Kostenstreit:Der Munitionsfund von Freimann - ein Präzedenzfall?

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  • Beim Kampfmittel-Fund von Freimann bahnt sich ein richtungsweisender Rechtsfall an.
  • Ursprünglich sollte die Grundstückseigentümerin für die Entsorgung der Munition aufkommen, das Kreisverwaltungsreferat hat angekündigt, die Kosten zu übernehmen.
  • Diese Summe muss aber eigentlich der Bund übernehmen, findet der Anwalt der Grundstückseigentümerin, und will notfalls klagen.

Von Heiner Effern und Stefan Mühleisen, München

Der Kampfmittel-Fund von Freimann könnte sich zu einem Präzedenzfall von bundesweiter Bedeutung entwickeln - davon geht zumindest Florian Englert aus, der Anwalt der betroffenen Grundstückseigentümerin. Er zeigt sich überzeugt davon, dass die Bundesrepublik Deutschland letztendlich die Kosten für die Bergung der Weltkriegs-Altlasten übernehmen muss. "Wir werden notfalls vor Gericht ziehen", kündigt der Rechtsanwalt an, wobei sein Ziel über den konkreten Fall hinausgeht: "Es muss gesetzlich klar geregelt werden, dass der Bund für diese Kosten haftet."

Die Familie in dem Haus am Fundort - die 72-jährige Eigentümerin Melitta Meinberger mit Tochter Andrea, deren Ehemann und zwei Kindern - dürfte großes Interesse daran haben. In einer Vorlage für die Stadtratssitzung an diesem Mittwoch führt das Kreisverwaltungsreferat (KVR) eine vorläufige Kostensumme für die Räumungsaktion von gut 2,2 Millionen Euro auf. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) geht davon aus, dass die Stadt diese vorerst übernehmen wird. "Angesichts der außergewöhnlichen Umstände bin ich zuversichtlich, dass der Stadtrat dem vorgeschlagenen gerechten finanziellen Ausgleich zustimmen wird."

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Ob und wie viel die Familie selber zahlen soll, dazu macht die Stadt noch keine Angaben. Der Münchner CSU-Chef Ludwig Spaenle will sich dafür einsetzen, dass die Meinbergers auch vom Freistaat Hilfe bekommen. Als lokaler Abgeordneter habe er im Innenministerium vorgefühlt, ob aus einem Fonds für unschuldig in Existenznot geratene Bürger Mittel fließen könnten, sagte Bildungsminister Spaenle. "Ich würde einen solchen Antrag der Betroffenen positiv begleiten."

Nach Überzeugung des Anwalts der Grundstückseigentümer sollte trotzdem letztlich der Bund alles bezahlen. Zwar schließt sich das KVR in der Stadtratsvorlage der Rechtsmeinung des Bundes an, dass die Meinbergers als "Zustandsstörer" gelten, also Grundstückseigentümer sind, die wegen der Sprengmittel die öffentliche Ordnung bedrohen und die für die Beseitigung verantwortlich sind. Doch der Jurist Englert, der seine Doktorarbeit zum Kampfmittel-Recht geschrieben hat, hält das für angreifbar. Er sieht den Bund als "Handlungsstörer": Dieser sei als Nachfolger des Deutschen Reiches Eigentümer der Altlasten, die das Grundstück der Meinbergers kontaminieren.

Die Stadt dürfe zwar seiner Ansicht nach rechtlich korrekt die Familie in Haftung nehmen, doch könne dies nur eine Vorleistung sein. Beide - Stadt und Hauseigentümer - hätten zivilrechtlichen Anspruch, sich das Geld vom Bund zu holen. Nach Englerts Worten hatten Baufirmen mit dieser Argumentation bereits Erfolg. Er nennt eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts von 2012, wonach der Bund die Kampfmittel-Räumung auf dem Gelände des neuen Berliner Flughafens zahlen muss. "Zivilrechtlich hat aber noch niemand den Bund auf Störerhaftung verklagt", sagt Englert. Er will mit der Stadt verhandeln, ob er oder die Kommune selbst, wenn nötig, eine Klage einreicht.

Die Räumung des Munitionsdepots verzögert sich derweil weiter. Ein Feuerwehrsprecher sagte, zwar könne ein Teil der Anwohner an diesem Mittwoch erstmals wieder über Nacht in die Häuser zurückkehren. Tagsüber gelte die Sperrzone aber weiter. Denn bis Mittwoch seien nicht alle Sprengmittel wie geplant beseitigt. Die 24 Anwohner, die weniger als 50 Meter vom Fundort der Munition entfernt wohnen, müssen weiter bei Freunden oder in Hotels übernachten und dürfen voraussichtlich erst am Samstag ihre Häuser wieder betreten.

© SZ vom 05.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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