SZ-Adventskalender:Beim Kaffee kommen die Erinnerungen

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Im Erzählcafé des Hilfsdienstes Herrsching werden Demenzkranke betreut. Was fehlt, ist eine kleine Teeküche

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Herrsching

Jeden Donnerstag treffen sich bis zu sechs Senioren in den Räumen des Hilfsdienstes Herrsching. Das Besondere an dem Treffen ist, dass die Besucher dement sind und deshalb eine besondere Aufmerksamkeit benötigen. Es werden Spiele gespielt oder Erfahrungen ausgetauscht, es wird Sitzgymnastik angeboten oder gebastelt. Am liebsten jedoch treffen sich die Gäste zum Kaffeetrinken. Auch wenn die Besucher schon vieles vergessen haben, erkennen sie sofort, dass der Kaffee frisch aufgebrüht und der Kuchen selbst gebacken ist. "Alleine durch das Kaffee-Trinken kommen viele Erinnerungen auf", weiß die Vereinsvorsitzende Carmen Fuchs. Da denken viele von ihnen an frühere Zeiten, als man noch gesund war und mitten im Leben stand. Und die speziell ausgebildeten Helfer blicken in glückliche, entspannte Gesichter. Das Erzählcafé ist für die Besucher der Höhepunkt der Woche. Dort können sie Kontakte knüpfen. "Es ist ein Stück Heimat", sagt Fuchs.

Doch nicht nur für die Demenzkranken, auch für ihre Angehörigen ist das Erzählcafé eine wichtige Hilfe. Demenzkranke sind im Alltag stark eingeschränkt und können oft nicht mehr selbstständig leben. Manche von ihnen sind zudem nachtaktiv und brauchen viel Unterstützung. Da viele Senioren nur eine kleine Rente beziehen und aus Scham oft nicht einmal Grundsicherung beantragen, übernehmen die Angehörigen die aufwendige Pflege meist selbst, um Kosten zu sparen. Mit dem Erzählcafé verschafft der Hilfsdienst den pflegenden Angehörigen den dringend benötigten Freiraum, damit sie einmal für sich selbst Zeit haben, sich entspannen oder Dinge erledigen können.

Vorstandsmitglied Renate Albrecht weiß, dass es für die Angehörigen ein gutes Gefühl ist, wenn sich jemand um die betagten Demenzerkranken kümmert. Albrecht war Jahrzehnte lang Mitarbeiterin des Hilfsdienstes. Seit sie im Ruhestand ist, engagiert sie sich ehrenamtlich. Und in all den Jahren hat sie die Erfahrung gemacht, dass die Angehörigen dieses Angebot sehr wertschätzen. Dort sind die Demenzkranken nicht nur gut aufgehoben. Die Räume liegen auch sehr zentral, so dass die Angehörigen kurze Wege haben. Einige der Gäste werden auch mit dem Auto des Hilfsdienstes abgeholt.

Der demografische Wandel geht auch an Herrsching nicht vorbei, deshalb wird das Betreuungs- und Pflegeangebot für den Ort immer wichtiger. Es werden Vorträge und Informationsveranstaltungen angeboten. Für größere Treffen ist der Raum im Hilfsdienst allerdings viel zu klein. Da darf der Verein in den Sitzungssaal des Rathauses ausweichen, beispielsweise für den beliebten Seniorennachmittag, zu dem jedes Mal etwa 40 Besucher kommen. Bis vor zwei Jahren platzte der verein noch aus allen Nähten, weil er mit zwei Räumen auskommen musste. Dann hat die Gemeinde zwei nebeneinander liegende Wohnungen von insgesamt 150 Quadratmetern zur Verfügung gestellt. Zwar sind die Räume im ersten Stock des gemeindeeigenen Gebäudes in der Bahnhofsstraße nicht barrierefrei. Da man aber mit der Herrschinger Insel, die im Erdgeschoss untergebracht ist, sehr gut zusammenarbeitet, werden bei Bedarf die Räume getauscht. Etwa 15 000 Stunden im Jahr engagieren sich die Mitarbeiter des Hilfsdienstes für die Herrschinger Bürger, betreuen 60 Klienten ambulant zu Hause.

Der Raum, in dem das Erzählcafé stattfindet, ist mit gebrauchten Büromöbeln eingerichtet, der Verein versucht sein Bestes, um ihn einigermaßen wohnlich zu gestalten. Was noch fehlt, ist eine kleine Teeküche. Denn bislang muss man lange Wege zurücklegen und jede Tasse Kaffee, jedes Getränk aus der zweiten Wohnung holen. Die Spenden aus dem SZ-Adventskalender könnten helfen. Schon 3000 Euro würden ausreichen, um eine Teeküche zu finanzieren.

© SZ vom 05.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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