Prozess:Starnberg klagt weiter

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Die Stadt will gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München (VG) in Berufung gehen. Ziel bleibt die Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung, doch der Ausgang des Verfahrens ist höchst ungewiss

Von Peter Haacke, Starnberg

Die juristische Auseinandersetzung zwischen der Stadt Starnberg und dem Freistaat Bayern um die Aufhebung der städtischen Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs) geht in die nächste Runde: Mit knapper 14:13-Stimmenmehrheit hat der Stadtrat am Montag kurz vor Mitternacht beschlossen, gegen das Anfang März gefällte Urteil des Verwaltungsgerichts München (VG) einen Antrag auf Zulassung der Berufung einzureichen. Die Richter hatten eine vorhergehende Klage der Stadt abgewiesen, die sich gegen das Landratsamt Starnberg wendet: Die Kommunale Rechtsaufsicht hatte den Aufhebungsbescheid zur Strabs vom Frühjahr 2015 aus verschiedenen Gründen als rechtswidrig erachtet.

Es ist eine komplizierte Materie, mit der sich nicht nur die Juristen unter Starnbergs Stadträten schwer tun. In nahezu zweistündiger Debatte kamen im Gremium zu vorgerückter Stunde die unterschiedlichsten Aspekte der umstrittenen Satzung zur Sprache, die bei Bürgern unbeliebt ist, vielen Kommunen aber dringend benötigte Einnahmen zu Sanierung und Ausbau des öffentlichen Raums beschert. Zur Abstimmung kam letztlich ein Beschluss, der als Kompromiss interpretiert werden kann: Die Stadt Starnberg wehrt sich gegen die Ablehnung ihrer Klage und strebt eine weitere Verhandlung auf höherer Ebene beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) an. Parallel dazu soll die Stadtverwaltung Vorschläge für eine bürgerfreundliche Neufassung der Strabs erarbeiten, um im Fall einer Niederlage vor Gericht eine Alternative zu haben. Für betroffene Bürger - insbesondere in Hanfeld - geht die bange Zeit des Wartens weiter: Sie müssen damit rechnen, für die aktuelle Sanierung ihrer Straßen auf Basis der momentan außer Kraft gesetzten Satzung nachträglich zur Kasse gebeten zu werden.

Der Rechtsanwalt der Stadt Starnberg, Walter Georg Leisner, erläuterte im Stadtrat seine Argumentation zugunsten einer Fortsetzung des juristischen Verfahrens. Vorsorglich hatte er auf das Urteil zur Klageabweisung des VG mit einem Antrag auf Zulassung der Berufung reagiert. Bis 2. Oktober muss eine "vernünftige Begründung nachgereicht werden". Laut Leisner ist es nicht leicht, diese Hürde zu nehmen; die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Ablehnung bezifferte er auf 50 bis 60 Prozent. In einem ausführlichen Vortrag rekapitulierte er die Ereignisse seit März 2015, als Bürgermeisterin Eva John in der "stadtratlosen Zeit" wenige Tage vor den Kommunalneuwahlen die Strabs außer Kraft setzte.

Gleichwohl sieht Leisner auch Chancen der Stadt Starnberg auf eine Berufungsverhandlung. Grund dafür ist die bislang ausstehende Verhandlung zur Klage der Gemeinde Hohenbrunn beim Bundesverwaltungsgericht (BVG) in Leipzig. Hohenbrunn will die Strabs ebenfalls aufheben, scheiterte mit dem Anliegen bislang aber sowohl am Verwaltungsgericht München als auch am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Unbekannt ist, wann es in Leipzig zur Verhandlung kommt. Sollte das BVG das - laut Leisner nicht rechtsgültige - BGH-Urteil kippen, hätte das wohl auch Auswirkungen auf Starnberg.

Leisner empfahl den Mandatsträgern, "diesen Schritt zu gehen und zu schauen, ob der VGH mit anderem Senat nicht doch anders entscheidet". Die Starnberger sollten sich überlegen, dem Vorbild Hohenbrunns zu folgen. Die Kosten für den nächsten Schritt summierte er auf 5000 bis 8000 Euro, binnen der nächsten zehn Tage muss ein Schriftsatz gefertigt werden. Weiterer Vorteil: "Es würde uns etwas Zeit verschaffen bis zum nächsten Frühjahr. Dann wären wir wieder im Spiel drin", sagte er.

In der nachfolgenden Debatte zum Thema unterstützten vor allem Vertreter von WPS, BMS und FDP den Vorschlag des Juristen. Widerspruch kam aus Reihen der UWG, SPD, Grünen und Parteifreien. Als zwiegespalten erwiesen sich in der Abstimmung die CSU-Fraktion und Bürgerliste.

Otto Gaßner (UWG) mutmaßte, dass die Stadt versuche, ein Grundsatzurteil zu erzwingen. Er verwies darauf, dass die maßgebliche Kommunale Abgabeverordnung Landesrecht sei. Zwar sei die Strabs eine "Pest", aber die "Erschließungsbeiträge sind der Tod". Stefan Frey (CSU) bezeichnete die Leisners Argumentation als teilweise nicht nachvollziehbar. Zudem sei Hohenbrunn finanziell wesentlich besser aufgestellt als Starnberg. Andere Gemeinden könnten hervorragend mit einer modifizierten Strabs haushalten, das VG werde nicht seine eigenen Grundsätze über Bord werfen. Tim Weidner (SPD), seit 2001 ehrenamtlicher VG-Richter, riet von der nicht erfolgversprechenden Klage ab; die Aufhebung der Strabs sei rechtswidrig. Zudem riskiere die Stadt den Verzicht auf Zuschüsse und Förderungen durch Freistaat und Bund. Auch Michael Mignoli (BLS) hegt Zweifel am positiven Ausgang des Verfahrens. Eine Mehrheit schloss sich dennoch seinem Vorschlag an, die Klage zu verfolgen und eine neue Strabs zu erarbeiten.

© SZ vom 20.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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