Volleyball-Bundesliga:Mit fliegenden Fahnen

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Während die Alpenvolleys voller Selbstbewusstsein ins Playoff-Viertelfinale gegen Düren ziehen, bangt Herrsching vor der Serie gegen Frankfurt um seine Zukunft in der ersten Liga

Von Sebastian Winter und Katrin Freiburghaus

Man muss diesen Ort beim Namen nennen, jetzt, da Herrschings Volleyballer sich am Samstagabend zum letzten Mal in dieser Saison ihrem Publikum präsentierten - zumindest in ihrer prall gefüllten Nikolaushalle. Womöglich war der wieder einmal mitreißende Abend, der 3:2-Erfolg gegen den Favoriten Düren, bis auf Weiteres gar der letzte Erstliga-Auftritt der Volleyballer vom Ammersee in ihrer Arena. Fürs Playoff-Viertelfinal-Heimspiel gegen die United Volleys aus Frankfurt ziehen sie kommenden Samstag nach Vilsbiburg, weil ihre eigene Halle den Ligaansprüchen nicht entspricht. Und ob sie kommende Saison im Oberhaus bleiben oder sich doch aus finanziellen Gründen in die zweite Liga zurückziehen, wollen sie binnen zwei Wochen entscheiden. Der Ort also heißt: U 414, Umkleide 3, Knaben.

Dort lädt Herrschings Trainer Max Hauser nach Spielen immer auf die Holzbank zur Pressekonferenz, meist muss der Hausmeister noch kommen, um die Jungenumkleide aufzuschließen. Welche Note Hauser also diesmal der Mannschaft gebe? "Eine Zwei." Was er nun im Viertelfinale gegen die United Volleys erwarte? "Das Halbfinale! Ganz klar. Wir haben eine Chance, 30 Prozent." Hauser klang optimistisch, er schwärmte von seinem Zuspieler Michal Sladecek. "Er hat unheimlich stark gespielt, ja sensationell, und ist ein echter Leader für mich. Herrschings Trainer nahm auch Außenangreifer Tom Strohbach in Schutz, der gegen Düren bis zu seiner Auswechslung im dritten Satz die Hauptlast in der Annahme trug und im Angriff eine schwache Quote hatte.

„Ein Hoch auf uns“: Christoph Marks hat sich in Herrsching vom unscheinbaren Angreifer zum besten Scorer der Liga entwickelt. Sein Ziel ist es, mittelfristig in Italiens Profiliga aufzuschlagen. (Foto: imago/Oryk HAIST)

Strohbach hatte sich nach einer Magenentzündung durchs Spiel geschleppt, "er war noch sehr, sehr kaputt, weil er eine Woche fast nichts essen konnte. Ich hoffe jetzt, dass er sich gut regenerieren kann", sagte Hauser. Sein Ersatz Nicolai Grabmüller, eigentlich Mittelblocker, machte seinen ungewohnten Job übrigens dann ganz vorzüglich. Besonders ein Herrschinger hatte aber - neben Andre Brown mit seinen fünf Assen - während des mehr als zwei Stunden langen Matches auf dem Feld herausgestochen: Christoph Marks.

Der 20-Jährige, der in Thailand aufwuchs und zur Schule ging, hatte vergangene Saison noch kaum beachtet beim Letzten Solingen gespielt. In Herrsching hat sich der 1,98-Meter-Mann zum besten Scorer der Liga entwickelt. Seinen Konterpart, Dürens baumlangen Marvin Prolingheuer, stach er mit 29 Punkten locker aus. Und wie Marks auf die von Sladecek so schnell zugespielten Bälle drosch, Dürens Abwehr regelrecht abschoss, das ließ die 1000 Zuschauer jauchzen. "Die beiden sind eine Teufelsachse", sagt Hauser, Im zweiten Satz verwandelte Marks den entscheidenden Ball zum 32:30, im fünften Satz den Matchball zum 15:7. Der Coach attestiert ihm noch Schwächen in der Abwehr und beim Aufschlag, aber unterstützt Marks' Wunsch, in zwei Jahren in Italiens Profiliga zu spielen. Wie beim verletzten Tim Peter hat Herrsching auch bei Marks eine Option auf Vertragsverlängerung um ein Jahr. Jedoch nur in der ersten Liga. Die anderen Spieler haben nur Ein-Jahres-Verträge.

Nicht nur deswegen roch es ein wenig nach Abschied in der Halle. Der König zeigte diesmal keine Show, in der er den Gegner veräppelte, sondern überließ den freiwilligen Helfern die Bühne, Andreas Bouranis "Ein Hoch auf uns" erklang dazu aus den Boxen. Nach allem, was die Verantwortlichen sagen, fehlen noch immer 50 000 bis 60 000 Euro, um den Etat für die kommende Saison zu decken, trotz einer laufenden Rettungsaktion. "Stand jetzt würde ich abmelden", sagte Teammanager Fritz Frömming noch am Freitag. Das Gesellschaftertrio um Hauser, Frömming und Marketingmanager André Bugl möchte nicht mehr ständig eigenes Geld zuschießen. Frömming muss Mitte April den Haushaltsplan bei der Liga abgeben, die Grundprobleme können bis dahin aber nicht gelöst werden: Weder unterstützt die Gemeinde den nötigen Hallenneubau, noch ist ein Großsponsor in Sicht. "An ihm kommen wir langfristig nicht vorbei", sagt Hauser im Raum U 414. Bugl ergänzt: "Wir dürfen kein Dorfklub im Sinne von Vereinsmeier mehr sein. Wir werden professioneller, bleiben aber der geilste Klub der Welt und bieten auch weiterhin das geilste Event der Region." In welcher Liga, diese entscheidende Frage klärt sich dann nach Ostern.

Es war kurz vor acht Uhr abends und bereits deutlich absehbar, dass die Alpenvolleys Haching das Spielfeld wenig später als Sieger verlassen würden. Im letzten Heimspiel, zugleich dem letzten Hauptrundenspiel ihrer ersten Saison in der Volleyball-Bundesliga, stand es am Samstag im zweiten Satz gegen chancenlose Rottenburger 16:13 für die Gastgeber, als sich ihr Hallensprecher mit dem Publikum an einer Choreografie versuchte. Die offiziell 1050 Zuschauer in der Innsbrucker Olympiahalle sollten ihre Arme über dem Kopf hin und her bewegen, möglichst synchron. Doch die Masse war uneins: Die eine Hälfte wedelte nach links, wenn die andere nach rechts wedelte. Dass das nicht chaotisch wirkte, sondern in einer Art geordneter Heterogenität trotzdem gut aussah, besaß durchaus Symbolcharakter.

Denn mit dem ungefährdeten 3:0 (25:17, 25:20, 25:16)-Erfolg gegen den Tabellenvorletzten - dem ersten Heimsieg übrigens in der Olympiahalle - sicherten sich die Alpenvolleys ihr Saisonziel Platz fünf. Das stellt nicht nur eine gute Ausgangsposition für das am Mittwoch in Düren beginnende Playoff-Viertelfinale dar, sondern ist gleichzeitig die Qualifikation für den europäischen Wettbewerb. Das Fusionsprodukt aus den Profi-Abteilungen des deutschen Lizenzinhabers Unterhaching und des ehemaligen österreichischen Abo-Meisters Tirol funktioniert sportlich also bestens. Auch strukturell lieferte das organisatorisch verzwickte Konstrukt über weite Strecken ab, was die Liga von Klubs erwartet, die mittels einer Wildcard außerordentlich aufgestiegen sind.

Während der international besetzte Kader eine Übergangslösung sein und sich zu einer Mischung aus internationalen Profis und regionalen Spitzenspielern wandeln soll, bleibt der binationale Charakter und auch die Pendelei zwischen zwei Standorten fester Bestandteil der Programmatik. Es wird sogar zunehmen: Denn statt der bisher drei Liga-Spiele in Unterhaching wird in der kommenden Saison die Hälfte der Heimspiele in Bayern, die andere in Tirol stattfinden. "Deshalb ist es wichtig, dass wir international spielen", rechnete Manager Hannes Kronthaler vor. Europacup werden die Alpenvolleys in Österreich spielen, "und dadurch", sagte Kronthaler, "sind es dann wieder genauso viele Heimspiele in Innsbruck wie in diesem Jahr".

Das ist Kronthaler wichtig, weil die Zwei-Länder-Lösung keine Übergangserscheinung ist, wie er noch einmal betonte. "Die Sponsorenzukunft liegt eher in Bayern als in Tirol", sagte er zwar, aber er meinte damit Sponsoren, die den bestehenden Pool erweitern, nicht ersetzen. "Ich habe immer gesagt, dass ich will, dass an beiden Orten gespielt wird", fügte er hinzu. Das ambitionierte Vorhaben, ein neues Team in zwei Ländern gleichzeitig zu verankern, ist derzeit wohl die größte Baustelle. Identifikation lässt sich weder organisieren noch mit Finanzkraft beschleunigen, das Zuschauerinteresse muss ebenfalls noch wachsen.

Sportliche Erfolge sind immerhin keine schlechte Grundlage. Zuspieler Danilo Gelinski wird deshalb weiterhin die Fäden ziehen. "Wir haben eine Option und sind zufrieden mit ihm", sagte Trainer Stefan Chrtiansky. Zufrieden ist er auch mit Igor Grobelny. Der Angreifer war gegen Rottenburg erfolgreichster Punktesammler (14) und ist zudem in die Führungsrolle des seit Januar angeschlagenen Stefan Chrtiansky jr. hineingewachsen. "Grobelny hat aber leider keine Option im Vertrag", lachte Chrtiansky bitter, "da werden wir kämpfen müssen." Der 24 Jahre alte Belgier, der am Samstag seine neunte MVP-Medaille erhalten hat, ist längst kein Geheimtipp mehr. Er werde "schwer zu halten sein", sagte der Coach, "aber ich hoffe, dass wir ihn überzeugen können, noch zu bleiben".

Zunächst besteht für die Alpenvolleys aber die berechtigte Hoffnung, das ursprüngliche Saisonziel zu übertreffen. Denn gegen Viertelfinalgegner Düren stehen aus der Hauptrunde zwei 3:2-Erfolge zu Buche. Um ein Haar hätten die Alpenvolleys sogar noch die Tabellenplätze getauscht und damit im ersten und einem möglichen Entscheidungsspiel der Best-of-three-Serie Heimrecht gehabt, doch Düren holte in Herrsching einen Punkt und blieb Vierter. "Wenn wir so weiterspielen, haben wir trotzdem gute Chancen", sagte Chrtiansky. An der Choreografie lässt sich bis dahin ja noch arbeiten.

© SZ vom 26.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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