Stegen:Im Balzflug um die Brauerei

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Die Dohle, Vogel des Jahres 2012, zählt zu den klugen Köpfen im Vogelreich. Der LBV widmet ihr eine Ausstellung in Stegen

Armin Greune

Das Jahr 2012 ist für die Starnberger Kreisgruppe im Landesbund für Vogelschutz (LBV) ein bisschen unglücklich gelaufen. Da ist man einmal so nah wie möglich am "Vogel des Jahres" dran, ja, teilt sich mit ihm sogar das Domizil - hat aber gerade niemand zur Hand, um Veranstaltungen zum Thema anzubieten. Inzwischen aber konnte nach dem Weggang von Sebastian Werner die Stelle des Kreisgeschäftsführers mit Büro in Stegen wieder besetzt werden und der LBV holt das Versäumte kurzerhand nach: In einer kleinen Ausstellung im Foyer der Alten Brauerei wird der Vogel des Jahres 2012, die Dohle, gewürdigt - während direkt vor der Tür und rund um das alte Gemäuer gerade rund 30 Exemplare im Balzflug kreisen oder sich dem Nestbau widmen.

LBV-Kreisvorsitzende Horst Guckelsberger und die neue Geschäftsführerin Miriam Hansbauer begrüßten am Dienstag gemeinsam mit dem Hausherren Paul Schneider Pressevertreter zur Ausstellungseröffnung. Vorerst bis 4. April sind täglich von 11 bis 19 Uhr ein Dutzend Stelltafeln und andere Exponate zu sehen, die über Dohlen im Speziellen und über Gebäudebrüter im Allgemeinen informieren. Ebenso wie Turmfalken und Weißstörche, Spatzen und Mauersegler haben sich die Dohlen als ursprüngliche Steppenbewohner Häuser und Höfe als neue Lebensräume erschlossen: Weil ihnen der Wirtschaftsforst immer weniger tote Bäume mit Höhlen bietet, leben inzwischen nur noch ein Drittel der bayrischen Dohlen in Holzbauten, der Rest ist in steinerne Behausungen umgezogen, sagte Hausbauer.

An der Alten Brauerei haben mindestens 15 Brutpaare und einige Singles dauerhaft Quartier bezogen. Mit ihrer aggressiven Art vertreiben sie Tauben und Falken, mit den Menschen kämen sie in der Regel jedoch harmonisch aus. Freilich gab es in Stegen auch "Problemdohlen", berichtete Hansbauer: Ein Pärchen hatte sein Nest im Kamin gebaut und so die Gefahr einer Kohlenmonoxid-Vergiftung der Hauptmieter heraufbeschworen.

Wenn sich die Vögel derart ungeeignete Brutplätze suchen, müssten sie im Sommer in Nistkästen umquartiert werden. Diese von Menschenhand direkt für Dohlen gefertigten Behausungen sollten mindestens 50 Zentimeter groß sein und nicht isoliert aufgestellt werden, weil die Vögel als Koloniebrüter die Gesellschaft ihrer Artgenossen suchen, erläuterte Guckelsberger. Natürlich seien sie nicht unbedingt auf Nistkästen angewiesen: Ein frei zugänglicher Kirchturm täte es auch, schließlich trugen die Dohlen früher den Spitznamen "Des Pfarrers schwarze Tauben".

Gerade aber die lästigen Stadttauben mit ihren bis zu sechs jährlichen Bruten und entsprechendem Kotanfall hätten dazu geführt, dass Messner die Türme abdichten - und somit auch Falken, Fledermäuse und Dohlen aussperren. Wer für Dohlen Brutraum zur Verfügung stellt, sollte die Schlupflöcher danach im Frühsommer verschließen, um zu verhindern, dass Tauben als Nachmieter einziehen, rät Guckelsberger. In Leutstetten hat eine Tierfreundin 20 Brutkästen für Dohlen bereitgestellt, die rege genutzt werden. Weitere Kolonien im Fünfseenland finden sich im Andechser Kloster und in Grafrath, eventuell auch bei Gauting und Tutzing.

Am Nordende des Ammersees aber herrschen fast ideale Umweltbedingungen für sie: "Das strukturreiche Umfeld mit Wäldern und Weiden bietet viele Nahrungsquellen, Dohlen sind zwar eigentlich Insektenfresser, nehmen aber auch Früchte und Samen zu sich", sagt Hansbauer. Die Dohle sei deshalb "eine sehr gut Botschafterin der Biodiversität". Auch der Inhaber der Alten Brauerei kann sich über die Artenvielfalt vor der Haustür freuen: Schneider verweist etwa auf die alten, mit Efeu umrankten Eichen, in deren Kronen sich Wacholderdrosseln mästen. Er erzählt von Zaunkönigen und Buntspechten in der Nachbarschaft. Nur die Turmfalkenpopulation müsse "etwas unter den Dohlen leiden".

Schneider will von Juni an in einer Veranstaltungsreihe "Natur und Kunst vereinen". Als Vorgeschmack hängen jetzt schon an einer Wand drei Radierungen mit Raben als Motiv, die der Künstler Bodo Klös angefertigt hat. Wie eine der Ausstellungstafeln verrät, gehören auch die Dohlen - als kleinste Vertreter - zu den Rabenvögeln, also "den klugen Köpfen" im Vogelreich. Von Klös stammt die bekannte Monografie "Der Rabe", ein Bilderbuch mit 140 Farbabbildungen; von Juni an will Schneider eine größere Ausstellung des Grafikers zum Thema in Stegen zeigen. Auch eine Lesung mit Edgar Allen Poes Gedicht "Der Rabe" ist dann geplant. Parallel zur Kunstaktion sollen dann auch wieder die Informationstafeln des LBV in der Alten Brauerei präsentiert werden, die jetzt zu sehen sind.

Bei einem kleinen Rundgang im Freien lässt sich dann das Verhalten der Dohlen beobachten. Ihre Lieblingsplätze werden streng hierarchisch verteilt, erklärt Hansbauer: Die ranghöchsten Individuen suchen sich die besten Aussichtspunkte. Die Nester finden sich in Mauernischen, meist schließen sich die Dohlen zu lebenslangen, monogamen Paaren zusammen. Während die Weibchen im Frühjahr vier bis sechs Eier ausbrüten, werden sie von den Partnern fürsorglich gefüttert. Um die Nestlinge kümmern sich dann beide Eltern gemeinsam. In klimatisch sehr günstigen Jahren ziehen die Dohlenpaare noch eine zweite Brut auf. Mit den Alpendohlen sind sie nur entfernt verwandt und kaum zu verwechseln: Die Gipfel-Bettler haben gelbe Schnäbel und rote Beine, die eigentlichen Dohlen sind bis auf die blauen Augen einfarbig schwarzgrau. Die Art gilt weltweit als ungefährdet, in Teilen Europas geht ihr Bestand wegen Nistplatzmangels zurück.

© SZ vom 13.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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