Strafprozess:75-Jähriger demoliert Auto, kann aber vor Gericht nicht belangt werden

Lesezeit: 2 min

  • Ein 75-Jähriger hatte beim Zeitungsaustragen einen geparkten 3er BMW mit seinem Karren demoliert.
  • Den Schaden in Höhe von knapp 1000 Euro musste er erstatten. Gegen einen Strafbefehl wegen Sachbeschädigung wehrte er sich aber erfolgreich vor Gericht.

Von Christian Rost

Es war an einem Sonntag im August 2014 kurz vor drei Uhr, als ein Zeitungsausträger in Großhadern nicht weiter konnte. Ein Münchner, der bei einer Bank Geld abheben wollte, hatte seinen 3er BMW auf dem Gehweg in der Würmtalstraße so abgestellt, dass der Rentner mit seinem Zeitungskarren nicht ohne weiteres vorbei kam.

Das machte den 75-Jährigen derart wütend, dass er mit seinem Handwagen absichtlich gegen die Fahrertür des Autos fuhr und zudem gegen die Karosserie trat. Für den Schaden musste er laut einem Urteil des Münchner Amtsgerichts aufkommen. Doch strafrechtlich kann der Mann nicht belangt werden, wie eine Berufungskammer am Landgericht München I jetzt feststellte.

Autofahrer zog Anzeige zurück

Der Autofahrer hatte den rabiaten Rentner beobachtet, als dieser seinen Wagen traktierte, und die Polizei geholt. Schon in seiner ersten Vernehmung gab der Senior die Tat zu. Er sagte, das Austragen von Zeitungen zu nachtschlafender Zeit bringe "eine enorme psychische und physische Belastung" mit sich, weswegen er überreagiert habe.

Den Schaden in Höhe von exakt 986,78 Euro musste er dem Autofahrer dennoch voll erstatten. Zudem hatte die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl wegen Sachbeschädigung gegen den Mann beantragt. Dagegen wehrte sich der Zeitungsausträger nun erfolgreich vor Gericht.

Verteidiger Andreas Schwarzer hielt es für völlig überzogen, auch noch ein Strafverfahren gegen seinen Mandanten durchzuziehen. Der Anwalt verwies darauf, dass der Autofahrer seine Anzeige zurückgezogen hat, nachdem der Rentner den Schaden bezahlt hatte. Die Staatsanwaltschaft wollte einer Einstellung des Verfahrens aber auch nicht zustimmen, als sich zeigte, dass der Angeklagte nicht schuldfähig ist.

Formale Denkstörung und mangelnde Impulskontrolle

Gegen ihn war bereits in der 1990er Jahren wegen Unterschlagung und Hausfriedensbruchs ermittelt worden. Eine psychiatrische Untersuchung ergab damals, dass bei ihm eine formale Denkstörung und mangelnde Impulskontrolle vorliegt. Auch ein Gutachten aus dem Jahr 2009 bestätigte die Befunde. Verteidiger Schwarzer verwies darauf, drang aber nicht durch: "Die Staatsanwaltschaft ignorierte das Ergebnis einfach und hielt an einer Bestrafung fest."

Das Berufungsgericht musste deshalb erneut eine Begutachtung des Rentners anordnen. Das Ergebnis einer Landgerichtsärztin bestätigte die Einschätzung der Verteidigung: Eine Schuldunfähigkeit sei wegen einer krankhaften seelischen Störung nicht auszuschließen. Die Berufungskammer stellte das Verfahren schließlich ein. Die Kosten von mehreren tausend Euro trägt die Staatskasse. Verteidiger Schwarzer sagt: "Das hätte man sich sparen können. Beim Blick in die Akten war von vornherein klar, dass der Mann, dem sogar ein Betreuer zur Seite gestellt ist, gar nicht bestraft werden kann."

© SZ vom 01.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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