Studentenproteste in München:Heilige Nacht im Audimax

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Die Besetzer des LMU-Audimax bereiten sich auf Weihnachten vor. Mit Plätzchen und Weihnachtsbaum wollen die Studenten ausharren.

Ulrike Jochum

Ein wenig schief und verloren steht er in einer Ecke des Audimax herum, der Weihnachtsbaum der Studenten, die seit Wochen schon den Hörsaal der Universität München (LMU) am Geschwister-Scholl-Platz besetzt halten. Drei Tage vor Heiligabend erinnert hier noch kaum etwas an die Feiertage, außer eben die mit ein paar Kugeln und Lametta geschmückte Tanne.

Mitglieder der AG Weihnachten kümmern sich im besetzten Audimax der LMU um Weihnachtsstimmung. (Foto: Foto: Alessandra Schellnegger)

Knapp 40 Menschen haben sich zum Plenum eingefunden. Im November, als die Besetzung noch den Charme des Aufbruchs hatte, kamen an guten Abenden mindestens zehnmal so viele. Die Teilnehmer reichen das Mikro durch die Reihen, diskutieren über die Räumung der Wiener Uni und beklagen die neueste "Kuschelstrategie" einiger Burschenschaftler.

Auf der Tafel stehen die Tagesordnungspunkte, darunter der Vermerk: "Weihnachtsfeier". Und an einem der Tische klebt ein mit blauem Filzstift beschriftetes Blatt Papier, das "Plätzchen für (fast) alle" verspricht. Ansonsten jedoch lädt der ungemütliche Funktionsraum nicht gerade dazu ein, Weihnachten darin zu verbringen. Genau das aber haben die Besetzer vor. Manche kommen sogar mit ihren Familien.

Plätzchenbacken und Weihnachtsgeschichte

So beispielsweise Tamara. "Meine Mutter war begeistert von der Idee, hier zu feiern. Sie ist ja auch selbst eine alte Revoluzzerin", berichtet die 27-Jährige, die in München Musikpädagogik studiert und kurz vor ihrem Abschluss steht. Für die Eltern von Jonas sei der Entschluss, den Sohn am Heiligabend ins Audimax zu begleiten, jedoch eher ein Kompromiss gewesen: "Sie haben halt gemerkt, wie wichtig mir das ist", so der Student der Komparatistik. Tamara und Jonas gehören zur "AG Weihnachten", gemeinsam mit ihren Kommilitonen haben sie ein Programm für die Festtage entworfen.

"50 Leute haben schon sicher zugesagt", sagt Tamara, die von Anfang an bei der Besetzung mit dabei war und das Audimax auch über Weihnachten nicht verlassen möchte. Damit sich auch alle wohlfühlen, sagen die Studenten, haben sie gestern noch einmal eingekauft und dekoriert. Am 24. geht es dann um 15 Uhr mit Kochen und Plätzchenbacken los, später wird eine Weihnachtsgeschiche von Kurt Eisner vorgelesen. Am Abend tritt Tamara selbst auf - als Sängerin.

Der erste Weihnachtstag bietet unter anderem einen Theaterworkshop an, am zweiten will man die Eltern von Schulkindern über die Inhalte des Bildungsstreiks informieren. "Das ist eine öffentliche Feier", betont die dunkelhaarige, semi-professionelle Musikerin, "jeder kann vorbeikommen." Und manche der Anwesenden werden sogar wieder dort übernachten - zwischen den Reihen, auf Isomatten und Schlafsäcken. Für Tamara und Jonas zumindest kommt nichts anderes in Frage. "Das muss sein, mit uns steht und fällt die Besetzung", sagt die junge Frau.

Immer weniger Besetzer

Andere waren da weniger ausdauernd. Die Gruppe der Besetzer ist in der letzten Zeit geschrumpft, die beiden Studenten können jedoch nicht ausmachen, woran das liegt: Sind es die Ferien? Ist es der Prüfungsstress? "Viele sind nach den vergangenen sechs Wochen auch einfach fertig", mutmaßt Tamara. Sie selbst habe in der ganzen Zeit nur drei Mal in ihrem eigenen Bett geschlafen und "nicht mal mehr Kraft zum Feiern."

Weitermachen aber wolle man trotzdem. Erst am Montag kam es zu einer Spontandemo anlässlich der Räumung der Universität Wien: Rund 50 Studenten haben vor dem Österreichischen Konsulat Wiener Walzer getanzt. Und gestern fand ein Plenum am Richard-Strauss-Brunnen in der Fußgängerzone statt, bei dem die Streikenden ihre Forderungen in der Öffentlichkeit diskutiert haben.

© SZ vom 23.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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