Trend zum Craft-Bier:Hopfen, Malz und Schokolade

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Ob Pale Ale, Porter oder Stout: Der Trend zum handwerklich gebrauten Craft-Bier hat München erreicht. Experimentierfreudige Klein- und Großbrauer produzieren starke Getränke für wagemutige Gourmets, die nun in einer neuen Münchner Bar genießen können.

Von Astrid Becker

Sie sind vergleichsweise teuer und werden in Mengen ausgeschenkt, die ein traditioneller bayerischer Biertrinker wohl nur homöopathisch nennen kann: die sogenannten Craft-Biere. Trotzdem sind diese Spezialbiere en vogue - inzwischen auch in München. So gibt es in der Stadt mittlerweile eine Gaststätte, die sich ganz auf diese fantasievollen Bierkreationen spezialisiert hat, und sogar große Brauereien wie Paulaner wissen diesen neuen Trend für sich zu nutzen.

Erst vor wenigen Tagen hat beispielsweise die Truchtlachinger Brauerei Camba Bavaria ihr "Tap-House" an der Rosenheimer Straße eröffnet. Rund 160 Craft-Biere aus der ganzen Welt, aber auch eigene Kreationen werden hier in kelchförmige Gläser gefüllt, die der Laie wohl eher mit Wein in Verbindung bringt. Auch einige der Flüssigkeiten, die hier ins Glas gefüllt werden, bringen konventionelle Biertrinker eher zum Staunen: Da sind zum Beispiel das Choko Stout aus Dänemark, ein dunkles, malzaromatisches Bier mit deutlichen Schokoladennoten, oder belgische Biere, die nach Erdbeeren oder Pfirsich schmecken. Aber auch wer beim Gedanken an Fruchtbier angewidert den Kopf schüttelt, wird dort wohl schon allein angesichts der nahezu gigantischen Auswahl an obergärigen und untergärigen Bieren, Ales, Porters, Stouts, Pale Ales und im Holzfass gereiften Bieren, hellen und dunklen, Weiß- und Bockbieren fündig werden.

Die Camba Bavaria, die damit den Sprung vom Chiemgau nach München gewagt hat, ist jedoch keineswegs die erste in der Stadt, die mit ausgefallenen Biersorten punktet. Mario Hanel und Timm Schnigula erregen bereits seit 2012 mit ihrer Crew Ale Werkstatt in der Fraunhoferstraße Aufsehen. Wenn man so will, haben sie sogar einen großen Beitrag dazu geleistet, dass sich die Stadt für das Thema Craft Bier geöffnet hat.

Die Idee zum Craft-Bier entstand aus purer Verzweiflung

Gemein ist all diesen Bieren eines: Sie sind sehr geschmacksintensiv und meist alkoholstärker als herkömmliche Biere. Was jedoch nichts mit ihrem Namen zu tun hat. "Craft" bedeutet übersetzt "Handwerk" - was bereits eines impliziert: Es handelt sich nicht um Massenbiere.

In den USA war Mitte der 1980er Jahre der Grundstein für die heutige Craft-Bier-Welle gelegt worden, wie der mittlerweile emeritierte Professor Ludwig Narziss erzählt, der fast 29 Jahre in Weihenstephan den Lehrstuhl "Technologie der Brauerei" innehatte. Damals sei die Bierlandschaft in Amerika mit im Grunde nur einer Sorte recht eintönig gewesen, sagt er.

Aus schierer Verzweiflung hätten daher ein paar Studenten und Kleinstunternehmer angefangen, selbst Bier nach ihrem Gusto zu brauen: "Das waren quasi Garagenbrauereien." Daraus entwickelte sich eine regelrechte Neugründungswelle, die auch nach Europa schwappte, nach Belgien, nach Skandinavien, nach England oder auch Italien. Länder also, die sich nicht wie Deutschland an das Reinheitsgebot halten müssen.

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Dass nun, wenngleich mit einiger Verspätung, auch hier immer mehr Craft-Brauereien entstehen, führt der Freisinger Wissenschaftler auf zweierlei zurück: "Wir hatten das in Bayern angesichts unserer vielen Sorten nicht nötig", sagt er. Aber gleichzeitig hätten die vielen neugezüchteten Hopfensorten und neue Methoden wie die Kalthopfung ("Hopfenstopfen") den Brauern auch innerhalb des Reinheitsgebots andere Möglichkeiten eröffnet.

Die großen Markenbrauereien wollen dieses Feld offenbar aber keineswegs nur Kleinstunternehmen überlassen. Ein Vorreiter hierzulande war wohl schon Georg Schneider von Schneider Weisse, der vor einigen Jahren begonnen hatte, so manch einen Weißbierkenner in seinem Weißen Bräuhaus im Tal und auch im Getränkehandel der Stadt mit immer neuen Kreationen zu verblüffen: mit der Hopfenweissen etwa, die nach tropischen Früchten duftet, oder Starkbieren, die er schon mal in Barriquefässer packt.

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Auch Paulaner hat sich diesem Trend nicht verschlossen. In der "Brauerei im Eiswerk" brauen Martin Zuber und Tanja Leidgschwendner alles, was ihnen in den Sinn kommt - wie einen karamellfarbenen dreifach eingebrauten Ale-Bock, den sie drei Monate lang in Bourbonfässern lagern, oder einen Weizenbock, den sie mit der Hopfensorte Mandarina Bavaria herstellen und der nach Mandarine, Mango und Aprikose schmeckt.

Mittlerweile werden diese Gourmetbiere, die in Spezialflaschen gefüllt werden, so sehr nachgefragt, dass die Brauerei im Eiswerk am Donnerstagabend ganz offiziell nebst Verkaufs- und Verkostungsraum eröffnet wurde. Ums Geld verdienen gehe es in diesem Fall aber nicht, ist dort von den Braumeistern zu hören, vielmehr darum, dem Bier wieder zu mehr Ansehen zu verhelfen. Und das hat es, so meint auch Professor Ludwig Narziss, angesichts des seit Jahren rückläufigen Konsums im Land auch bitter nötig.

© SZ vom 07.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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