Stadtplaner:Zweigleisig planen

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Der vorgesehene Ausbau einer Regionalzug-Haltestelle an der Poccistraße weckt Hoffnungen in den angrenzenden Vierteln. Der Politiker Paul Bickelbacher plädiert langfristig für eine barrierefreie Verkehrsdrehscheibe

Interview von Birgit Lotze, Ludwigsvorstadt

Die Poccistraße, derzeit ein U-Bahnhof mit Statikproblemen, soll ausgebaut werden. Im Gespräch ist eine Haltestelle für Regionalzüge, die auf der Strecke zwischen Ostbahnhof und Hauptbahnhof schon jetzt dort queren, aber nicht stoppen. In Sendling und in der Ludwigs- und Isarvorstadt, den angrenzenden Stadtteilen, hofft man auch auf einen S-Bahn-Halt. Paul Bickelbacher (Grüne), Mitglied im Bezirksausschuss Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt und von Beruf Stadtplaner, ist auch im Stadtrat einer der treibenden Kräfte für einen großzügigen Ausbau.

SZ: Wie sicher ist denn, dass künftig Regionalzüge an der Poccistraße halten?

Paul Bickelbacher: Das ist sehr sicher. Der Freistaat will bauen. Und der Stadtrat wird in Kürze zustimmen. Zwar wollte der Freistaat lange Zeit nicht, da befürchtet wurde, dass der Ausbau der Poccistraße die zweite Stammstrecke gefährde. Das hat sich 2014 geändert. Es gibt auch eine Machbarkeitsstudie, die zeigt, wie dort mit relativ wenig Aufwand, rund 40 Millionen Euro, ein Regionalzughalt gebaut werden könnte.

Welche Züge halten dann dort?

Alle Regionalzüge, die aus dem Osten kommen, die aus Mühldorf, Dorfen und über Marktschwaben nach München hineinfahren. Auch die aus Rosenheim, Kufstein und Salzburg. Sie würden dann über den Ostbahnhof, die Poccistraße zum Hauptbahnhof weiterfahren. Derzeit sind das 13 Züge in der Stunde in der Hauptverkehrszeit zum oder vom Hauptbahnhof.

Stadtteilpolitiker hoffen auch wieder auf einen S-Bahnhof.

Hoffnungen auf eine vernetzte Verkehrsdrehscheibe macht man sich bei der Überführung über die Lindwurmstraße an der Station Poccistraße. (Foto: Florian Peljak)

Wenn man jetzt dort baut, sollte man einen späteren S-Bahnhof zumindest schon mitdenken. Ein Bahnhof mit U-, Regional- und S-Bahn an der Poccistraße wäre ja auch ganz spannend für die Wiesn: Man kommt von dort aus da ganz schnell hin. Wir fordern deshalb, die Poccistraße so auszubauen, dass Zuggäste dort barrierefrei aus der S-Bahn aussteigen können. Denn es ist geplant, dass die S-Bahn dort bei Störungen auf der Stammstrecke halten soll. Wer dann allerdings die Hürde zum Bahnsteig nicht nehmen kann, muss in der S-Bahn bleiben bis Pasing oder Ostbahnhof. Soll der S-Bahn-Halt barrierefrei sein, bräuchte man eigene Bahnsteige.

Wie wäre das machbar?

Sehr einfach. Man müsste einen etwa einen oder zwei Meter breiten Streifen von der Hecke um die Berufsschule und eventuell einen kleinen Teil des Parkplatzes des Kreisverwaltungsreferats (KVR) wegnehmen. Dann könnte der Regionalzug dort auf zwei Gleisen halten, die Fernzüge auf zwei weiteren Gleisen durchfahren. Und für die S-Bahn könnte man zusätzlich zwei Gleise verlegen, mit einem eigenen barrierefreien Bahnsteig.

Im Prinzip wollen Sie doch damit auf einen späteren Ausbau des Südrings hinaus. Doch der ist derzeit - seit der Entscheidung für eine zweite Stammstrecke - poli tisch nicht durchsetzbar.

Die Entscheidung für den zweiten Tunnel fiel erst kürzlich. Den Antrag hatten wir schon vorher gestellt. Durch die Entscheidung sind die Chancen für den südlichen S-Bahn-Ring deutlich gesunken. Und deshalb wird die Stadt jetzt beim Ausbau für die S-Bahn an der Poccistraße die Minimallösung wählen. Sie wird sich vermutlich auf den Standpunkt stellen, dass nicht barrierefrei ausgebaut werden muss, solange S-Bahnen dort nur bei Störfällen halten.

Paul Bickelbacher, von Beruf Stadtplaner, bringt sein Fachwissen in Verkehrsthemen als Stadtratsmitglied in der Grünen-Fraktion ebenso ein wie als Angehöriger des Bezirksausschusses Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt. (Foto: Stephan Rumpf)

Bleibt der Südring in der Diskussion?

Die Kosten für den neuen Stammstreckentunnel werden auf 3,2 bis vier Milliarden Euro geschätzt - das ist kein Klacks, sondern muss über viele Jahre abgezahlt werden. Damit sind andere Maßnahmen vorerst blockiert. Aber München wächst, viele Fachleute sagen, der Südring wird kommen - vielleicht um zehn, zwanzig Jahre nach hinten verschoben.

Wie würde die S-Bahn auf dem Südring fahren?

Vom Ostbahnhof über Laim nach Pasing. Neben der Poccistraße würden dafür noch zwei weitere Haltestellen eingeplant: Kolumbusplatz und der Heimeranplatz.

Was soll am U-Bahnhof Poccistraße gemacht werden?

Er wird lediglich erneuert und soll einen Lift beim Kreisverwaltungsreferat erhalten. Im U-Bahnhof gibt es statische Probleme, er senkt sich ab. Er wurde nachträglich eingebaut, liegt tiefer als andere Bahnhöfe im Münchner U-Bahn-Netz. Sonst sind sie so angelegt, dass die U-Bahn beim Anfahren Schwung in die Tiefe bekommt, kurz vor der Einfahrt in den Bahnhof wird sie durch die Fahrt nach oben abgebremst.

Der Bezirksausschuss Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt fordert eine Radroute parallel zu den Bahngleisen. Von wo nach wo?

Vom Westpark über die Theresienhöhe vorbei an der U-Bahn Poccistraße, am KVR entlang der Gleise über die Braunauer Eisenbahnbrücke, die derzeit für Fußgänger und Radfahrer geschlossen ist. Das wäre eine sehr zügige Verbindung zwischen dem Münchner Westen und der Isar. Es gibt bereits jetzt viele gute Gründe für so eine Radroute. Aber es kommen bald noch mehr hinzu: Nahe dem KVR gibt es dann ein Kulturzentrum, eine neue Schule, das Volkstheater wird hinziehen, der Viehhof wird bebaut. Und auch auf der anderen Gleisseite, auf dem Großmarktgelände, soll in einigen Jahren gebaut werden.

© SZ vom 11.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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