Starnberg/Wien:Der Schlaf als Kunstwerk

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Elena Carr nutzt gerne verschiedene Medien, um sich einem Thema kreativ zu nähern. Das Repertoire der 25-Jährigen reicht von einer Performance bei einem Gottesdienst bis zum Fahrradkino auf der Corneliusbrücke

Von Sabine Bader, Starnberg/Wien

Wenn Elena Carr sich einem Thema künstlerisch nähert, ist ihr ein Medium zu wenig. Sie nutzt mehrere Ausdrucksformen, macht Installationen, Fotos, Videos, Performance und nimmt Schrift und Sprache zur Hilfe. Das Thema muss von allen Seiten beleuchtet und eingekreist werden. Momentan befasst sich die Starnberger Künstlerin eingehend mit dem Schlaf. Wer glaubt, die Nachtruhe sei schnell ergründet, irrt. Auch das Thema Flucht spielt zum Beispiel für Carr mit hinein. Die aufgebürdete Passivität, das Warten auf die mögliche Anerkennung als Asylbewerber. Die 25-Jährige weiß, wovon sie spricht: Drei Jahre hat sie eine Frau während ihres Asylverfahrens begleitet, ihre Höhen und Tiefen erfahren. Eine psychische Achterbahnfahrt für die Betroffene.

Ein anderes Beispiel: Am "Aschermittwoch der Künstler" in der Münchner Frauenkirche 2014 war sie gemeinsam mit zwei weiteren jungen Künstlern mit einer ebenso ausgefallenen wie aufwendigen Performance beteiligt. Eine fragil wirkende Konstruktion aus Holz und Metal wurde während eines Gottesdienstes, den Kardinal Marx zelebrierte, verändert: Da fielen Stoffhüllen, wurden Flügel entfaltet und bewegt. Das Schöne ist also veränderbar, unbeständig.

Momentan absolviert die Starnberger Künstlerin ein Gaststudium an der Akademie für bildende Künste in Wien, in der Klasse für "Installation im Öffentlichen Raum". Und sie spielt bei einem dänisch-österreichischen Projekt des Volkstheaters Wien mit, das das fünfstündige Improvisationsstück "Wir Hunde" im Rahmen der Wiener Festwochen auf die Bühne bringt. Gemäß dem Wesen des Improvisationstheaters gibt es bei dem Stück keine festen Dialoge, die Schauspieler sind ständig mit dem Publikum im Gespräch. Konzept und Inszenierung des Stücks stammen von Signa und Arthur Köstler. Carr findet das Ganze ungeheuer spannend, wie überhaupt die Kunstszene in der österreichischen Landeshauptstadt. "Es ist so östlich dort und es gibt so viel Subkultur", erzählt sie. Das zieht sie an. Sie könnte sich darum langfristig auch vorstellen, ganz in Wien zu leben. Doch bevor diese Überlegungen spruchreif werden, will sie ihr Studium an der Akademie der bildenden Künste in München abschließen. Das soll im nächsten Jahr der Fall sein.

Für Elena Carr war von Anfang an klar, dass sie Künstlerin werden will. Für die letzten zwei Jahre vor dem Abitur wechselte sie darum von Tutzing nach Gräfelfing ans Kurt-Huber-Gymnasium, weil es dort einen Kunst-Leistungskurs gab. Nach dem Abitur hat sie ein Jahr lang bildhauerische Praktika gemacht: bei Werner Mally in München, bei Josef Lang und Cornelia Rapp in Denklingen und bei Claus Nageler in Starnberg. Es folgten während des Studiums noch etliche Praktika, darunter vier Jahre lang als Filmvorführerin im Kino Breitwand in Starnberg. 2013 hat sie eine kuratorische Assistenz in der MADA Gallery der Universität Melbourne absolviert, ebenso eine Szenenbildassistenz beim Kurzfilm "Mutter, Seelen, allein".

Ein Baugerüst und eine Holzkonstruktion bilden die Grundlage einer Performance in der Münchner Frauenkirche. (Foto: Hans-Rudolf Schulz)

Möglich, dass es auch das Gemeinschaftserlebnis ist, das Elena Carr an ihrer Art von Kunst reizt. Sie sitzt meist nicht allein im stillen Kämmerlein und werkelt vor sich hin - malt, knetet oder feilt. Sie arbeitet mit anderen jungen Leuten gemeinsam an einem Projekt. Was dabei herauskommt, ist auch das Werk aller. Das verbindet. Das legt den Schluss nahe, dass Carr eine echte Teamspielerin ist. Mit ein Grund für diese Eigenschaft dürfte auch die Tatsache sein, dass sie fünf Brüder hat und eines der Sandwichkinder ist. Auch ihre Berufsentscheidung kommt nicht ganz von Ungefähr: Ihre Mutter Elisabeth Carr hat sich ebenfalls der Kunst verschrieben und ist seit vielen Jahren erfolgreiche Kulturmanagerin in Starnberg.

Auch die Tochter meint es ganz offensichtlich sehr ernst mit ihrem Berufsziel. Das zeigt schon ihr Lebenslauf. In Starnberg war sie mit Objekten und Projekten in der ehemaligen Schalterhalle im Seebahnhof vertreten, darunter eine Performance bei der Vernissage der Ausstellung "Warum Starnberg? Orte - Menschen - Geschichte". Mit dem Thema Schlaf hat sie sich auch im Rahmen des Kunstwerks des Monats im Katharina-von-Bora-Haus in Berg befast. Da hängte sie einen Schlafsack an die Wand und heftete daneben drei Papier-Silhouetten von schlafenden Personen. Textfragmente standen auf geprägten Spruchbändern. Und sie zeigte ein Artefakt, das sie Schlafkarussell nennt und das aussieht, als könnte es sich auch um eine moderne Nachttischlampe handeln aus einem abgefahrenen Münchner Designladen.

In München zeigte Carr Arbeiten unter anderem in den Kammerspielen, beim Festival für Medienkunst im Kreativquartier, und beim Isarbalkon auf der Corneliusbrücke war sie mit ihrem Fahrradkino dabei: eine Bilderschleife, die ein wenig so aussieht wie ein Laufband und die von einem Fahrrad angetrieben wird. Wer meint, das war es jetzt aber wirklich, der irrt sich ein zweites Mal: Etliche Arbeiten hat die 25-Jährige auch in Österreich, England, Griechenland und Australien gezeigt. Und da dürfte noch reichlich Luft nach oben sein bei Elena Carr.

© SZ vom 03.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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