Gräfelfing/Planegg:Auf Wohnraumsuche

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In den Würmtal-Gemeinden brauchen anerkannte Flüchtlinge ebenso ein Dach über dem Kopf wie Einkommensschwache

Von Annette Jäger, Gräfelfing/Planegg

Es scheint, als könnten die Gräfelfinger erst mal durchatmen: Etwa 200 Flüchtlinge haben in der neuen Unterkunft an der Großhaderner Straße eine Bleibe gefunden. Auch wenn für weitere 150 Menschen noch ein Dach über dem Kopf fehlt, haben die Gräfelfinger durchaus das Gefühl, ihr Soll zunächst erfüllt zu haben; andere Gemeinden sollen erst nachziehen. So etwa Planegg, wo in den nächsten Wochen und Monaten erste Unterkünfte am Friedhof und in Martinsried für insgesamt 128 Flüchtlinge entstehen. Doch wie geht es weiter, wo werden die Menschen dauerhaft unterkommen, wenn sie erst mal als Asylberechtigte anerkannt sind? Die Suche nach einer Antwort macht deutlich: Forderungen nach preiswertem Wohnraum gibt es viele, Lösungen nur in der Theorie. Das Wohnen in Asylbewerberunterkünften ist zeitlich begrenzt. Sobald ein Flüchtling als Asylberechtigter anerkannt ist, erlischt sein Anspruch auf Unterbringung in einer Unterkunft des Landratsamtes - er muss sich auf dem freien Wohnungsmarkt eine Wohnung suchen. Findet er keine und ist von Obdachlosigkeit bedroht, ist die Kommune, in der er bisher gewohnt hat, verpflichtet, ihn unterzubringen. So erklärt es das Landratsamt München, so ist die Gesetzeslage.

Im Würmtal ist es aber wie in anderen Gemeinden im Landkreis fast unmöglich, genügend bezahlbare Wohnungen zu finden. Das Landratsamt lässt deshalb eine Ausnahmeregelung zu: Anerkannte Flüchtlinge dürfen so lange in den Unterkünften bleiben, bis sie eine eigene Wohnung gefunden haben. Derzeit rechnet das Landratsamt damit, dass in den Unterkünften im Landkreis etwa 600 sogenannte Fehlbeleger leben - also Menschen, die anerkannt sind, aber keine Wohnung finden.

Diese Regelung schafft erst mal Spielraum, ist aber keine Dauerlösung, darüber ist sich Planeggs Bürgermeister Heinrich Hofmann (SPD) im Klaren - und fürchtet, dass den Menschen eines Tages die Decke auf den Kopf fällt. Denn in Gräfelfing teilen sich jeweils zwei Familien eine Wohneinheit, alle Familienmitglieder schlafen in einem Zimmer, die eigentlich für vier Personen ausgerichtet sind, viele Familien haben aber mehr Kinder. In Gräfelfing verwaltet das kommunale Wohnungsunternehmen Gemeindebau mehr als 300 Wohneinheiten, die für Bürger mit geringerem Einkommen reserviert sind. "Für jede freie Wohnung kommen 40 bis 50 Anfragen", sagt Bürgermeisterin Uta Wüst. Planegg hat etwas mehr als 180 Wohnungen mit Mieten für fünf bis sieben Euro pro Quadratmeter zur Verfügung, hier stehen 120 Bürger auf der Warteliste. Bald gibt es ein wenig Nachschub: In Gräfelfing entstehen 25 Sozialwohnungen an der Rottenbucherstraße, in Planegg hinter dem Rathaus 18 Wohnungen zu moderaten Mietpreisen. Diese Zahlen erscheinen angesichts der Menge an Suchenden wie ein Tropfen auf den heißen Stein.

"Flüchtlinge haben den Mangel an bezahlbarem Wohnraum nicht verursacht, sie haben ein allgemeines Problem nur brisanter gemacht", sagt Friederike Rother, die sich im Helferkreis Asyl engagiert und miterlebt, wie schwierig es ist, auf dem freien Wohnungsmarkt Passendes zu finden: "Wir brauchen Wohnraum für alle, nicht nur für die Flüchtlinge." Bei allen Schwierigkeit sind sich aber alle Beteiligten darin einig, dass es gerecht zugehen muss. Nicht nur die Flüchtlinge brauchen ein Dach über dem Kopf, auch viele derjenigen, die im Würmtal groß geworden sind, können sich die teuren Mieten nicht mehr leisten. Sibylle Dippel, ebenso im Helferkreis engagiert, ist sicher, dass Wohnungen für alle auch der Schlüssel für gute Integration sind. Denn dadurch kommen die Neubürger der einheimischen Bevölkerung näher, leben in unmittelbarer Nachbarschaft und nicht mehr in Sammelunterkünften weitab "auf dem Acker".

Bürgermeisterin Wüst weiß keine Lösung, das gibt sie zu. Die Gemeinde hat kaum Grundstücke, auf denen sie bauen könnte. Zwar hat sich die Kommune an der Steinkirchner Straße das Vorkaufsrecht für Flächen gesichert, die noch im Eigentum des Bundes sind und auf denen sozialer Wohnungsbau entstehen könnte; doch bis das realisierbar wird, werden noch Jahre vergehen. Eine Alternative wären private Investoren, die schneller agieren. Uta Wüst: "Wir müssen kreativ werden."

Die Gemeinde Planegg hingegen hat "noch ein bissl was in petto", wie Bürgermeister Hofmann es ausdrückt. Er hat Grundstücke im Visier, von denen man einen Teil für günstigen Wohnraum reservieren kann; derzeit gebe es viele staatliche Wohnungsbauprogramme, die man nutzen kann. Bis Pfingsten will Hofmann Standorte vorstellen, auf denen so etwas verwirklicht werden könnte. Ob solche Wohnungsbauprojekte die Nachfrage decken werden, ist fraglich. Bürgermeisterin Wüst geht davon aus, dass nicht alle Flüchtlinge bleiben werden. Einige werden zurück in ihre Heimat gehen, andere in andere Gemeinden. Hofmann rechnet grob vor: Bleiben in Planegg unter dem Strich 200 Menschen, von denen jeder etwa 30 Quadratmeter Wohnraum beansprucht, müssen 6000 Quadratmeter Wohnfläche geschaffen werden: "Da geht mir die Luft aus, wir bauen ja keine Hochhäuser." Klar ist allen, dass aus der Theorie bald Praxis werden muss. Die Asylverfahren laufen, der Wohnungsdruck wächst.

© SZ vom 08.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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