Trudering:Besser leben im Alter

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Er polarisiert und fordert: Claus Fussek, bekannt aus vielen Talkshows. (Foto: Claus Schunk)

Der Pflegekritiker Claus Fussek ruft beim Seniorennachmittag in Trudering zu Patenschaften für Heimbewohner auf

Von Renate Winkler-Schlang, Trudering

Spannende Themen, hochkarätige Referenten - Wolfgang Hertel, der rührige Seniorenbeiratsvertreter für Trudering, lädt jeden Monat zu einem nachmittäglichen Vortrag über Dinge, die die Welt bewegen. Die Resonanz sei enttäuschenderweise oft gering, erzählt er. Anders sei das, wenn es ums Alter gehe, um Demenz, um Pflege. Und ganz anders ist es diesmal, denn Hertel hat Claus Fussek eingeladen, aus Zeitungen und Talkshows bekannter Pflegekritiker. Da reicht das Nebenzimmer im Gasthof Lindengarten nicht, der Hauptraum ist gut besetzt mit weißhaarigem Publikum, aber auch mit Praktikern aus Heimen von Riem bis Schwabing. Das Thema ist gewohnt provokant formuliert: "Weniger Menschenrechte für Senioren? Beschämende Zustände in vielen Pflegeheimen und Krankenhäusern".

Man beginnt verspätet, denn jeder hat bei diesem Thema sei ganz eigene, höchstpersönliche Geschichte. Und Fussek kann zuhören. Er kann aber auch reden, frei, ohne Manuskript, enthusiastisch und überzeugend. Das kommt an, auch wenn Fussek es seinen "Fans", wie Hertel das Publikum nennt, nicht leicht macht. Ganz bewusst verzichte er auf die üblichen "Man sollte, man müsste-Forderungen" an die Politik, ritualisierte Entschuldigungen habe er oft genug gehört, sagt Fussek. "Wo ist die Eigenverantwortung der Senioren", fragt der Redner statt dessen. Seine Vision sei, "dass jeder von Ihnen für einen alten Menschen eine Art Patenschaft übernimmt, sich um ihn kümmert, nach ihm schaut". Diese Idee müsse jeder weitertragen in seinen Freundeskreis, in Schulen und Kindergärten und damit das allgemeine Bewusstsein beeinflussen. Ein regelrechter Wettbewerb der Stadtteile um den besten Zusammenhalt müsse entstehen, so Fussek. Bravo-Rufe von den alten Damen in der ersten Reihe sind ihm sicher.

Entlastung und Kontrolle zugleich könnten solche Patenschaften bringen. Und letztlich entstünden Forderungen, um die Wohlfahrtsverbände und die Politik auch nicht mehr herum kämen. Groß sei die Einsamkeit in den Heimen: Jemand, der zuhöre, einen Bewohner mit in den Garten nehme, könne viel bewirken. Angehörige und ehrenamtliche Paten könnten aber auch darauf achten, dass die wichtigsten Kriterien für gute Heime erfüllt seien: Dazu gehöre, dass ein jeder in seinem Tempo essen und trinken dürfe, zur Toilette dann, wenn es nötig sei und ins Bett nur, wenn er das Bedürfnis dazu habe und nicht schon um 18 Uhr. Auch frische Luft sei eines dieser Menschenrechte. Imtimpflege sollte immer eine Pflegekraft vom gleichen Geschlecht erledigen. Wichtig sei auch die Zusammenarbeit mit Fachärzten, mit Palliativmedizinern und Hospizen. Auf die oft gehörte Frage "Können Sie ein gutes Heim empfehlen", könne er nur raten, auf solche Kriterien zu achten. Fussek wünscht sich auch, dass Politiker unangemeldete Besuche machen, dass Pfleger nur dokumentieren, was sie wirklich schaffen, dass sie für ihren Berufsstand und menschlichere Standards kämpfen, sich gewerkschaftlich organisieren, als Partner der Alten und der Angehörigen auf die Straße gehen.

Fussek, der selbst im 15. Stadtbezirk wohnt, übergibt am Ende das Wort an Michael Pfitzer, Leiter des Luise-Kiesselbach-Hauses in Riem. Dieser zeigt sich offen für alle, die ein Ehrenamt in seinem Altenheim interessiert. Spontane Meldungen allerdings erhält er nicht an diesem Nachmittag.

© SZ vom 30.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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