TSV 1860 München:Der Generalist

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Timo Gebhart führt die Löwen gegen Schalding-Heining zu einem 4:1-Erfolg. 1860 ist jetzt alleiniger Tabellenführer, doch die Abhängigkeit der Mannschaft von dem 28-Jährigen könnte noch zum Problem werden.

Von Christoph Leischwitz, Passau

Sie hatten Pizza bestellt. Ist ja auch praktisch, wenn man im klimatisierten Mannschaftsbus auf dem Weg nach Hause essen kann, anstatt auf der sonnenüberfluteten Terrasse bei 30 Grad. So stand Timo Gebhart nach dem Duschen mit seinem ungeöffneten Karton zwischen Kabine und Bus und erklärte, dass das alles schon richtig anstrengend gewesen sei. "Ich kenne das ja von anderen Spielen", sagte er über die vielen Fouls, die er mal wieder einstecken musste. Aber in gewisser Weise war der 28-jährige Ex-Profi ja selbst schuld. Er müsste ja nicht dort spielen, wo "die Bälle keine Luft" haben, wie er sagt, wo der "Rasen Buchbach-mäßig ist", also ziemlich tief. Er müsste überhaupt nicht in der vierten Liga spielen und wäre dann auch nicht auf Kalorienbomben nach dem Spiel angewiesen. Und wenn er hier schon spielt, dann könnte er sich ja zumindest auf seine Position konzentrieren, den Achter geben, so wie jeder andere Achter in der Regionalliga auch.

Aber Gebhart muss ja auch noch in der Defensive die Bälle erobern, dann durchs Mittelfeld sprinten, mit einem Pressschlag den Ball ein zweites Mal erobern, sich zur Seite abdrängen lassen, um dann wie ein Flügelstürmer den Gegner an der Grundlinie austanzen und mit einer genauen Hereingabe ein Tor vorbereiten. All das hatte er am Samstag beim SV Schalding-Heining getan, und zwar in einem einzigen Angriff. Und zu einem denkbar günstigen Zeitpunkt: in der Nachspielzeit der ersten Hälfte, als die vermutlich noch viel erschöpfteren Schaldinger schon ans Kaltgetränk in der Kabine dachten. "Ich hab' mich halt durchgekämpft, voll den Willen ausgepackt", beschrieb Gebhart die Szene später. Seinen Angriff hatte übrigens Nico Karger vollendet. Es war die entscheidende Szene zum Sieg gewesen, der am Ende mit 4:1 eigentlich ein bisschen zu hoch ausgefallen war.

„Hier hat ein Spieler den Unterschied gemacht“, sagte Schaldings Abteilungsleiter Markus Clemens. Auch optisch ragte Timo Gebhart (Mitte) am Samstag aus dem blauen 1860-Kollektiv heraus. (Foto: Bernd Feil/imago)

Bis zum 1:0 war es eine ausgeglichene und für Schalding-Heining durchaus typische Partie gewesen - die Gastgeber spielen auch gegen klare Favoriten respektlos und konzentriert. "Sie haben weiter Gas gegeben. Das ist eine gute Mannschaft, die dieses Jahr sicher die Klasse halten wird", glaubt auch Sechzigs Trainer Daniel Bierofka. Wie schon mehrmals in der noch jungen Saison konnte der Gegner irgendwann konditionell nicht mehr mithalten. "Die anderen müssen eben sehr viel laufen gegen uns, und am Ende siegt dann auch die Qualität", sagt Gebhart. Seine eigenen Aufgaben beschreibt er so: "Ich versuche offensiv zu spielen. Aber das ist sehr aufwendig, weil ich ja dann wieder zurück muss."

Mit zunehmender Spieldauer häuften sich die Momente, in denen sich auch jüngere Sechzig-Spieler nachhaltig bemerkbar machten. Nach einer Stunde traf Kilian Jakob nach Flanke von Christian Köppel. "Ich ziehe meinen Hut vor ihnen, wie souverän sie das machen", sagte Bierofka, der aus Erfahrung weiß, dass seine Spieler aus der ehemaligen U21 auch in der Regionalliga gut mithalten können. Den Unterschied machen im Moment allerdings Gebhart und auch Sascha Mölders, dem das 3:0 mit einem gefühlvollen Heber gelang (66.). Als Mölders unter dem Jubel der Sechzig-Fans im Passauer Stadion ausgewechselt wurde, da zog Bierofka tatsächlich seinen Hut, oder besser: seine Mütze.

Einen noch größeren Applaus gab esnur, als Gebhart Feierabend machen durfte. Die Fans - von den gut 2500 Zuschauern trug rund die Hälfte Sechzig-Trikots - sangen seinen Namen. Doch bei aller Überlegenheit, die sich in der zweiten Halbzeit herauskristallisierte, erspielten sich die Gastgeber nach wie vor Torchancen: Marco Hiller musste in der 86. Minute gegen Adrian Gahabka mit einer Fußabwehr klären, zwei Minuten später gelang Mario Enzesberger der Ehrentreffer. In der Nachspielzeit schnürte Karger noch einen Doppelpack. Nach dem Ausrutscher des FC Schweinfurt am Freitagabend sind die Löwen nun erst einmal alleiniger Tabellenführer, wenngleich mit einem Spiel mehr auf dem Konto.

"Hier hat ein Spieler den Unterschied gemacht", sagte Schaldings Abteilungsleiter Markus Clemens. In der vergangenen Saison war die SpVgg Unterhaching souverän durch die Regionalliga marschiert, bei den Passauern hatten sie aber nur ein mühsames 0:0 erkämpft. Trotzdem sagt Clemens: "Unterhaching ist im Kollektiv stärker", und prophezeit den Sechzigern zumindest einen spannenderen Kampf um die Meisterschaft. Aber verstärken wollen sich die Sechziger ja auch noch. Bis Sonntagabend hatte Zweitligist Jahn Regensburg noch nicht bestätigt, dass deren Angreifer Markus Ziereis zum 1860 zurückkehrt. Ziereis stand am Sonntag gegen den 1. FC Nürnberg aber nicht einmal im Kader der Oberpfälzer. Sollte er in München eintreffen, könnte sich Gebhart ab und zu den Part als Flügelstürmer sparen.

© SZ vom 07.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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