Konzert:Nostalgie im Sperrbezirk

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"Weltberühmt in Bayern": So kündigte Günther Sigl (zweiter von links) seine "Spider Murphy Gang" im Gautinger bosco an. Es spielten Barny Murphy (rechts vorne), Andreas Keller (Schlagzeug), Ludwig Seuss (Piano), Willie Duncan (Gitarre hinten), Otto Staniloi (Saxofon), Dieter Radig (Percussion und Gesang). (Foto: Arlet Ulfers)

Die Spider Murphy Gang spielt unplugged im Gautinger bosco und stellt als "bayrische Band" ihren Kultstatus unter Beweis. Neben Rock'n'Roll geht es um Gefühle, Erinnerungen und Bewegendes.

Von Reinhard Palmer

Eigentlich ist Rock'n'Roll Schnee von gestern. Sollte man meinen. Aber es war keinesfalls eine Nostalgieveranstaltung, was im ausverkauften Gautinger bosco mit der Spider Murphy Gang über die Bühne ging. Nach 41 Jahren des Bandbestehens sind manche Mitglieder freilich nicht mehr die jüngsten, doch der frenetische Jubel des Publikums bestätigte: Sie haben's noch drauf. Was ist aber das Erfolgsrezept, das die Band "Weltberühmt in Bayern" machte, wie Frontmann Günther Sigl scherzte?

Zweifelsohne: Man muss schon sein Handwerk beherrschen, soll Rock'n'Roll heute noch bestehen. Dahingehend lieferten die sieben Musiker der Unplugged-Variante der Band nach wie vor Meisterhaftes, allen voran Heimspieler Ludwig Seuss - im bosco Spartenleiter für Jazz - an den Tasteninstrumenten Klavier, Akkordeon und Melodica, wenn es um Peep-peep-showowowow ging. Dafür, dass die Band im breiten Repertoire immer authentisch rüberkommt, zeichnet vor allem Otto Staniloi verantwortlich. Er schlug am Tenorsaxophon raue Rock'n'Roll-Töne an, ging am Baritonsax in bluesige Tiefen, ließ Sopransax oder Querflöte in die Ferne schweifen oder schmetterte im bayerisch-folkloristischen "Renate" (Du kannst mi gern ham) die Tuba. Vielseitig sind alle Band-Mitglieder, auch wenn sie sich auf ein einziges Instrument konzentrieren.

In Sachen "Unplugged" ist die Spider Murphy Gang konsequent: Selbst Willie Duncan griff zur akustischen Bassgitarre. Eigentlich ist Sänger und Frontmann Sigl Bassist, doch unplugged ist neben Gesang die Rhythmusgitarre sein Kraftmittel - und sein schelmischer Humor: "Wollt ihr noch mehr Rock'n'Roll hören?", feuerte er an. "Mir spuin eh nix andres".

Akustische Gitarren sind zwar nicht so leichtgängig, dennoch ließ es sich Barny Murphy nicht nehmen, zwischen den Zigarettenzügen mit rasanten, klanglich scharf profilierten Soli zu brillieren. Dass die Spider Murphy Gang eine ausgesprochene Live-Band ist, äußerst sich ebenso in der packenden Rhythmusmaschinerie, die zum Tanzen animiert. Mit Andreas Keller gewann die Gang 2016 einen grandiosen Drummer hinzu, der das Publikum zur Pause mit einem spektakulären Soloauftritt in Jubellaune versetzte. Dieter Radig an den Perkussionsinstrumenten ergänzt die Unplugged-Auftritte, gehört aber auch zu den Backgroundsängern.

Wenn die Mannen "Mir san a bayrische Band" anstimmen, dann ist nicht nur der Dialekt damit gemeint. Es geht vielmehr um ein Lebensgefühl, das meist explizit auf München bezogen ist. Gerade in den sommerlichen Songs mit heiterer Leichtigkeit, die vom Gefühl her schon etwas Karibisches an sich haben. "'S is wieder Sommer", diese Liebeserklärung an die bayerische Landeshauptstadt, macht es besonders deutlich. In der Balladenversion lieferte "Unterm Kastanienbaum" diese besondere Atmosphäre. Überhaupt spielt das Emotionale eine wichtige Rolle in den Songs der Spider Murphy Gang. So schlicht die Texte auch gehalten sind: Sie vermitteln Gefühle, nostalgische Erinnerungen, Herzbewegendes, auch banale Alltäglichkeiten mit Schmunzelcharakter, wie das linkische Rendezvous "mit'n Frosch im Hois und Schwammerl in de Knia".

Besonders spannend im Programm waren Paarungen aus Klassikern des Rock'n'Roll und eigenen Hits der Band, was aufschlussreich zeigte, welche Stücke den Eigenkompositionen Pate gestanden haben. So konnte "That's all right mama", der erste Hit des King of Rock'n'Roll Elvis Presley, nahtlos in den Superhit "Schickeria" übergehen, genauso wie "Going up the Country" in Zydeco-Laune ins packende "Ich grüße alle und den Rest der Welt" überglitt. Klassiker "Skandal im Sperrbezirk" und "Herzklopfen" hob sich die Gang für die umjubelte Zugaben auf, um sich zum Schlussabrocken noch "Blue suede shoes" anzuziehen.

© SZ vom 10.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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