Syrer in Deutschland:"Assad muss weg, er ist ein Mörder"

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Beten und an die Verwandten denken: Fahed Kayali (rechts) sorgt sich um seine Familie in Aleppo. (Foto: Robert Haas)

Sie nennen ihn Tyrann und Mörder und wären froh, wenn er nicht mehr an der Macht wäre: Syriens Staatspräsident Baschar al-Assad. Doch die in Deutschland lebenden Syrer haben Zweifel, dass ein Militärschlag der USA gegen ihr Heimatland die richtige Lösung ist. Ein Stimmungsbild.

Von Beate Wild

Chronologie der Ereignisse in Syrien
:Wie sich Assad an der Macht hält

Mit Hoffnung auf Reformen begannen nach den Umwälzungen in Tunesien und Ägypten im Jahr 2011 die Proteste in Syrien. Doch der Konflikt zwischen Oppositionellen und Präsident Assad ist zum Bürgerkrieg geworden. Gekämpft wird auch mit Giftgas. Die Vernichtung seiner Chemiewaffen könnte Assad vor einem Militärschlag der USA bewahren. Die Eckpunkte des Konflikts im Überblick.

In Syrien haben viele Angst vor dem bevorstehenden Militärschlag der Amerikaner. Die in Deutschland lebenden Syrer zittern mit ihnen. Etwa 45.000 Syrer leben hier. Der überwiegende Teil ist Gegner von Machthaber Baschar al-Assad und wünscht sich ein Ende seiner Herrschaft. Doch dass ein Angriff der USA das richtige Mittel ist, den Konflikt zu lösen, bezweifeln viele. Sie sind in Sorge um ihre Heimat.

Fahed Kayali lebt seit mehr als 30 Jahren in Deutschland, dennoch verfolgt er die Geschehnisse in seinem Geburtsland rund um die Uhr. "Einerseits will man den Tyrannen loswerden, andererseits wird ein Angriff der USA wohl nicht dazu führen", sagt er. "Im Gegenteil: Assad wird nach einer Abstrafung durch die Amerikaner wohl noch aggressiver reagieren", befürchtet der Autohausbesitzer aus München. Er bezweifelt nicht, dass Assad chemische Waffen eingesetzt hat, "aber mein Nationalgefühl erlaubt mir nicht, dass ich mich freue, dass die Amerikaner mein Land bombardieren."

Das Problem sei, dass Assad mit dem Angriff nur geschwächt werden soll. "Die Amerikaner wollen ihn bestrafen für den Einsatz von chemischen Waffen, aber danach wird in Syrien wohl weiter gekämpft, bis das Land völlig ruiniert ist", sagt Kayali. "Außerdem hat Assad viele Gefangene genommen und die USA werden jetzt genau diese Lager bombardieren. Viele Unschuldige werden sterben. Und das Assad-Regime kann dann sagen: Ihr habt Unschuldige getötet. Das ist ein Bärendienst, den man der Regierung da erweist." Selbst wenn Assad weg wäre, würde es noch Jahre dauern, bis in Syrien Ruhe einkehre, glaubt Kayali.

Große Sorgen macht sich der Autohausbesitzer auch um seine Familie, die in Aleppo lebt. "Sie leben in großer Anspannung, weil sie nicht wissen, was auf sie zukommt." Niemand wisse, wo der potentielle Angriff der Amerikaner erfolgen soll, welche Gebiete bombardiert würden. Dadurch könne sich niemand in Sicherheit bringen. Vorwürfe macht er vor allem der UNO - die hätte es versäumt, schon früher gegen die Verletzung der Menschenrechte vorzugehen. "Es wurden ja nicht erst 1500 Menschen durch die Chemiewaffen getötet, sondern zuvor schon 150.000 durch konventionelle Waffen. Jeden Menschenleben ist doch gleich viel wert", sagt er.

So wie Kayali denkt, denken die meisten Exil-Syrer, sagt Tarek Abdin-Bey, Vorsitzender des Bundesverbandes des Deutsch-Syrischen Vereins in München. "Auch wir vom Deutsch-Syrischen Verein beziehen klar Position gegen Präsident Assad. Ich persönlich bin nicht für einen Angriff, weil es dabei viel zu viele Zivilisten als Opfer geben wird. Auf der anderen Seite wäre es endlich ein Ende für diesen Tyrann", sagt er. Auch Abdin-Bey ist überzeugt, dass Assad chemische Waffen gegen Rebellen eingesetzt hat. Trotzdem bezweifelt er, dass ein militärisches Einschreiten von außen die Situation beruhigen könnte. "Die Frage ist doch, wie Assad nach einem Angriff reagieren wird. Ich habe wirklich Angst, dass dann alles noch viel schlimmer wird", sagt er.

Auch viele Soldaten litten unter der Situation, da sie dem Regime gehorchen müssten, persönlich aber eine andere Meinung vertreten würden. Abdin-Bey ist schon seit 52 Jahren in Deutschland und hat keine Familie mehr in Syrien. "Aber Heimat ist Heimat", sagt er. Es tue ihm sehr weh, was dort passiere.

Ähnlich sieht es ‪Faissal Bakir, Vorstandsmitglied des Deutsch-Syrischen Vereins. Er sei anfangs dagegen gewesen, dass sich ausländische Mächte in den syrischen Konflikt einmischen. "Nach eineinhalb Jahren grausamer Menschenrechtsverletzungen, der Tötung von Kinder, Frauen und unschuldigen Zivilisten, der Zerstörung der Städte und Dörfer, der Vertreibung der Menschen und dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen gegen die eigene Bevölkerung sehe ich, dass viele Syrer die Einmischung der USA und andere Mächte für notwendig halten, um einer weiteren Eskalation der Gewalt ein Ende zu machen", sagt Bakir heute.

Die Aufständischen alleine könnten das Regime nicht stürzen. Der Angriff müsse das Regime so schwächen, dass die Aufständischen, vor allem die freie syrische Armee, die Hauptstadt erobern und das Assad-Regime beseitigen könne. Bakir lebt seit 27 Jahren in Deutschland. Er hat eine große Familie in Syrien, seine Mutter und sieben Geschwister leben in einem Dorf, 60 Kilometer nördlich von Damaskus. Um das Dorf herum gebe es viele Militär- und Waffenlager des Regimes. "Vermutlich sind sie deshalb ein Ziel der Angriffe durch die US-Armee", befürchtet er. "Ich mache mir große Sorgen um meine Familie. Ein Bruder von mir ist seit drei Monaten in Damaskus entführt, niemand weiß, wo er steckt", erzählt er. Telefonischen Kontakt habe er fast täglich mit seiner Familie.‬

"Assad muss weg, er ist ein Mörder und das Volk will ihn nicht mehr als Präsident sehen", sagt Bakir. ‪"Sollte Assad den Angriff überleben, würde er sich zwei Tage später als Sieger darstellen, nur weil er noch lebt", befürchtet Bakir. Die massive Zerstörung seiner Armee und die vielen Opfer unter den Zivilisten würden ihn gar nicht interessieren. "Sollte er aber bei diesem Angriff ums Leben kommen, würde wahrscheinlich die freie syrische Armee die Macht übernehmen", glaubt er.‬

Haysam El-Tibi, Besitzer einer Elektrotechnik-Firma, hat vor vielen Jahren in Deutschland studiert. Seit 38 Jahren lebt er in München, dazwischen war er acht Jahre lang in Syrien. Aber mit dem Regime habe er es dort nicht ausgehalten. "Assad sieht das Land als sein Eigentum an, deshalb muss er weg. Jeder der nach Freiheit schreit, ist für ihn ein Verräter", sagt El-Tibi. "Aber zu den Amerikanern haben wir auch kein Vertrauen." Angst hat El-Tibi vor allem, dass unschuldige Zivilisten getöten werden. Sein Bruder ist noch in Damaskus. "Seine Frau und seine zwei Kinder sind mittlerweile in die USA geflüchtet, da kennen sie jemanden", sagt er.

Niemand, der jetzt noch in Syrien sei, komme da noch heraus, glaubt Autohausbesitzer Kayali. "Eigentlich sind die Syrer ein liberales Volk. Ich bin dort aufgewachsen. Damals gab es keine Konflikte unter den religiösen Gruppen, alle lebten friedlich nebeneinander", sagt er. Wie es plötzlich zum Bürgerkrieg gekommen sei, kann er nicht verstehen. "Aber wir Syrer hier in Deutschland, wir verstehen uns gut", sagt Kayali. In Deutschland spiele es absolut keine Rolle, zu welcher Gruppe man gehöre. Egal, ob Sunnit, Schiit oder Alawit, hier sei man einfach Syrer.

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