Konzert:Tänzerisch angetrieben

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Das Publikum honoriert das einfühlsame Spiel von Ludwig Seuss und seinen Musikern mit frenetischem Applaus. (Foto: Nila Thiel)

Ludwig Seuss und seine Band überzeugen bei "Jazz am See"

Von Reinhard Palmer, Feldafing

Es gibt Musikgattungen, die per se etwas Packendes und Mitreißendes an sich haben. Meistens ist das der Fall, wenn es sich um vorwärts treibende Tanzmusik handelt. Wie sie den Körper zu bewegen vermag, so ist es ihr auch möglich, die Seele ins Schwingen zu versetzen und die Stimmung zu heben. Zu dieser Sorte gehört zweifelsohne der Boogie-Woogie, den sich Ludwig Seuss als bevorzugtes Genre von allen vom Blues-Schema abgeleiteten Gattungen, zwischen denen er gewandt und zielsicher wechselt, auf die Fahnen geschrieben hat. Mit seinem Quintett instrumental angereichert und in diversen Schattierungen koloriert, begeisterte er auch das Publikum im ausverkauften Feldafinger Bürgersaal, wo es zur Gast von Jazz am See war.

Zu den Steckenpferden des Tastenvirtuosen, der vor allem als Mitglied der Band Spider Murphy Gang Furore gemacht hat, gehört auch der hierzulande selten gespielte Zydeco, der das Publikum in Feldafing offensichtlich noch mehr ansprach. Dieser Tanz aus Louisiana ist ein wahres Euphorisiakum, das wohl selbst die eingefleischten Tanzmuffel aus der Reserve zu locken vermag. Still zu halten, fällt bei der Musik schon schwer. Originalgetreu griff Seuss zum Akkordeon, während Peter Kraus am Schlagzeug mit filigranem Spiel das Waschbrett simulierte. Wie sich die Musik der europäischen und afrikanischen Einwanderer in Argentinien mit der lokalen Tradition zum Tango vereinte, so brachte die Musik der französischen Einwanderer, der Cajuns, in Verbindung mit afroamerikanischen Einflüssen den Zydeco hervor, der heiter und ausgelassen pure Lebensfreude versprüht. Grund genug, ihn vor der Pause und am Konzertschluss zu platzieren, sind ihm doch frenetische Ovationen stets sicher.

Natürlich soll alles in der Band auf Ludwig Seuss fokussiert sein. Doch das ist kein leichtes Unterfangen, wenn man sich von großartigen Mitmusikern umgibt, die in den wenigen Soli wunderbare Auftritte hinlegen, sich sonst aber weitgehend einer einfühlsamen Begleitung hinzugeben haben. So vor allem der emotional ansprechende Saxofonist Eddie Taylor, dessen Blues-Feeling wohl kaum tiefer hätte gehen können. Weich, warm und im ausdrucksstark sprechenden Duktus formte er die Töne mit feinst austarierter Emphase, wenn es im dunklen Groove darum ging, die Wurzeln dieser Musik aufzuspüren.

Eine Qualität, an der der junge Special Guest aus Gauting, Tom Förster, ebenfalls am Tenorsaxofon, wohl noch eine Weile wird arbeiten müssen. Doch dem Publikum gefiel es, wie er mit angerautem Klang den Rock'n'Roll zelebrierte, von Seuss immer wieder angefeuert und in den Vordergrund gedrängt. Publikumswirksam war seine Spielweise allemal, an Erfindungsgeist fehlte es ihm ebenso wenig. In Memoriam Fats Domino mit "Let The Four Winds Blow" zeigten sich die beiden Zugriffe jedoch nicht gerade als kompatibel. Freunde der Rockballade in blues-iger Gangart fanden gewiss Gefallen am Spiel von Titus Vollmer. Der (Filmmusik-)Komponist, Arrangeur und Gitarrist ist ein Musiker von seltener Klarheit und Effizienz. Er demonstrierte ein sicheres Ohrenmaß für maximale emotionale Wirkung bei geringstmöglichem Mitteleinsatz. Seine Ästhetik erinnerte an große Klassiker der Rockgeschichte. Obgleich seine hintergründige Präsenz dem Ensembleklang das körperhafte Volumen und die wohltuende plastische Substanz verlieh, hielt indes der E-Bassist Tom Peschel konsequent der rhythmischen Unterlage die Treue. Sein einziges Solo wies ihn hingegen als experimentierfreudigen Avantgardisten aus, der weniger auf Virtuosität als auf Raffinesse setzte. Mit impulsiven Akzenten im dichten Geflecht nutzte er den Reiz des Fragmentarischen und Angedeuteten.

Das Musikgenre gab Kraus wenig Möglichkeiten, als Schlagzeuger zu brillieren. Als Sänger hingegen zeigte er charaktervolle Qualitäten, die sich denen von Seuss als ebenbürtig erwiesen, der hier allerdings routiniert seine Stimme dem jeweiligen Genre geschickt nachzukolorieren vermochte und seiner Rolle als Frontmann absolut gerecht wurde. Vor allem, wenn er spieltechnisch die Lok sausen ließ und mit Fingerperfektion in die Tasten hämmerte. Mit "Down The Road" einmal mehr in der Zugabe, bevor der dunkel groovender Blues "How Long" in den Winterblues entließ.

© SZ vom 19.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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