Konzert:Powerplay und Klangmagie

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Geschlagene eineinhalb Stunden: Philipp Jungk und Alexander Glöggler (von links) bei ihrem Gastspiel im Bosco. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Das Schlagwerkduo "Double Drums" groovt im Gautinger Bosco

Von Reinhard Palmer, Gauting

Wird getrommelt, rückt das Publikum scharrenweise an, männlich wie weiblich, Jung wie Alt. Schlagwerk eint die Generationen, Musiktypgrenzen überschreitend und Völker verbindend. Da erwacht wohl der Urinstinkt eines jeden Menschen, ja eine tief vergrabene Sehnsucht nach dem Ursprünglichen.

Gerade deshalb ist das Publikum sehr kritisch, erkennt schnell, ob eine Darbietung hochwertig ist oder nur mehr oder minder Lärm macht. Leise geht es natürlich beim Auftritt des Schlagwerkduos Double Drums selten zu, aber dafür spannend. Alles ist ausgetüftelt, präzis gespielt, reich an Imagination, klar und transparent, im Zusammenspiel absolut homogen, selbst bei vielfältigen Rhythmusbrechungen und plastischer Durchbildung mit Spannung aufbauendem Ritardando und Accelerando. Beste Voraussetzungen, den ausverkauften Saal im Gautinger Bosco zum Toben zu bringen.

Wichtig dabei: Philipp Jungk und Alexander Glöggler machen die Musik effektvoll sichtbar und kommunizieren mit dem Publikum, lassen es sogar mitmachen. Schon das Konzertset ist ein imposantes Bühnenbild, obgleich es funktional aufgebaut ist. Mehr als 100 Schlaginstrumente und Alltagsgegenstände impliziert das aktuelle Programm, das mit dem Titel "Groove Symphonies" daran erinnert, dass die beiden Spitzendrummer ihre Wurzeln in der Klassik haben. Man denke nur an die Mitwirkung beim Konzert der ARD-Preisträger des Klassikforums 2007 auf derselben Bühne. Und ein Bach-Präludium fand auch in dieses Programm als Marimbaphon-Nummer. Schließlich groovt es bei Bach ja auch nicht schlecht.

Mit dem Thema aus Beethovens Fünfter die Bühne zu betreten, gab gewiss innere Kraft, die sich sogleich an einem Trommelset entlud, mit Beethovens Thema der Neunten als Gag zum Ausklang. Details, die genau platziert waren und deshalb auch nicht ihre Wirkung verfehlten. Diese Show war eben nicht nur eine Präsentation der Instrumente und der Fähigkeiten der Schlagwerker, sondern eine dramaturgisch aufgebaute Performance, die eine Entwicklung aufwies und auf die Emotionen einging. Eine Berg- und Talfahrt, die gewiss keinen Konzertbesucher kalt ließ. Denn de Rhythmen erfassten einen, ob man wollte oder nicht, zumal wenn am Trommelset die Eingeweide zum Beben gebracht wurden.

Es gab aber auch viele wohlige Klänge, nicht zuletzt beim Spiel des Marimbaphons oder beim Bogenstreichen am Glockenspiel. Double Drum verstand es, mit magischen Klängen und geheimnisvollen Geräuschen zu verzaubern, erst recht, wenn die Lichtshow auch optisch für Atmosphäre sorgte.

Besondere Klänge erzeugten schön geformte Gefäß-Instrumente, die zwar verhaltener klangen, doch mit tief wirkenden Obertönen ein reiches Farbspektrum offenbarten. Stark verstärkte Plätscherklänge reicherten sie sinnlich an. Klar, einen Topf mit einem Filzschlägel anzuschlagen, ergibt einen angenehmen Ton. Den Topf aber dabei ins Wasser zu tauchen, ist die reinste Klangmagie.

Oft waren es sehr einfache Spielereien, die das Publikum besonders fesselten. So etwa das Live-Einspielen von Loops mit unzähligen Perkussionsinstrumenten nacheinander, die sich schließlich zu einem imposanten Schlagwerkorchester summierten. Oder ein Snaredrum-Duell.

"One more time" zelebrierte den Minimalismus auf eine besondere Art: Glöggler und Jungk spielten vierhändig Marimbaphon, wobei die gesamte Textur aus einer einzigen rhythmisierten Figur bestand, die ihre Gestalt nur geringfügig wandelte und dadurch meditativ ansprach. Den maximalen Minimalismus erreichte das Duo indes mit Nicht-Spielen. Wenn es schon Luftgitarrenmeisterschaften gibt, warum dann nicht auch Luftschlagzeugspiel.

Dafür dachten sich die beiden erneut ein Duell aus, zwischen Rockschlagzeuger und Klassiker mit Griegs "In der Halle des Bergkönigs" aus "Peer Gynt", das mit einer perfekt einstudierten Choreografie mit unentwegtem Wechsel der Zuspielungen dem Schlagwerk eine überraschend intensive Aufmerksamkeit bescherte.

Instrumentarium aus Baumarkt, schwedischem Möbelhaus oder aus Haushaltsauflösungen ist zwar belustigend und beeindruckend, aber auch nicht mehr so ganz taufrisch. Trotz des begeisterten Publikums - Feldforschung wäre mal wieder fällig.

© SZ vom 04.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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