Tanzen:Magische Haxen

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Elian Preuhs und Theresa Sommerkamp tanzen bei der Europameisterschaft im Boogie-Woogie

Von Michael Fischer, Hohenbrunn

Als die Musik im verspiegelten Gymnastikraum der Sporthalle Hohenbrunn einsetzt, hält Elian Preuhs die Hand seiner Partnerin. Mit flotten Schritten fegt er über den hellen Holzboden, seine Lippen bewegen sich zum Takt, immer wieder blickt er Theresa Sommerkamp tief in die Augen. Ein harmonisches Bild. Die beiden 14-jährigen Gymnasiasten gehören zur Elite der deutschen Jugendklasse im Boogie-Woogie, einem Tanz auf die Musik der 1950er- und 1960er-Jahre, als Tellerrock und Petticoat schick waren.

Für Vater und Trainer Johann Preuhs ist das Alter seiner ambitionierten Tänzer auch mit Problemen verbunden: "Im vergangenen Jahr ist Elian 15 Zentimeter gewachsen, nur an den Haxen", erzählt er. Zu kurze Hosen waren aber nicht das einzige Problem: "Er hatte beim Tanzen so einen schönen Grundschritt, aber der war weg." Die ganze Perfektion, in all den Jahren zuvor mühevoll antrainiert - verschwunden innerhalb weniger Monate.

Viel Arbeit lag also vor dem Sohn selbst, aber auch vor dem Vater, der das Tanzzentrum der "Boogie Magic's" im TSV Hohenbrunn leitet und die Jugend trainiert. Anfang Oktober bewiesen Elian und Theresa in Ottobrunn, dass der Wachstumsschub dem Erfolg nicht abträglich war. In der Jugendklasse (bis 18 Jahre) wurden sie deutsche Meister, die Jüngsten, die in dieser Klasse je den Titel geholt haben; die nationale Rangliste führen sie ebenfalls an.

Wie für viele junge Menschen war die Kindheit eine Phase der Orientierung. "Mir wurde als Kind viel gezeigt, Musik, verschiedener Sport, aber irgendwie habe ich nirgends angebissen", sagt Elian, der für sein Alter erstaunlich offen und redegewandt spricht. Während die Eltern also auf der (Sinn-)Suche für den Sohn waren, leitete Mutter Doris eine Kindertanzgruppe, "mit Ententanz und so was". Irgendwann habe er gefragt, warum er nie mitdürfe, erzählt Elian. So fand er zu dem Sport, den auch seine Eltern seit langem erfolgreich ausüben. Und bei dem er auch auf seine heutige Tanzpartnerin Theresa traf, eine Freundin aus dem Kindergarten. Drei Jahre später wechselten beide zu den Boogie Magic's. "Elian meinte, er hätte da etwas, bräuchte dazu aber eine Partnerin", sagt Theresa. Das "Etwas" war Boogie-Woogie.

Die Ursprünge der Abteilung des TSV Hohenbrunn gehen bis ins Jahr 1985 zurück, als Johann Preuhs die Bangkok Magic's gründete, eine Hommage an Murray Heads "One Night in Bangkok". 800 Mitglieder hat das Tanzzentrum mittlerweile, die Formation ist seitdem 14 Mal deutscher und neun Mal Weltmeister geworden. Erfolge, die auch Elian und Theresa zu Höchstleistungen anspornen sollten.

Neben zwei Trainingseinheiten mit der Jugendgruppe haben die Teenager seit geraumer Zeit auch einen ganz persönlichen Übungsraum. Theresas Vater hat dem beharrlichen Betteln seiner Tochter nachgegeben und ein Zimmer des elterlichen Hauses umgebaut. Dort perfektionieren die beiden ihren Tanzstil, der ihnen in diesem Jahr neben dem deutschen noch vier weitere Meistertitel eingebracht hat. Des Weiteren wandert ihr Blick immer auch auf die Konkurrenz, auf Figuren, die sie adaptieren können. Beim Boogie gibt es keine fest einstudierten Abläufe, "der Tanz wird immer spontan auf die eingespielte Musik angepasst", erklärt Elian, der eine Vielzahl an passenden Bewegungen im Kopf haben muss. Am Sonntag steht nun die Europameisterschaft in Regensburg an. Nominiert wurde das Paar vom Bundestrainer wegen seiner Erfolge und dem neunten Platz in der Weltrangliste.

"Beim Tanzen führt der Mann." Elian Preuhs hat das Kommando beim Boogie Woogie inne, seine Partnerin Theresa Sommerkamp folgt ihm. (Foto: Rumpf)

Johann Preuhs versucht dennoch, die Erwartungen niedrig zu halten: "Der Erfolg kommt fast noch zu früh." Internationale Titelgewinne seiner Schützlinge schließt er aber nicht aus - einerseits, weil diese hart arbeiteten, andererseits, weil die bisherige Spitze größtenteils bald die Schwelle zur Volljährigkeit erreiche. Auch die Protagonisten selbst haben ehrgeizige Ziele: "Wir wollen möglichst bei jedem Turnier ins Finale kommen, den nationalen Meistertitel halten und irgendwann Europameister werden."

Die Frage nach dem Erfolgsgeheimnis kann Johann Preuhs schnell beantworten. Die Gemeinde überlasse dem Verein alle Hallen kostenlos, sodass die kompletten Einnahmen durch Mitgliedsbeiträge in die Förderung des Spitzensports gesteckt werden könnten. "Gleichzeitig sind wir natürlich ein Aushängeschild für den Ort und tanzen auch bei diversen Anlässen", sagt Preuhs. Ein gelungenes Wechselspiel also. Eines, das sich auch für die beiden Tänzer lohnt: "Wir sehen viel von der Welt und schulfrei haben wir auch manchmal", sagt Elian, der gleichzeitig betont, dass die Schule natürlich immer noch wichtiger sei als ihr gemeinsames Hobby.

Johann Preuhs ist jedenfalls stolz auf seine Tänzer: "Noch sind sie ja nur beim Tanzen ein Paar", sagt er mit einem verschmitzten Lächeln.

© SZ vom 25.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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