Stadtplanung:Kampf um historische Sichtachse

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Die Blickbeziehung zwischen Schloss Fürstenried und Frauenkirche, vor 300 Jahren von Hofbaumeister Joseph Effner erdacht, wird durch Wegweiser auf der Garmischer Autobahn unterbrochen. Lokalpolitiker fordern Abhilfe

Von Jürgen Wolfram, Fürstenried

Pater Christoph Kentrup, Direktor des Exerzitienhauses Schloss Fürstenried, hat einen neuen Verbündeten im Kampf um die historische Sichtachse vom Tagungszentrum der Erzdiözese München und Freising zur Frauenkirche: den Bezirksausschuss (BA) Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln. Das Stadtteilgremium forderte die Stadt München jetzt nachdrücklich auf zu prüfen, wie die Blickbeziehung wieder hergestellt werden kann. Gestört wird sie seit einiger Zeit durch brückenartige Wegweiser über der Garmischer Autobahn. Der BA will zudem der delikaten Frage nachgehen, ob die Autobahndirektion Südbayern oder das kommunale Baureferat für die "Verschandelung" verantwortlich ist.

Wäre es nach der SPD-Fraktion gegangen, hätte am Ende der BA-Debatte um die 300 Jahre alte, von Hofbaumeister Joseph Effner erdachte Sichtachse die kategorische Forderung gestanden, die großformatigen Autobahnschilder wieder abzubauen und an anderer Stelle anzubringen. Es handle sich immerhin um ein "Identifikationsmerkmal" des Münchner Südwestens, betonte Fraktionssprecherin Dorle Baumann. Da könnten Behörden nicht einfach hergehen und ohne zu fragen monströse Wegweiser errichten.

Bei der CSU sieht man das, trotz milderer Schlussfolgerung, ganz ähnlich. Deren Fraktionschef Reinhold Wirthl erinnerte daran, dass die Sichtachse schon mal in einer Staffelbauordnung "normativ geschützt" gewesen sei. Bis heute bestehe "für die städtischen Behörden eine sehr hohe Verpflichtung, den Ausblick vom Schloss Fürstenried auf die Frauentürme und die angrenzende Stadtsilhouette aus städtebaulichen Gründen freizuhalten". Leider hätten die verantwortlichen Stellen bisher "überhaupt keine Sensibilität gezeigt", was schon darin zum Ausdruck komme, dass sie das Landesamt für Denkmalschutz nicht einbezogen. Generell sei fragwürdig, wenn in Zeiten der Verbreitung von Navigationssystemen viel Geld in Schilderbrücken investiert werde, so Wirthl. Zu fordern sei mindestens ein Teilrückbau sowie eine "Verkleinerung der unbedingt erforderlichen Hinweisschilder".

Erhebliche Zweifel daran hatten einzig die Grünen. Rückbau fordern und auf diese Weise "einfach mal per Handstreich Millionen Euro an Steuergeldern zu verpulvern", das gehe gar nicht, sagte Juri Wostal. Um eine adäquate Verkehrslenkung sorgte sich Peter Sopp (Grüne): "Wer Tunnel baut, der braucht solche Schilder, braucht ein aussagekräftiges Leitsystem." Der Hinweis auf Navis in Autos sei in diesem Zusammenhang "ein Stück weit daneben", sekundierte Grünen-Fraktionssprecherin Henriette Holtz. Für den BA-Vorsitzenden Ludwig Weidinger (CSU), der den Rückbau der Schilderbrücken für "unrealistisch" hält, ist immerhin klar: "Wo man 80 Stundenkilometer fährt, müssen Autobahn-Wegweiser nicht genauso groß sein wie dort, wo 200 km/h zulässig sind."

Die Beeinträchtigung der Sichtachse Schloss Fürstenried - Frauenkirche hat vor dem Bezirksausschuss bereits Ortshistoriker wie Ernst Ziegler erzürnt. Der Vorsitzende des Historischen Vereins Forstenried sprach von einem "Akt der Barbarei". Die Bedeutung der Sichtverbindung vom Stadtrand ins Zentrum werde von den Behörden völlig verkannt. Für Klaus Bäumler vom Münchner Forum führen die "Wegweiser-Giganten" die Sichtachse "in brutaler Weise ad absurdum".

Zum Exerzitienhaus wurde Schloss Fürstenried im Jahr 1925 auf Geheiß von Michael Kardinal von Faulhaber. Nach unterschiedlichen Nutzungen, unter anderem als Lazarett und Spätberufenen-Seminar, steht heute dort der kirchennahe Tagungsbetrieb im Mittelpunkt. BA-Mitglied Andrea Barth (SPD) war unlängst zu Gast. "Als ich aus dem Fenster in Richtung Frauenkirche geschaut habe, war ich fassungslos, wie man dazwischen Schilder anbringen kann", erinnert sie sich.

© SZ vom 16.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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