Trudering:Dachlack und Direktdruck

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Bei den Truderinger Kunst-Tagen darf man die Künstler einfach alles fragen - nicht nur zum Herstellungsprozess

Von Renate Winkler-Schlang, Trudering

Jule hat nur Orangensaft in ihrem Sektglas. Sie ist schließlich erst acht. Sonst aber benimmt sie sich ganz wie eine versierte Vernissagen-Besucherin, diskutiert mit ihrer Stiefoma Gabi, ob sich in den Collagen von Künstlerin Daniela Klotz ein Auge verbirgt oder ein Bart, ob ihr das hochformatige oder das kleine Bild besser gefällt. Die Oma hat sie gerne mitgenommen zu den Truderinger Kunst-Tagen, denn hier wird es Jule nicht langweilig, im Gegenteil. Sie hält wie die Erwachsenen einen Stimmzettel in der Hand, darf wie sie vier der 22 Maler, Bildhauer oder Fotografen draufschreiben: ihr Beitrag zur Ermittlung des Publikumspreises.

Peter Gierse, selbst spät berufener, autodidaktischer Künstler, hat das Konzept erfunden, das sich nun schon zum achten Mal bewährt: Die 22 Künstler sind da, und man darf sie alles fragen, wirklich alles. So bestens im Bilde, geben die Gäste ihre Stimmen ab und drücken ihren Favoriten die Daumen, dass sie am Ostermontagabend unter denen sind, die aus der Hand von Lorenz Köstner, Gesamtverkaufsleiter der BMW-Automag, die von seiner Firma mit 700 und 500 Euro dotierten Preise entgegennehmen können. Dieses Sponsoring freut natürlich die beiden Veranstalter, den Vorsitzenden des Kulturzentrums-Trägervereins, Ingo Mittermaier, und den des Truderinger Kulturkreises, Georg Kronawitter.

Ingo Mittermaier (li) und Peter Gierse freuen sich an Klaus Schwendners Figuren. (Foto: Stephan Rumpf)

Gierse und seine Jurymitglieder Helga Goldhorn, Jutta Elschleger und Veerle Marissen zeigen im hinteren Gruppenraum ebenfalls ihre Werke, natürlich außer Konkurrenz. Marissen erklärt die stimmige Mischung der Gruppenausstellung mit der positiven Stimmung innerhalb der Jury: "Das überträgt sich." Sie selbst sei von vielen Künstlern hier begeistert: "Positiv neidisch", sagt sie.

"Einer wollte wissen, ob mein Wolf zu wenig zu fressen bekommt." Elsa Nietmann, deren zentrale Wolf-Skulptur im Saal, aus Maschendraht und wenig Beton, sehr transparent und zerbrechlich wirkt, lacht. Das Publikum kenne keine Schwellenangst. Und sie erkläre gerne, wie ihre fragilen Figuren und ihre sich fast auflösenden Akte entstünden, was sie bewogen habe, mal eine Pause zu machen von ihren sonst üppigen, schweren Holzskulpturen. Um so mehr freue sie sich aber, dass Gierse die Holz-Männer von Klaus Schwendner im Saal vor der Bühne genau ihr gegenüber platziert habe: "Das passt sehr gut."

"Was soll das sein?": Die Münchner Künstlerin Eva Schnitzer, die eigene und mit ihrer Atelierpartnerin Margret Lochner gemeinsam entwickelte Drucke ausstellt, erzählt, so direkte Reaktionen erhalte sie selten, kämen doch zu Einzelvernissagen meist Freunde und Bekannte, die sich eher vorsichtig äußern. Hier werde erfrischend ungeniert gefragt. So erfahren die Gäste dann auch viel über die Intentionen der Kunstschaffenden. Eugen Winter zum Beispiel hat ein schwarzes Kreuz in ein explosionsgeschütztes ehemaliges Lampengehäuse gesperrt. Es passt kaum richtig hinein. Er wolle zeigen, "dass der Glaube mehr kann, als der Mensch daraus macht", sagt er. Fünf derartige Skulpturen hat er mitgebracht: "Eine Serie, die sechste hab' ich noch nicht fertig." Wer solche Infos bekommt, sieht und fühlt mehr als einer, der nur durchgeht.

Elsa Nietmann sitzt neben ihrem "Lupus", dem Wolf. (Foto: Stephan Rumpf)

Kein Künstler macht ein Geheimnis aus seiner Arbeitsweise. Nietmann erzählt, das, was so leuchte in ihren Akten, sei Holzbeize. Anett Münnich berichtet, sie arbeite mit Folien. Für Sieglinde Weindl, die gerade ins Gespräch vertieft ist, beschreibt ihrer 16-jährigen Tochter Leonie, offenbar ihr größter Fan, mit leuchtenden blauen Augen die Symbolik der Bilder und erklärt, dass das, was wirkt wie polierter Schiefer, eine spezielle Mischung sei, unter anderem aus Rohseide und Schafwolle. Christina Strobl auf der Empore berichtet, dass sie auch gerne mit Bitumen-Dachlack aus dem Baumarkt arbeite. Wolfgang Herterich erklärt, wo sein Alabaster herkommt. Das Fotografenpaar Anna und Roman Küffner erzielt mit Direktdruck auf Aludibond viel besser diese schöne Patina, als wenn es Fotos auf solche Platten aufzieht. Und die beiden berichten, dass wirklich nichts verändert oder gestellt wurde an ihren verwunschenen Schauplätzen.

Die beiden verkaufen ihre Werke auch auf Postkarten für zwei Euro das Stück - das günstigste Angebot der Ausstellung, bei der die Künstler sich nicht nur Bekanntheit und die Aussicht auf einen Preis, sondern auch Käufer und Sammler wünschen. Aber selbst die großen Werke an den Wänden des Kulturzentrums, das wieder einmal seine Museums-Qualitäten beweist, sind nicht alle gleich mehrere tausend Euro teuer. "Frag sie, ob der Rahmen inklusive ist", sagt eine Dame zu ihrem Ehemann. Sie werden daheim wohl ihre Wand vermessen, ehe sie vielleicht wiederkommen und ein Bild für 280 Euro kaufen. Ein anderer fragt Christina Strobl, ob sie auch ein Lackbild in Rosa machen würde, speziell für ihn. Und ob man ihre Bilder auch leasen könne. Alles möglich in Trudering.

Geöffnet ist an der Wasserburger Landstraße 32 täglich bis Ostermontag, jeweils 14 bis 18 Uhr.

© SZ vom 04.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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