüne) sieht sich bestätigt mit seinem Antrag, das Projekt auszusetzen, ehe nicht ein externer Gutachter das Baurecht zweifelsfrei geklärt hat. Er ist gespannt, ob dem Machtwort des OB noch ein Rechtsgutachten folgt.

Ob Bürger oder Politiker, sie alle finden einträchtig, dass die Heinrich-Wieland-Straße ein guter Ersatzstandort wäre: Hier am Rand des Ostparks könnte man die bestehende Unterkunft leicht peu à peu nachverdichten - allerdings wohl nicht sofort, sondern nach Baurechtsschaffung mit einem ordentlichen Bebauungsplan. Andere Flächen, die infrage kämen, können die Politiker nicht nennen: Es sei eine oft und bitter beklagte Tatsache, dass die Stadt dem Bezirksausschuss nicht transparent mache, welche Grundstücke in ihrem Besitz sind.

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