Konzert:Professionelle Hingabe

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Das Sinfoniekonzert der Orchestervereinigung Gauting und die Solisten Ingolf Turban und Anna Sophie Dauenhauer nehmen die Zuhörer mit auf eine faszinierende musikalische Reise, die bis zum letzten Ton spannend bleibt

Von Reinhard Palmer, Gauting

Die gute Nachricht: Deutschland kann immer noch Fußball-Weltmeister werden. Die noch bessere Nachricht: In der Dichte der Liebhaberorchester ist es Deutschland höchstwahrscheinlich schon seit vielen Jahren. Alleine der 1924 gegründete Bundesverband Deutscher Liebhaberorchester zählt 838 Mitgliedsorchester. Mit der Gründung der Orchestervereinigung Gauting 1969 bekam die deutsche Musiklandschaft einen hartnäckigen Vertreter hinzu. Die Ausdauer lohnte sich.

Das Sinfoniekonzert unter Leitung des überaus erfolgreich am Pult agierenden Dorian Keilhack zeugte im Gautinger Bosco erneut von einer beachtlichen Steigerung des Klangkörpers sowohl in spieltechnischer wie musikalischer Hinsicht, obwohl das Programm so gar nicht nach Schongang aussah. Dass nach der Pause nach einem anstrengenden ersten Teil noch Beethovens siebte Sinfonie (A-Dur, op. 92) bis zum letzten Ton ohne Spannungsabfall in voller Konzentration bewältigt werden konnte, zeugte von großem Ehrgeiz und fast schon professioneller Hingabe der Instrumentalisten. Beides Voraussetzungen, die Keilhack mutiger in der Planung wie am Pult werden lassen. Das Konzert mit Mendelssohns Konzertouvertüre "Das Märchen von der schönen Melusine" (F-Dur, op. 32) zu eröffnen, wäre vor wenigen Jahren keine gute Idee gewesen: Gilt es doch in diesem Fantasiewerk, mit den ersten Tönen sogleich eine warmtonige, märchenhafte Atmosphäre auszubreiten - leise, geheimnisvoll, legendenhaft. Der Vortrag fesselte jedoch sogleich und zog die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich. So nahm das Orchester seine Hörer mit auf eine Reise durch fantastische Szenen mit einem straffen dramaturgischen Aufbau.

Das Sinfoniekonzert unter Leitung des überaus erfolgreich am Pult agierenden Dorian Keilhack (Mitte) zeigte im Gautinger Bosco erneut eine beachtliche Steigerung sowohl in spieltechnischer als auch in musikalischer Hinsicht. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Spannungsaufbau war denn auch ein großes Thema in diesem Konzert - das zentrale Element, wenn es darum geht, über dem dramaturgischen Auf und Ab einer bewegten Erzählung einen weiten Bogen zu spannen, der aus einer Szenenabfolge erst eine stimmige Geschichte formt. Noch komplexer wird die Angelegenheit, wenn es sich um die abstrakte Form einer Sinfonie handelt, in der Musiker auf keine bildliche Vorstellung zurückgreifen können. Und Beethovens Siebte ist schon ein sehr kontrastreiches, üppig mit rigiden Wendungen ausgestattetes Werk, in dem sich das Gautinger Orchester dennoch nicht verlor. Keilhack konnte den Instrumentalisten das übergreifende Denken gut vermitteln, was den Kontext innerhalb der Sätze, aber auch der Sätze untereinander überzeugend zusammenhielt. Eindruck machte vor allem die präzise Rhythmik im Kopfsatz, die düstere Leidenschaft im Allegretto, die spritzige Leichtigkeit im Scherzo wie die Klarheit in Rhythmus und Pointierung des markanten Schlusssatzes.

Auf eine besondere Herausforderung ließ sich Keilhack mit der Sinfonia Concertante für zwei Violinen und Orchester (h-Moll, op. 88) von Louis Spohr ein. Diese seltene Gegenüberstellung von Solistenensemble und Orchester setzt auf das Dialogisieren der beiden Hauptparts. Die Geigenvirtuosen Ingolf Turban und seine einstige Schülerin Anna Sophie Dauenhauer standen über weite Strecken mit Virtuosität und Einfühlsamkeit im Vordergrund. In der Homogenität im Zugriff und bravourösen Sicherheit des Solistenduos zeigte sich das Werk überaus wirkungsvoll, dass man vielleicht die undankbare Rolle des begleitenden Orchesters aus dem Blick verlor.

Virtuos und einfühlsam: Geigenvirtuose Ingolf Turban und seine einstige Schülerin Anna Sophie Dauenhauer als Solisten im Dialog. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Dabei war die Aufgabe gerade deshalb so schwierig, weil der Orchesterpart stark fragmentiert stets nur mit harmonischen Färbungen und Atmosphären im Hintergrund agierte und zuweilen nur stützte, untermalte, sachte umdeutete und es auch zielsicher umsetzte. Umso beeindruckender, dass in den wenigen großen Einsätzen des Orchesters der Klangkörper volle Substanz in dynamischer Plastizität abzurufen vermochte. Die dramaturgische Inszenierung des Werkes entfaltete jedenfalls eine große Kraft, die den Solisten reichlich Spannung zuspielte.

© SZ vom 19.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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