Trudering:Einfach machen

Lesezeit: 3 min

In den Truderinger Zukunftsgesprächen setzen die Bürger wichtige Impulse für das Zusammenleben in ihrem Viertel

Von Renate Winkler-Schlang, Trudering

Nach der Diskussion geht kaum einer heim, die Gäste des zwölften Truderinger Zukunftsgesprächs bleiben im Saal des Kulturzentrums, schmieren sich Frischkäse- und Marmeladenbrote, blättern den neuen Kalender durch, ratschen und lachen miteinander, sie vernetzen sich, würde man heute sagen. Ein sichtbares Zeichen dafür, dass keiner in Trudering anonym und isoliert leben muss, engagierte Ehrenamtliche und funktionierende Nachbarschaften halten den Stadtteil zusammen. Wer dazu beiträgt und wie das gelingt, das wurde bei dem Zukunftsgespräch mit dem Titel "Ich mach' mir mein Viertel, wie es mir gefällt" deutlich.

Die Kulturzentrums-Geschäftsführerin Christina Hesse und Moderator Winfried Frey hatten die Reihe vor zwei Jahren konzipiert als ein "optimistisches und bürgerschaftliches Diskussionsformat" - ohne Jammern. Sie haben in den bisher zwölf Runden Menschen präsentiert, die die Ärmel hochkrempeln, die für ein Problem eine gute Lösung haben. Hesses Ziel war, "dass der Funke überspringt".

Dass dies gelungen ist, beweist die Umwelt-Gruppe "Trudering im Wandel": Sie ist aus den Zukunftsgesprächen entstanden und garantiert dem Format nun, da die Förderung ausläuft und sich das Kulturzentrum zurückzieht, eine neue Zukunft - voraussichtlich von März an etwa zweimal im Jahr. "Wir geben sie in gute Hände", sagt Hesse dankbar.

Keiner wurstelt nur für sich allein vor sich hin, das wurde beim aktuellen Gespräch deutlich dank der Gäste auf dem Podium, die auf ganz unterschiedlichen Wegen den Stadtteil bereichern und damit eben auch ein bisschen so gestalten, wie er ihnen gefällt. Da ist als erstes der vielseitige Peter Wagner, eingeladen als Stadtteilhistoriker, der bereits knapp 6000 historische Aufnahmen von Trudering fürs Stadtteilarchiv des Kulturkreises gesammelt, beschriftet, wiederauffindbar archiviert und teilweise gescannt hat, Vorträge hält im Kindergarten und im Familienzentrum, Ausstellungen im Kulturzentrum konzipiert - wo er auch im Vorstand des Trägervereins arbeitet-, der Führungen macht für Alteingesessene und Neubürger.

Neben ihm sitzt Gabriele Ruppert, Mitinitiatorin der Nachbarschaftsgruppe Bajuwarenpark bei nebenan.de - fernab von gewinnorientierten Netzwerken wie Facebook. Der Zulauf ist groß, der Nutzen ebenso: Die Mitglieder leihen sich Dinge wie Bohrmaschine oder Rasenmäher, geben sich Tipps, lernen sich kennen, betreuen Hunde und Katzen, helfen sich, machen Flohmärkte, verabreden sich, feiern: "Schön, dass es so persönlich wird. Ich habe einen ganz anderen Blick auf meine Nachbarn bekommen", schwärmt Ruppert. Auf nebenan.de kann sie natürlich auch auf Wagners Führungen aufmerksam machen. Oder auf die Stiftung "Kleine Hilfe", die Klaus Taupert vorstellt: Gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Ralf hat er sie 2008 zu seinem 40. Geburtstag gegründet und damit in diesen acht Jahren schon 129 Projekte in der Umgebung unterstützen können, vor allem solche, die Kindern helfen. Am bekanntesten wurden sie mit ihrer Wunscherfüller-Aktion auf dem Christkindlmarkt. Aus dem Publikum merkt Irmi Mies vom seit Jahrzehnten rührigen Frauenstammtisch an, dass auch die Frauen schon für die "Kleine Hilfe" gespendet hätten: "Ganz ohne Internet. Da brauch' ich nicht vernetzt sein", sagte sie mit Blick auf Ruppert.

Für "Trudering im Wandel" allerdings war die vernetzte Nachbarschaft erst jüngst sehr nützlich, das berichten Sabine Lunkenheimer und Andreas Meißner. 90 Kilo gespendete Äpfel mussten verarbeitet werden zu "Trudelade": ein Aufruf auf nebenan.de - und es regnete ausreichend Gläser.

Trudering im Wandel will auf lokaler Ebene nachhaltige Projekte anstoßen. Die Umweltschützer machen Filmcafés mit Diskussionen, retten Fallobst, verleihen ein Lastenrad, betreiben ein Reparaturcafé, informieren über plastikfreies Leben und haben noch viele andere Ideen. "Wir finden Gleichgesinnte und stellen fest, dass das Leben sogar lebenswerter wird, wenn man weniger konsumiert", sagt Meißner. Bodenständig und alltagstauglich findet Lunkenheimer das alles und wirbt um Mitstreiter mit dem glaubwürdigen Aufruf: "Es macht einfach Spaß."

Ein Mann im Publikum aber meint, dass vor allem Eigenheimbesitzer ein Interesse haben könnten, sich im und fürs Viertel zu engagieren, Mieter seien zu schnell wieder weg. Das sehen die anderen nicht so, alle überlegen sich Methoden, die Adressen aller Vereine und Gruppen im Viertel breiter publik zu machen - und sei es nur im guten alten Schaukasten.

© SZ vom 22.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: