Pöcking:Auf der Jagd nach dem Brunnenschatz

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Nach zweiwöchiger Schlammschlacht findet der Pöckinger Meeresbiologe Hans Fricke in 176 Metern Tiefe einen Sack voller Kostbarkeiten. Sein Ziel waren aber nicht die Münzen, sondern ein kleiner Krebs.

Von Otto Fritscher, Pöcking

Es war ein Hosenträger, der Hans Fricke letztendlich überzeugte. Dem Pöckinger Meeresbiologen, der bei seinen Tauchfahrten den ersten lebenden Quastenflosser entdeckt hatte, erzählte seine Nachbarin Sonja Stuchtey eines Tages die Geschichte von ihrem Großonkel Hugo, der vor 1945 Leiter des damaligen Kaiser-Wilhelm-Museums auf dem Kyffhäuser im Norden Thüringens gewesen war.

Der hatte gegen Ende des Kriegs einige Preziosen aus dem Museum in einen Sack gepackt und diesen in den 176 Meter tiefen Brunnen neben dem Kyffhäuser-Denkmal geworfen. Er wollte die Gegenstände vor der anrückenden Roten Armee verstecken. Sonja Stuchtey hat noch ein Paar kaiserliche Hosenträger, die der Großonkel hinterlassen hatte, im Familienbesitz - das überzeugte Fricke. Den Sack mit den Preziosen sollte Fricke am Grund des Brunnens finden. "Ich bin kein Schatzsucher, aber die Sache hat mich trotzdem interessiert, weil ich dem Niphrargus bajuvaricus auf der Spur bin, einem kleinen Krebs, der auch in Brunnenschächten vorkommt", erklärt Fricke.

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Er sei deshalb schon öfter in Brunnen eingefahren, aber noch nie so tief. Krebs und Museumsschatz - auch für Fricke keine alltägliche Verbindung. Und so setzte er Mitte November - nachdem er die erforderlichen Genehmigungen erhalten hatte - ein aufwendiges Unternehmen in Gang, das erst am 21. Dezember erfolgreich beendet werden sollte.

Ein Berg von Geröll, Schlamm und Schutt

Die meisten Menschen hätten Höllenangst, in einen solchen Brunnenschacht hinabzusteigen. "Früher hatten zum Tode Verurteilte die Wahl, ob sie gehenkt oder in den Brunnen geworfen werden wollten. Auch dort sind sie erstickt", erklärt Fricke emotionslos. Für ihn seien Enge und Dunkelheit normal. "Ich habe mehr als 1000 Fahrten mit einem U-Boot hinter mir, war schon in vielen Höhlen und Brunnen."

20 Minuten dauerte es, bis Fricke in einem Gestell, das am Seil eines Autokrans befestigt war, auf den Brunnengrund hinabgelassen wurde. Dann mussten ein Netz und ein Korb, welche beide 2003 in den Brunnenschacht eingebaut worden waren, entfernt werden. Sie dienten dazu, Gegenstände aufzufangen, die die Besucher der Kyffhäuser-Anlage in den Brunnen geworfen hatten, vor allem Münzen und Steine. Dann musste Sauerstoff in den Brunnenschacht geblasen und das Wasser abpumpt werden. Dieses stand im Brunnenschacht immerhin neun Meter hoch, es wird von einer kleinen Quelle gespeist.

Nach dem Abpumpen wurde ein Berg von Geröll, Schlamm und Schutt, durchsetzt mit Münzen und anderen Gegenständen, sichtbar, die vor Anbringung des Siebs in den Brunnen geschmissen worden waren. Auch diesen Berg galt es abzutragen. Insgesamt mussten acht Tonnen Geröll, Schlamm und Schutt vom Brunnengrund geräumt werden, was insgesamt 16 Tage dauerte. In der obersten Schicht fanden sich Euromünzen und einige Westmark, dann weiter unten jede Menge DDR-Geld, und sogar Orden der DDR. Und zudem viele Gegenstände des täglichen Lebens, vom Schnuller bis zum Besteck. "Vom Sack aus dem Museum war zunächst nichts zu entdecken", erinnert sich Fricke.

Onkel Hugos Museumsschatz

Doch dann, nach einer vierzehntägigen Schlammschlacht, war es endlich soweit. "Da hab' ich den PVC-Sack plötzlich entdeckt, ich wusste, das ist Onkel Hugos Museumsschatz", berichtet Fricke. Das Säckchen enthielt tatsächlich die Preziosen aus dem ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Museum, aber auch andere Gegenstände wie Medaillons, einen Papageienanhänger und andere Schmuckgegenstände, die nun von Experten untersucht werden sollen. "Der Museumsschatz soll später in einer Ausstellung präsentiert werden." Allerdings ist Fricke enttäuscht, dass er nicht noch tiefer im Brunnen graben durfte, obwohl die technischen Voraussetzungen dafür gegeben waren. Die Begründung der thüringischen Denkmalbehörde lautete: Eventuell noch im Untergrund lagernde Kulturgüter seien dort besser geschützt.

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Und so ganz nebenbei hat Fricke auch noch den Niphrargus bajuvaricus gesehen, jenes kleine Krebschen, dem er eigentlich auf der Spur war. "Das Tierchen ist blind. Wenn es gegen ein Hindernis schwimmt, macht es eine Rolle rückwärts wie ein Wettkampfschwimmer", sagt Fricke. Es spricht wieder der Professor und Biologe, und nicht der Schatzsucher.

Für die nächste Expedition fehlt die Genehmigung

Auch seine nächste Expedition soll Fricke wieder in die Tiefe führen: Dann allerdings in heimischen Gewässern, im Königssee. Dort hatte sich im Jahr 1964 ein Autofahrer auf den zugefrorenen See gewagt und war an einem sogenannten Entenloch - einer nicht dick zugefrorenen Stelle - in die Tiefe gestürzt.

"Das Auto habe ich bei einer Tauchfahrt mit meinem U-Boot Jago vor einigen Jahren in 134 Metern Tiefe entdeckt. Der Fahrer liegt daneben. Es droht, aus dem Wrack Öl auszulaufen, das den Königsee verschmutzen könnte, deshalb müsste man es heraufholen", sagt Fricke. Indes fehlt noch die nötige Genehmigung der Nationalparkbehörden. "Zur Not geh' ich bis zum Ministerium", sagt Fricke. Denn ans Aufhören denkt er mit seinen 74 Jahren noch lange nicht.

© SZ vom 30.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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