Trudering:Besondere Einblicke

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Bei den Truderinger Kunst-Tagen steht der Dialog mit den 24 Malern, Bildhauern und Fotografen im Mittelpunkt. Die Besucher erfahren dabei die Entstehungsgeschichten der Werke - und erhalten eine andere Sichtweise

Von Renate Winkler-Schlang, Trudering

Jeder Winkel voller Bilder, Skulpturen und Fotografien: Die Kunst-Tage machen das Truderinger Kulturzentrum wieder einmal zum Museum auf Zeit und zum Magneten für die Osterspaziergänger. 24 Künstler hat der Initiator und Motor der Schau, Peter Gierse, mit seinen Jury-Kollegen, der Malerin und Bildhauerin Andrea Matheisen, der Kunsthistorikerin Birgit Bremberg und dem Maler James O' Connor, aus der Rekordzahl von 180 Bewerbungen ausgewählt. "Reiner Zufall", sagt er, dass darunter diesmal 18 Künstlerinnen sind. Die Jury achte nur auf Qualität und eine gute Mischung.

Das ist ihr auch im neunten Jahr wieder gelungen. Das Publikum weiß, dass bei der großen Eröffnung eigentlich 24 Einzel-Vernissagen geboten werden. Allein deshalb strömten so viele zum Auftakt am Donnerstagabend, dass nicht alle ins Foyer passten, während Georg Kronawitter vom mitveranstaltenden Truderinger Kulturkreis seine Rede hielt.

Was diese Schau aber so besonders macht, ist die Anwesenheit der Künstler und die Tatsache, dass jeder Gast auf einem Stimmzettel seine vier Favoriten für den Publikumspreis wählen soll. Da weicht die stille Ehrfurcht schnell vielen spannenden Begegnungen, das Haus summt aufgrund der lebendigen Atmosphäre, in der sogar Kinder aufmerksam schauen und dann ungeniert ihre Meinung kundtun.

Man braucht Zeit für diese Ausstellung, denn hier ist der Kunstgenuss kombiniert mit besondern, skurrilen, manchmal auch sehr persönlichen Geschichten, welche die Künstler gerne erzählen. Geschichten, die am Ende das Votum der Gäste vielleicht mehr beeinflussen als der erste Eindruck oder die Frage "Würde ich mir so ein Bild für mein Wohnzimmer wünschen?"

Die traumhaften Unterwasser-Szenen auf dem Empore etwa sieht der Betrachter mit neuen Augen, wenn er weiß, dass Irena Pascali den drei tauchenden Profi-Fotografen ein detailliertes Storyboard vorgelegt hat, ehe sie dutzende Male abtauchte in den Ohrid-See ihrer Heimat Mazedonien und sich dort unten tanzend, kickend oder sogar Schlaf mimend in Pose warf - obwohl das Wasser so bitterkalt war, dass sie ihre Finger dann nach dieser Aktion nicht mehr schließen konnte um die Tasse mit dem heißen Tee.

Die Akt-Bilder von Johanna Schreiner bekommen eine ganz andere Wucht, seit sie erzählt hat, dass das Modell nur eine Viertelstunde für sie sitzt: In dieser kurzen Spanne entsteht das Bild. Alles, was sie danach hinzufügen könnte, würde es nur schlechter machen, sagt sie. Und das gut gekleidete Freundinnen-Paar, das ihr lauscht, nickt verständnisvoll.

Andrea Reiners hat auf ihrem Tisch einen Fonduetopf voller Wachs aufgebaut, umgeben von Ölfarben-Tuben und spitzen Nähnadeln. Jeden einzelnen Arbeitsschritt ihrer Bilder erläutert sie einer graugelockten Dame, der immer wieder neue Fragen einfallen. Zum Schluss fragt sie nach Andrea Reiners Nummer für den Stimmzettel.

Im grauen Flur hängen die Fotos der Münchner Architektin, Künstlerin und Fotografin Geraldine Frisch. Es sei zu eng, um zurückzutreten und sie mit Abstand zu betrachten, bemängelt ein Fan. Doch vielleicht ist es gerade dieser behütete Rahmen, der Frisch berührend erzählen lässt von ihrer verstorbenen Mutter, die so gerne gereist wäre - und deren Spitzendeckchen die Tochter an vielen Stellen der Welt, in New York wie in Madrid, in ihre Fotografien hinein komponierte.

Andrea Mähner aus Wolfratshausen, deren Arbeiten mancher schon von der jüngsten ArtMuc kennt, fertigt kleine Skulpturen aus Würfeln, die sie mit filigranen Löwenzahnpropellern oder mit exakten geometrischen Mustern aus Haaren veredelt. Mit einem Kopfputz gibt sie sich als Künstlerin zu erkennen und erzählt, dass ihre Liebe zum peniblen Arbeiten mit ihrem früheren Beruf zusammenhängt: Sie war Zahntechnikerin. Christine Renner bejaht, dass sie beim Zeichnen ihrer Zelte an Flüchtlinge dachte, Bernd Sannwald lässt die Leute raten, wo in der City er sein grün-graues Motiv aufgenommen hat. Andreas Birkner schaut zu, wie Leute seine Skulpturen fotografieren, die nähende Künstlerin Heid Forster fühlt sich ganz anders geachtet als unter ihren Quilt-Kolleginnen. Manya Gutmann verrät, welches ihr eigenes Lieblings-Bild ist. Die letzten Gäste machen den zweiten Durchgang; sie können sich nur schwer entscheiden.

Die Kunst-Tage an der Wasserburger Landstaße 32 sind geöffnet am Karamstag, Ostersonntag und Ostermontag jeweils 14 bis 18 Uhr. Am Montag um 18 Uhr wird der von der örtlichen BMW-Niederlassung gestiftete Publikumspreis verliehen.

© SZ vom 26.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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