Volleyball-Bundesliga:Bisons Block

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"Psychisch ein bisschen deprimierend": Die 1:3-Niederlage gegen Bühl stimmt TSV-Trainer Max Hauser nachdenklich. (Foto: Sebastian Wells/Imago)

Der TSV Herrsching hält in Bühl zwei Sätze lang gut mit, scheitert aber zu oft im Angriff und verliert 1:3. Ein Auf und Ab, das exemplarisch sein könnte für die gesamte Saison

Von Sebastian Winter, Herrsching

Die Bühler Volleyballer nennen sich Bisons, und genauso trat der Erstligist aus der badischen Kleinstadt am Mittwochabend gegen den TSV Herrsching auf. Bullig, wachsam und am Ende mit einer unbändigen Wucht - so bezwang Bühl vor 1122 Zuschauern in eigener Halle die Herrschinger mit 3:1 (25:22, 19:25, 25:16, 25:18). Und fügte dem Klub vom Ammersee nach dessen überraschendem 3:2-Auftaktsieg gegen Lüneburg die erste Saisonniederlage zu. "Wir hatten Chancen, aber haben die Punkte nicht gemacht", sagte TSV-Trainer Max Hauser: "Wir haben extrem viele Bälle in den Block geschlagen, das ist psychisch dann ein bisschen deprimierend."

Hauser sprach damit schnell das Schlüsselproblem seiner Mannschaft an diesem Abend an, der eigentlich vielversprechend begonnen hatte für die Gäste - nämlich mit einer 13:8-Führung im ersten Satz. An dessen Ende sollte sich jedoch schon andeuten, dass die Herrschinger Angreifer große Probleme mit Bühls Block haben würden, aus einer 22:21-Führung wurde so ein 22:25. Und auch die statistischen Werte zeigten nach 102 Spielminuten ein überdeutliches Ungleichgewicht in diesem Bereich: 21 direkte Blocks gelangen den Bühlern, die sich wieder einmal einen fast komplett neuen Kader zusammengestellt hatten vor der Saison, mit vielversprechenden Ausländern und dem starken ehemaligen Hachinger David Sossenheimer. Herrsching blockte dagegen ganze acht Angriffe direkt auf den gegnerischen Boden, was auch Ferdinand Tille zunehmend frustrierte. "Schade, aber wir haben im Angriff oftmals die falschen Entscheidungen getroffen. Mit 21 Blocks gewinnst du kein Spiel, es ist noch viel Luft nach oben", sagte der Libero der deutschen Nationalmannschaft, der zudem im dritten und vierten Satz sehr oft zuspielen musste, weil die Annahme nicht mehr den Weg zu TSV-Steller Patrick Steuerwald fand.

Herrsching scheiterte an diesem Abend vor allem im so genannten Komplex 2 (K2). So wird in der Volleyballschule die Spielsituation bei eigenem Aufschlag genannt. Der Gegner hat somit die erste Angriffschance (K1), im Idealfall wird dieser Angriff erfolgreich abgewehrt und mündet dann in eine eigene Attacke. Genau diese Attacken aus der Abwehr heraus blockte Bühl aber reihenweise ab. "Da fehlt noch die Abstimmung", sagte TSV-Trainer Hauser. Steuerwald fand: "Wir hätten mindestens einen Punkt mitnehmen können, hätten wir besser gespielt. Es lag an uns selbst, das ist schön zu wissen."

Bühl hat sich mittlerweile in der oberen Mittelschicht der Liga etabliert. Vergangene Saison scheiterte die Mannschaft erst im Playoff-Viertelfinale der Meisterschaft, im Halbfinale des DVV-Pokals und im Achtelfinale des europäischen CEV-Cups. Der 2009 in die erste Liga aufgestiegene Verein gehört also nicht unbedingt zu den Gegnern, mit denen sich die Herrschinger auf Augenhöhe wähnen. Sie sind schon froh über die beiden Punkte gegen Lüneburg. Ihr Grundproblem ist die fehlende Konstanz, wie man auch an der Leistung von Diagonalspieler Daniel Malescha ablesen kann. Gegen Lüneburg noch als wertvollster Spieler Herrschings ausgezeichnet, punktete der 21-jährige Hauptangreifer gegen Bühl nur bei 13 seiner 46 Attacken. Zugang Phillip Trenkler hatte im Außenangriff eine noch schwächere Quote. Werte, die Steuerwald aber überhaupt nicht alarmieren: "Wir werden auch weiterhin eine Wundertüte bleiben mit den vielen jungen Spielern. Und wir werden auch immer wieder schwache Spiele haben. Unsere Trainingsbedingungen sind einfach nicht so wie beispielsweise in Berlin."

Berlin ist ein gutes Stichwort, der deutsche Meister der Jahre 2012, 2013 und 2014 erwartet Herrsching bereits am Samstag (18.30 Uhr, Max-Schmeling-Halle) zum nächsten Ligaspiel. Ein Klub mit vielfach höherem Etat, der enorme Unterstützung von der Stadt bekommt und in dessen Arena achtmal so viele Zuschauer passen wie in die Herrschinger Nikolaushalle. Vor allem hat er einen wesentlich breiteren Kader als der TSV, bei dem in Bühl der eigentlich zurückgetretene Mittelblocker Thomas Ranner wieder auf der Bank saß, weil Michael Wehl immer noch an seinem Sehnenabriss im Finger laboriert. Jan Wenke fällt wegen muskulärer Probleme wohl langfristig aus, Florian Malescha kam im Badischen kurz zum Einsatz, ist aber nach seinem Knorpelschaden noch längst nicht wieder in alter Form. Der kleine Kader macht Hauser Sorgen. Und wenn Bühl auch in diesem Zusammenhang schon kein Maßstab für die Herrschinger sein kann, dann ist Berlin Lichtjahre entfernt.

Hauser sieht das Aufeinandertreffen in der Hauptstadt eher als kleine Trainingseinheit an, "wir werden sie wohl eher nicht aus der Halle schießen", sagt der TSV-Trainer trocken. Ferdinand Tille forderte seine Kollegen schon mal auf, "die Atmosphäre zu genießen, wir können dort ganz frei spielen". Sie hoffen: freier als gegen Bühl.

© SZ vom 30.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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