Trudering:Alle unter einem Dach

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Nach dem Feuer in der Tiefgarage des Truderinger Gymnasiums sind zwar noch nicht alle Schäden beseitigt. Trotzdem werden Lehrer und Schüler im September nach Wochen der Wanderschaft wieder vereint sein

Von Renate Winkler-Schlang, Trudering

Ferien? Fehlanzeige. Eigentlich wollten Gökhan Koc und seine Frau Nicole in diesen Tagen an der Nordsee ausspannen. Doch der Urlaub für das Hausmeisterpaar des Truderinger Gymnasiums ist in diesem Jahr wieder einmal gestrichen. Stattdessen beaufsichtigt und koordiniert Gökhan Koc erneut Handwerker, jeden Tag von 7 Uhr an und neuerdings auch samstags. Erst 2013 hatte er für die Eröffnung der neuen Schule auf Urlaub verzichtet. Nun muss er wegen der Sanierungsarbeiten nach dem Autobrand in der Schultiefgarage vom Juni dableiben.

Doch der immer freundliche Mann ist auch jetzt gut gelaunt: "Es gibt Schlimmeres", sagt er. Noch gut kann er sich an die schreckliche Minute erinnern, als er schon mit dem Feuerlöscher unterwegs war zum qualmenden Auto einer Lehrerin, aber glücklicherweise noch weit genug weg, als es explodierte: "Sonst hätte ich jetzt ein Gesicht wie Niki Lauda - oder wäre gar nicht mehr da." So gesehen sind die Tatsachen, dass die Reise ausfällt, dass bei dem Unglück auch das Auto seiner Frau zerstört wurde, dass in seiner Wohnung die Lüftung noch nicht funktioniert, und über allem dieser leichte Räucher-Geruch liegt, leichter verkraftbar.

Ein Fall für die Profis: In der Tiefgarage muss alles neu verkabelt werden. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Firmen, die jetzt im Gymnasium wieder ein und aus gehen, kennt Koc fast alle noch vom Aufbau vor drei Jahren: Es sei ein Glück, dass auch sie alle auf die Bau-ferien verzichten, denn sie kennen sich aus. Und zu tun haben sie viel, denn die Flammen im Keller haben die zentralen Versorgungsleitungen verschmoren und die Lüftung verrußen lassen.

Schulleiterin Susanne Asam, die mit Schulkanzler Robert Stemp, ihrer Stellvertreterin Stefanie Hutschgau und den Sekretärinnen Margret Lohr und Martina Dabelstein im provisorischen Rektorat-Sekretariat, in dem sich auch der Vorrat an Papier und an Handtüchern stapelt, das neue Schuljahr plant, hat dennoch eine gute Nachricht: Im September werden alle der dann 860 Schüler in den bereits sanierten Räumen des Gebäudes Platz finden. Die Wochen, in denen ihre Schüler am Michaeligymnasium, der Ludwig-Thoma-Realschule und einem Schulzentrum an der Balanstraße zu Gast waren, hätten die Nerven aller arg strapaziert, sagt Asam: "Wir haben uns vermisst." Es war ihr daher wichtig, wieder alle unter einem Dach zu vereinen.

Als es noch so aussah, als würde der Wiedereinzug erst an Weihnachten klappen, hatte sie daher vorsorglich schon ein Provisorium in einer Messehalle klargemacht: "Alle Klassen in einer Halle, aber Hauptsache zusammen." Vielleicht wäre es ja ein ganz besonderes Experiment mit ganz neuen Erkenntnissen geworden. Doch Susanne Asam ist froh, dass sie diese Karte nicht ziehen muss - auch wenn man ihr versichert hatte, dass bis zu 7000 Personen in so einer Messehalle Platz finden.

Nach einem Brand in der Tiefgarage musste die ganze Schule umgeräumt werden, um Reparaturarbeiten zu ermöglichen (Foto: Alessandra Schellnegger)

Das langgestreckte Gymnasium wurde nach dem Lernhauskonzept gebaut, es ist aufgeteilt in fünf Cluster. Drei davon werden im September nutzbar sein, zudem die Mensa und auch die Turnhallen, in denen die Vereine aber noch keine Spiele mit Publikum austragen dürfen. Es wird gehen, da die Schule noch keine zwölften Klassen hat und die zehnten ihre Berufspraktikumsphase mit großem Organisationsaufwand vorziehen konnten. Es müssen allerdings bis Weihnachten die Physik-, Chemie- und anderen Fachräume und auch die Lernflure, in die sich die Schüler sonst für Projekte zurückziehen konnten, zweckentfremdet werden. Ganz werde das pädagogische Konzept aber deshalb nicht aufgegeben, es solle auch in dieser Übergangszeit nicht nur Frontalunterricht geboten werden, sagt Asam.

Die Lehrer sind ja nun das Improvisieren gewöhnt: In den vergangenen Wochen hatten sie immer gleich drei Stunden am Stück in ihren Klassen, dann stand eine längere Pause im an Laptops ausgetüftelten Interims-Stundenplan, in der sie pendeln konnten. Asam lacht: "Das Konzept hat zu kleinen Wundern geführt: Eine Klasse hatte in einer Woche neun Stunden Latein, die sind richtig gut geworden." Da die Klassen aber auch unzählige Exkursionen gemacht haben, um die Lage zu entspannen, verfügt die Schule nun über einen großen Ideen-Fundus für solche Situationen. Irgendwie haben sie es auch geschafft, in dem ganzen Raumchaos die Bücher einzusammeln. Im Kulturzentrum statt in der eigenen Aula hatten sie ihre Schulaufführung: "Die Irrfahrten des Odysseus." Ausgerechnet.

Noch sind nicht alle Schäden beseitigt. (Foto: Alessandra Schellnegger)

In dem Raum, den sie derzeit als Lehrerzimmer nutzen, haben sie das Whiteboard in vier Bereiche unterteilt. Das Blitzzeichen signalisierte, was sofort getan werden musste, die Uhr stand für "Das hat etwas Zeit." Dann gab es noch "In Bearbeitung" und "Erledigt". Alle sind froh, dass fast alle To-do-Zettel inzwischen dort gelandet sind. Im zentralen Bereich hängt aber immer noch die allzeit gültige Aufforderung: "Heitere Gelassenheit ausstrahlen", daneben steht "Cool down". Es hat offenbar gewirkt.

Dankbar ist Asam für die große Unterstützung von allen Seiten: Das Technische Hilfswerk hatte die Ausweich-Klassenzimmer möbliert, die Schüler bekamen sofort Fahrkarten gestellt, Mütter begleiteten die 5. und 6. Klassen zu ihren neuen Orten, andere Mütter bewachten die Eingänge während der Lüftungsphasen. Schnell bekamen Rektorat und Lehrerzimmer Notstrom und Ersatzcomputer. "Und alle haben sie uns Essen gebracht", erzählt der Hausmeister und streicht demonstrativ seinen Bauch. Als in seiner Wohnung das Warmwasser noch nicht zur Verfügung stand, durfte er zum Hausmeisterkollegen der benachbarten Markgrafen-Grundschule zum Duschen kommen: "In Flipflops bin ich rüber, wie auf dem Campingplatz."

Voller Zuversicht: Schulleiterin Susanne Asam geht fest davon aus, dass die Handwerker noch vor dem Ferienende mit dem Gröbsten fertig geworden sind. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Er stellt aber auch den ursprünglichen Planern und Handwerkern ein gutes Zeugnis aus: Es habe alles funktioniert, wie es in einem Brandfall funktionieren müsse. Der Brandgeruch und der leichte Rußbeschlag auf dem Mobiliar sei denn auch nicht innerhalb des Gebäudes weitergezogen, sondern durch die Türen hereingekommen, die wegen der Evakuierung der Schule offen standen. Längst habe eine Firma alles sachgerecht gereinigt, bei jedem Material erst einmal eine Probestelle gemacht, dann mehrfach gewaschen und am Ende mit Ozon behandelt - "alles clean", sagt Gökhan Koc. Die Lüftung würde zwar in weiten Bereichen noch funktionieren, doch auf gereinigte Klappen gebe die Herstellerfirma keine Garantie wie auf neue, daher müssten diese nun ausgetauscht werden. Auch deshalb dauere es, bis der Brandschutz nach chemischen, thermischen und statischen Untersuchungen die beiden noch geschlossenen Cluster des Gebäudes freigeben und der Alarm wieder zur Feuerwehr aufgeschaltet werden könne, ergänzt Kanzler Stemp.

In der Tiefgarage sind die Männer in den Ganzkörper-Neoprenanzügen, die die Wände gekärchert haben, schon wieder weg. Doch der Abschnitt, in dem zunächst ein Wagen brannte und am Ende 18 Autos Feuer fingen - acht mit Totalschaden - , sieht jetzt wieder aus wie 2013, die Deckenverkleidung ist weg: "Rohbauzustand", sagt Stemp. Schlimmer eigentlich, denn statt neue Kabel zu ziehen, müssen ganze Stränge von gekappten bunten Leitungen gestückelt werden; eine Mammutaufgabe, handwerklich wie logistisch. Erst dann funktioniert auch wieder jedes Notlicht für die Fluchtwege und die Sprachsteuerung, die vor einem nächsten Brand warnen könnte - "Gott behüte", sagt Koc. Erst dann gehen auch die Uhren im Schulgebäude wieder richtig: Makabererweise waren sie alle um fünf nach zwölf stehen geblieben. "Das ist schon leicht gruselig", sagt Asam, "wie in einem schlechten Film." Aber sie alle arbeiten fieberhaft an einem Happy End zum Schulanfang.

Nicht kümmern muss sich Schulleiterin Susanne Asam ums Geld. Wer das alles zahlt, scheint eine knifflige Frage zu sein. Gesine Beste, Sprecherin der Stadtkämmerei, erklärt, zu den Versicherungsfragen könne sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht Stellung nehmen: "So kurios der Fall an sich schon ist, gestaltet sich auch die Klärung der Versicherungsfragen ein wenig komplizierter, weshalb noch verschiedene Punkte juristisch geprüft werden müssen."

© SZ vom 13.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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