SZ-Adventskalender:"Gerade bin ich total verzweifelt"

Lesezeit: 2 min

Michael H. kann seine Wohnung kaum mehr verlassen. (Foto: Catherina Hess)

Früher hat Michael H. Touristen weiße Strände am Indischen Ozean gezeigt. Heute muss er im Rollstuhl sitzen. Das ist oft mühsam und einsam für ihn.

Von Monika Maier-Albang, München

"Jetzt schauma hoid, wia's weitergeht", sagt Michael H. in tiefstem Bairisch. Momentan ist der Münchner auf einen Rollstuhl angewiesen. Diabetes. "Waren nur kleine schwarze Flecken an den Zehen", erzählt er, "jetzt ist da ein kleines Loch, das einfach nicht zuwächst." Der linke Fuß ist verbunden, die Ärzte haben ihm die Zehen abgenommen. Er soll eine Prothese bekommen, wieder laufen können. Michael H. hofft, dass es so sein wird. Denn so, wie es jetzt ist, ist sein Leben nicht nur mühsam. Es ist auch einsam.

Und dabei war es mal wild und schön. In Afrika hat H. gelebt, in Uganda, Tansania, Kenia. Hat Touristen die Masai Mara gezeigt und die weißen Strände von Malindi am Indischen Ozean. Im Leben davor war er Bankkaufmann. "Mein Vater hatte gesagt: Geh zur Bank. Das ist sicher." Nur: H. hatte andere Träume. "Ich wollte immer Kinderarzt werden, zu Ärzte ohne Grenzen gehen, so was", erzählt der 68-Jährige. "Aber ich hatte ja die Ausbildung nicht."

Alt & arm
:Ersparnisse? Längst aufgebraucht

Viele Frauen haben ein Leben lang gearbeitet, aber dann reicht die Rente nicht für das Nötigste. So wie bei Hertha R. und Sonja F.

Von Monika Maier-Albang

Nach elf Jahren im Büro hielt er es nicht mehr aus. Er ging nach Afrika, arbeitete dort als Reiseleiter und schwärmt noch heute davon. "Dieser Sternenhimmel! Die Tiere! Und die Leute, da grantelt dich keiner an." Michael H. lernte eine Frau kennen, sie bekamen eine Tochter. Doch das Mädchen war krank. "Sie hatte einen Herzfehler. Von Geburt an. In Afrika konnten die Ärzte ihr nicht helfen", erzählt H. So ging das Paar nach München, das Mädchen wurde in der Haunerschen Kinderklinik behandelt - und als gesund entlassen. Ein paar Wochen später fand der Vater seine Tochter morgens tot im Bett.

"Die Mutter war so verzweifelt, sie wollte sich umbringen", erzählt Michael H. heute. Seine Gefährtin überlebte einen Suizidversuch, ging zurück in die Heimat. Sie haben heute keinen Kontakt mehr. Michael H. bekommt nur eine geringe Rente, er lebt bescheiden in einem Zimmer. H. würde gerne einen Computerkurs belegen - und einen Computer besitzen, um mit Behörden kommunizieren zu können. "Und ins Internet gehen. Wo ich schon nicht raus kann." Er hat eine Haushaltshilfe, die für ihn einkauft.

Vier Stunden die Woche, "jetzt wurde die Zeit auf zwei Stunden gekürzt", sagt er und fragt sich, wie er jetzt die Wäsche waschen soll. Die Maschine steht im Keller. Mit dem Rollstuhl kommt H. dort nicht hin. Zum Wechseln des Verbandes kommt jemand; doch auch bei der Körperpflege kann niemand mehr helfen. "Der Pflegedienst spart auch hier", sagt H. Und in ein Heim zu gehen, mit 68, ist das eine Alternative? "Ich fühle mich wie 40. Und dort versteht man nicht mal meine Musik." Bob Marley, Jimi Hendrix. Seine Welt. Seine Sehnsucht. "Gerade bin ich total verzweifelt."

© SZ vom 20.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: