Start-up:Wie man Handtaschen für 80 000 Euro findet

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Die Gründerinnen des Start-ups Catchy: Franzi Majer (links) und Magdalena Oehl. (Foto: Catherina Hess)

Zwei Münchnerinnen haben eine Suchmaschine entwickelt, die weltweit Secondhandmode aufstöbert. Sie bedient nicht nur Schnäppchenjäger, sondern auch Menschen, für die Mode Geldanlage ist.

Von Franziska Gerlach

Im Konferenzraum der Bürogemeinschaft an der Widenmayerstraße lässt ein Basilikum die Blätter hängen. Ein trauriger Zustand, der so gar nicht zu den Besitzerinnen der Pflanze passen will. Das Münchner Unternehmen Catchys nämlich wächst und gedeiht, wie es sich idealtypischerweise für ein Start-up gehört. Dabei hatten dessen Gründerinnen Franzi Majer und Magdalena Oehl keine revolutionär neue Idee. Sie helfen lediglich, dass Nutzer sich in einem bestehenden Markt besser zurecht finden, im Angebot der Online-Secondhandshops. Von denen gibt es mittlerweile unzählige, sie bieten gebrauchte Schuhe, Kleider oder Taschen, manchmal zum Preis eines Kleinwagens. Majer und Oehl, 33 und 32 Jahre alt, haben eine Suchmaschine für Secondhandmode entwickelt, die erste überhaupt.

So wie Opodo oder Swoodoo Flüge listet, bündelt Catchys seit einem guten Jahr das Angebot von Onlinehändlern, auf drei Millionen Produkte kann der Nutzer so zugreifen. Selbst nach ihrem Zustand sortiert die Seite die angebotene Ware: Manches wurde tatsächlich jahrelang getragen, an anderen Teilen baumelt noch das Etikett, oft handelt es dabei um Überbleibsel früherer Kollektionen. Nach eigenen Angaben wächst das Start-up gerade von Monat zu Monat um 150 bis 200 Prozent. Und das mit einem einfachen Geschäftsmodell: Die Unternehmerinnen schließen zwei Arten von Verträgen mit Online-Marktplätzen wie Vestiaire Collective, Rebelle oder Vite en Vogue ab: Entweder erhalten die Münchnerinnen 42 Cent, sobald jemand über Catchys die Seite eines Kooperationspartners anklickt, oder aber sie sind mit acht Prozent an einem Verkauf beteiligt.

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Vor Majer und Oehl steht ein Glas mit Kugelschreibern auf dem Tisch, in einer Ecke des Raums ist der obligatorische Flipchart aufgebaut. Nicht unbedingt die Ausstattung, die man in einem Anfang des 20. Jahrhunderts errichteten Haus im Lehel erwartet, in einer der schicksten Münchner Gegenden. Doch die Gediegenheit des Stadtteils tut der Kreativität des Teams offenbar keinen Abbruch. Drei Praktikanten und vier Festangestellte zählt das Start-up. Am späten Vormittag haben sie ihre Bildschirme fest im Blick, nur der Programmierer fehlt. Er darf ausschlafen, weil er bis in die frühen Morgenstunden die Seite überarbeitet hat.

Neben Mode leitet Catchys nun auch zu Internetseiten für Schmuck, Möbel oder Uhren weiter, und gerade mit letzteren will die Firma auch Männer für die Nutzung begeistern. Besonders gerne tummeln sich bisher Schnäppchenjägerinnen auf Catchys, junge Mädchen, die sich eine Designerklamotte leisten wollen. Andere Nutzerinnen seien schlicht und ergreifend "verrückt nach Mode", sagt Majer. Und daher bereit, einem Burberry-Trenchcoat aus den Achtzigerjahren in den endlosen Weiten des Internets hinterherzujagen. Schätzungsweise 15 bis 20 Prozent der Catchys-Kunden verstehen Mode als Geldanlage. Sie investieren 70 000 oder 80 000 Euro in eine Designer-Tasche.

Mit Catchys sollen die Tage nun vorbei sein, an denen man auf der Suche nach dieser einen Lederjacke wochenlang durch die Stadt tingelte und das Stück weder in den großen noch den kleinen Münchner Läden und schon gar nicht in den Ketten der Kaufingerstraße fand. Als dann vor einigen Jahren die ersten Online-Shops aufkamen, stieg zwar die Chance, das gewünschte Teil auch tatsächlich zu finden. Allerdings wurde es mit jedem neuen Online-Händler unübersichtlicher. "Es gibt inzwischen Hunderte an Playern", sagt Majer. Der Markt für Secondhandmode wächst schnell, sehr schnell sogar - denn produziert werden muss hier nichts mehr, es ist ja alles schon da. Doch was hilft das schönste Angebot, wenn sich keiner mehr auskennt?

Als Majer 2013 für das französische Secondhandmode-Portal Vide Dressing deutsche Kunden werben sollte, merkte sie, wie schwierig es ist, Leute auf unbekannte Internetseiten zu locken. Was fehlte, war eine Anlaufstelle für getragene Mode. Als Oehl und Majer dann versuchten, für einen Bekannten eine neuwertige Birkin Bag aufzuspüren, stand fest: Sie wollen es mit einer eigenen Internetseite probieren. "So eine Suchmaschine gibt es noch gar nicht, noch nicht einmal in den USA. Dann wird sie eben aus München kommen."

Ihr Zukunftsprojekt: Ein Leitfaden, wie man Fälschung und Original erkennt

Catchys ist nicht nur ein verheißungsvoller Pfad, der von München aus zu Modeschätzen in Singapur, Frankreich oder in den Niederlanden führt; es ist vor allem ein Technologie-Start-up. Die Seite zu entwickeln war aufwendig und kostspielig. Bei einer Investorenrunde im November kommt "ein mittlerer sechsstelliger Betrag zusammen", sagt Oehl. Dieses Geld hätten die Betreiberinnen in Marketing und die Technologie investiert, die die Produktdaten von den Partnershops auf Catchys ziehe. Einer der Investoren, den Majer und Oehl gewinnen können, ist der Münchner Alexander Brand, der die Idee zum Onlineshop windeln.de hatte. In Catchys steckt zudem Geld von den Gründern von Amorelie und Flaconi.

Majer und Oehl können sich durchaus vorstellen, Catchys eines Tages zu verkaufen. Ganz generell, zumindest. Das sei nun einmal etwas, womit man sich automatisch auseinander setze, sobald man mit externen Investoren zusammenarbeite, erklären die beiden. Solche Entscheidungen können in der virtuellen Welt ziemlich schnell aktuell werden, manchmal dauert es nur drei oder vier Jahre bis zum Verkauf.

Dennoch wollen sich Majer und Oehl auf das Jetzt konzentrieren. Catchys soll wachsen, sich weiterentwickeln. Als nächstes planen die Betreiberinnen einen Leitfaden, der erklärt, woran man bei Designermode den Unterschied zwischen Fälschung und Original erkennt. Sie selbst haben vor Nachahmern übrigens keine Angst. "Wir haben einen guten, zeitlichen Vorsprung", sagen sie. Und den würden sie auch nutzen.

© SZ vom 11.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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