Bier weltweit:Bierchen, dünn wie Wasser

Oktoberfest München Bier

Von Istanbul bis Tokio ist Bier inzwischen zum salonfähigen Universalgetränk geworden.

(Foto: Getty Images)

Bier mit Reis, Schokoladen-Bier aus Tokio, lauwarmes Ale, süffiges türkisches Malt - und ob amerikanisches Bier wirklich noch dünner als Wasser schmecken kann. Zum Oktoberfest: Ein Seitenblick auf die ganz eigene Bedeutung von Bölkstoff in der Welt. SZ-Korrespondenten erzählen.

Sperrstunde

Bier brauten die Türken schon zur Osmanenzeit, in Istanbul gab eine Brauerei gar einem Viertel den Namen: die 1890 von Schweizer Brüdern gegründete Fabrik Bomonti. So heißt bis heute das süffigste türkische Malt, und wer sich als Bierkenner zeigen will, der fragt nach "Bomonti", nicht nach "Efes Pilsen". Inzwischen besitzt der Gigant Efes zwar auch die Bomonti-Brauerei, glücklicherweise hat man aber die nostalgischen Flaschen und den Malzgeschmack erhalten. Seit Kurzem hat die Türkei ein neues Alkoholgesetz, das Bierwerbung verbietet. Die guten Plätze, ein kühles Malt zu genießen, brauchen ohnehin nur Mundpropaganda. Man findet sie im Barviertel Beyoglu oder in den Ausgehgassen von Kadiköy. Hohe Steuern machen Bier in Bars fast so teuer wie Wein. Wer sich am Kiosk eindecken will: Dort gibt es nach 22 Uhr kein Bier mehr. So will es das neue Gesetz.

Christiane Schlötzer, Istanbul

Empfehlenswert in Istanbul ist das Akbaba'li Meyhane, Tünel Geçidi No: 11.

Dick und dünn

Wie immer in den USA ist alles wahr, was man so hört - und auch das Gegenteil. Also: Ja, das Bier kann hier dünn schmecken wie Wasser, vielleicht sogar noch dünner. Aber in den vergangenen Jahrzehnten haben die Amerikaner auch einen enormen Geschmack für Biere entwickelt, die man kaum noch als Getränke bezeichnen möchte, sondern vielmehr als Essen. Dicke, nahrhafte Suppen sind das, besonders die IPAs (India Pale Ales, mit extra viel Alkohol und Hopfen). In den meisten Kneipen sieht man hinter der Batterie aus Zapfhähnen den Barmann kaum, und in den Grocery Stores stehen Bierflaschen mit dem Aussehen, Geschmack und Preis von Likör-Raritäten. Das hat mit der neuen Lust am Handgemachten zu tun. Und für alle, die diese Vielfalt überfordert, gibt es in fast jedem Eckladen immer auch ein gutes Pils aus Radeberg, Sachsen.

Peter Richter, New York

Am 23./24. November findet in New York das NYC Craft Beer Festival statt.

Von London bis Madrid

Mahlzeit

Bier Pub London Oktoberfest

Trend in Großbritannien: Pubs verkaufen wöchentlich wechselnde Ales.

(Foto: Bloomberg)

Dem Klischee zufolge trinkt der Brite entweder geschmackloses Lager-Bier oder lauwarmes Ale. Wie alle Klischees ist auch dieses zum Teil wahr, es bildet aber nur einen Ausschnitt der Realität ab. Es gibt in Großbritannien hervorragendes Bier. Es gibt sogar hervorragendes Lager-Bier und hervorragende, lauwarme Ales. Das liegt an den vielen Mikrobrauereien, die verstreut übers ganze Land liegen. Schon immer gab es im Königreich enthusiastische Bier-Freunde, die Geld und Zeit darauf verwendet haben, andere Biere als die großen Braukonzerne herzustellen. Diese Tradition ist in den letzten Jahren zum Trend geworden. Unzählige Pubs verkaufen wöchentlich wechselnde Ales, sie haben zudem beständig neue Lager am Hahn, es gibt herbste Pilsener und Stouts, von denen ein Glas eine Mahlzeit ersetzt.

Christian Zaschke, London

Im Stadtteil Kentish Town wird mit Hallertauer Hopfen das Camden Hells Lager gebraut, vielleicht das beste Lager Londons; 55-59 Wilkin Street Mews, NW53NN

Geliebte Caña

Längst hat in Spanien die Cerveza dem Wein den Rang abgelaufen. Es ist ein Volksgetränk, und auch wenn beim Festmahl nach wie vor ein edler Wein beliebter ist, liegt das Bier im Alltag vorn: Zu den Tapas, den Vorspeisen aus allerlei, trinkt man eine Caña, ein Bierchen. Auch an den Sommerabenden kommen die Barmänner der Straßencafés mit dem Zapfen nicht nach. So sind die Spanier stolz, gleichermaßen Bier- und Weinland zu sein. Die Tradition ist den Archäologen zufolge mehr als 4000 Jahre alt, wenn Bier auch bis in das 16. Jahrhundert im Schatten des Weins stand. Dies änderte sich erst allmählich, als der Habsburger Karl V. den Thron in Madrid bestieg und in seinem Gefolge auch Bierbrauer kamen. Im 19. Jahrhundert waren es wiederum deutsche Experten, die die ersten Bierfabriken Spaniens aufbauten.

Thomas Urban, Madrid

An der KreuzungAlbuquerque/Cardenal Cisneros in Madrid haben zwei Eckkneipen und das Restaurant La Caña Dutzende Biersorten im Angebot.

Von Peking bis Tokio

Bier China Fabrik Oktoberfest

Mit 490 Millionen Hektolitern jährlich produziert China jährlich fünf Mal so viel Bier wie Deutschland.

(Foto: REUTERS)

Pu-la-na auf ex

Bier ist in China Begleitgetränk Nummer eins beim Essen und hat als solches den grünen Tee abgelöst. Einst zeigten die Deutschen in ihrer Kolonie Tsingtao und die Russen im nordöstlichen Harbin den Chinesen, wie man Bier braut, heute produziert China mit 490 Millionen Hektolitern jährlich fünf Mal so viel Bier wie Deutschland. Die Pekinger trinken gern und viel, ihre Heimatmarke "Yanjing" (Schwalbenstadt) ist Chinas meistverkauftes Bier. Ins chinesische Bier wird auch Reis gemischt, der Alkoholgehalt liegt bei drei Prozent, deutlich unter deutschen Bieren. Das Pekinger "Pu-la-na" (Paulaner Bräuhaus) ist trotzdem stets rappelvoll. Vielen Chinesen fehlt ein Enzym zum Abbau von Alkohol, weshalb die meisten angeblich nicht viel abkönnen. Aber es gibt Ausnahmen: Die erste Frau, der ich zusah, wie sie eine Halbe in einem Zug leerte, war eine Modedesignerin aus Harbin.

Kai Strittmatter, Peking

Chinesische und internationale Biere im Freien: El Nido, Fangjia Hutong 59, Peking.

Pizza-Halbe

Viele Jahre lang hatte Bier in Rom den Status eines verdächtigen Importguts: das Getränk der Barbaren aus dem Norden. Der Wein ist seit jeher das Lieblingsgetränk der Italiener. Italien ist das Land mit dem geringsten Bierkonsum in Europa. Selbst wenn der Römer sich ausnahmsweise mal eine Flasche genehmigt, bleibt eigentlich immer ein Noagerl drin. Es sei denn, er befindet sich auf fremdem Terrain, etwa auf dem Oktoberfest. Mit dem Wirtschaftsaufschwung der Nachkriegszeit machte aber auch das Bier Karriere. Menschen, die in Rom zur Pizza Rotwein trinken, sind sofort als Touristen erkennbar. Zur Pizza ist Bier ein Muss. Inzwischen wagen unzählige Kleinbrauereien wildeste Bier-Experimente mit Zutaten wie Kastanien, Ingwer oder Bohnen, die vor allem auf dem amerikanischen Markt Anklang finden. Auch Biershops sind immer häufiger anzutreffen.

Julius Müller-Meiningen, Rom

In Rom unbedingt in die Fußballkneipe "Ma che siete venuti a fà?" in Trastevere.

Gruppentrank

Wenn Japaner in die Kneipe gehen, tun sie das in Gruppen, meist mit Arbeitskollegen. Sie essen Häppchen und trinken Bier. Dabei bestellt nur der erste ein Bier, alle andern "das Gleiche" - auch jene, die Bier nicht mögen. Das Harmoniebedürfnis, man kann das auch Gruppendruck nennen, zwingt die Japaner, sich selbst beim Trinken anzupassen. Der Biermarkt wird beherrscht von einem Kartell. Vier Großkonzerne produzieren je ein Lager-Bier, das man trinken kann, das sich aber von den andern kaum unterscheidet. Die vier produzieren auch Happoshu, das sind Säfte, die aussehen, schäumen und betrunken machen wie Bier - aber schmecken wie ein Anti-Bier. Happoshu enthält kein Malz, damit wird die hohe Biersteuer umgangen. Erst seit 1994 sind in Japan Mikro-Brauereien zugelassen, heute gibt es etwa 200. Sie brauen Pils, Alt, Kölsch, Weizen oder sogar Schokolade-Bier.

Christoph Neidhart, Tokio

Eine gute Auswahl gibt es in der Ushi-Tora Bier-Bar im Stadtteil Kitazawa, Tokio.

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