Felix Neureuther:"Es gibt diesen Punkt, da macht es bumm"

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Der beste deutsche Skifahrer ist einer der prominenten Paten der SZ-Talentiade. Im Interview spricht der 31-Jährige über das beste Einstiegsalter in den Leistungssport, was man aus Niederlagen lernen kann, über Nachwuchswettbewerbe und Training, das schlau macht

Interview von Ralf Tögel

Felix Neureuther muss herzlich lachen. Ob wir gar nichts über die heimliche Hochzeit seines Kumpels Bastian Schweinsteiger mit Ana Ivanovic wissen wollen, er habe davon in der Boulevardpresse gelesen. Nein, wollen wir nicht. Gut so, findet der 31-Jährige, er wisse sowieso nichts darüber. Umso mehr weiß der elfmalige Weltcupsieger und Gesamtzweite des Slalom-Weltcups über die wirklich wichtigen Dinge. Zum Beispiel Bewegung.

SZ: Herr Neureuther, was macht der Rücken?

Felix Neureuther: Ich muss geduldig sein, aber es geht schon einiges besser. Ich habe in vier Wochen noch eine Untersuchung, dann ist vielleicht auch abzusehen, wann ich wieder Skifahren kann. Ich kann jetzt schon einiges trainieren, aber jetzt muss ich die Muskulatur aufbauen. Und dann kann ich hoffentlich wieder angreifen.

Was kann ein alpiner Skifahrer im Sommer trainieren?

Ich muss mich jetzt darauf konzentrieren, mir im Rumpfbereich ein muskuläres Korsett aufzubauen, das praktisch den Rücken stabilisiert. Das ist jetzt die Hauptaufgabe. Ansonsten viel Kraft und Ausdauer trainieren, den Körper so auf Vordermann bringen, dass er die Strapazen im Winter wieder durchstehen kann.

Viele junge Talente schauen auf Ihre beispielhafte Karriere. Wann sollte man mit Leistungssport ernsthaft beginnen?

So früh wie möglich, aber ich glaube, dass es keine feste Formel gibt. Ich bin zum ersten Mal mit zweieinhalb auf Skiern gestanden, das ist schon sehr früh. Ich glaube, entscheidend ist der Übergang vom Schülerjahrgang in die Jugend, da sollte der Leistungsgedanke definitiv überwiegen.

Nicht früher?

Ich mache ja auch Kinder-Camps, da sind die Kids elf Jahre alt und träumen davon, irgendwann mal Skirennfahrer zu werden. Zwar ist auch dort irgendwo der Leistungsgedanke vorhanden, aber ich bin der Meinung, dass man in dem Alter mit Spaß an der Sache mehr erreichen kann. Die Entscheidung fällt dann zwischen 14 und 18, wobei die Grenzen fließend sind.

Was ist wichtig für Kinder auf diesem Weg?

Die Unterstützung durch Eltern oder einen Förderer, das kann auch ein Onkel oder ein Bekannter sein. Schauen Sie sich die Karrieren der großen Sportler an, da steckt immer eine gezielte Förderung durchs Elternhaus dahinter. Speziell in Deutschland wird es einem durch das Schulsystem nicht einfacher gemacht. In Amerika ist das anders. Da wird der Leistungssport in den Highschools und später auch in den Colleges anders gefördert, das ist ein geniales System. Bei uns findet das so leider nicht statt. Und mit dem achtjährigen Gymnasium wird den Kindern und Jugendlichen noch mehr Zeit für den Sport im Allgemeinen und erst Recht für eine leistungssportgerechte Ausbildung genommen, was ich unheimlich schade finde. In Deutschland legt das Kultusministerium den Leistungsgedanken mehr auf die schulische Ausbildung, nicht auf die sportliche, es wird Talenten nicht einfach gemacht. Deswegen braucht man Unterstützer, genauso auch Institutionen und Vereine.

Körper und Geist in Balance: Felix Neureuther balanciert zum Start seiner Kampagne "Beweg dich schlau" vor Münchner Grundschülern auf einer Slackline. (Foto: imago/Hasenkopf)

Wie wichtig sind auf diesem Weg Erfolgserlebnisse?

Auch sehr wichtig. Ich denke, dass man irgendwo den Strohhalm braucht, nach dem man greifen kann. Wenn man immer nur eine auf den Deckel bekommt, dann ist es unheimlich schwierig. Dieser Erfolgsgedanke, wenn du etwas geschafft hast, daran richtest du dich wieder auf, das motiviert ungemein, treibt an. Dieser Moment, wenn die Anspannung von einem abfällt im positiven Sinne, wenn der Körper sehr, sehr viel Adrenalin ausstößt, dieses Gefühl kann süchtig machen. Das will man immer wieder erleben, weil es etwas unheimlich Schönes ist. Und so ein Gefühl kann einem eigentlich nur der Sport bieten. Es ist natürlich auch im Berufsleben wunderschön, wenn man sich etwas vorgenommen hat und es dann schafft. Aber in kürzester Zeit, in einem Rennen, einem Wettkampf oder bei einem Spiel, wenn es bumm macht, dieser eine Punkt, wo mit einem Schlag alles von Dir abfällt, das gibt es wirklich nur im Sport.

Es geht aber nicht immer nur bergauf.

Richtig, ich glaube, Misserfolge sind noch prägender. Vor allem in jungen Jahren, weil man dadurch lernt, zu kämpfen und sich durchzubeißen. Oft sind diejenigen, die keine leichte Kindheit hatten, diejenigen, die den allerletzten Biss an den Tag legen, um dann Seriensieger zu werden.

Eine Möglichkeit für Erfolgserlebnisse sind Talentwettbewerbe. Haben Sie selbst mal teilgenommen, mal gewonnen?

Bei uns gab es den Kids-Cup, dort durften die besten Mädels und Jungs an einem Lehrgang teilnehmen. Das ist im Endeffekt ja auch ein Talentwettbewerb. Mit den "Besten" ein Wochenende zu verbringen, das war unheimlich wichtig, sich mit den anderen zu messen, auszutauschen, zu vergleichen. So etwas kann dazu beitragen, dass man es später mal nach oben schafft.

Jetzt machen Sie selbst so ein Camp.

Genau. Für die Kinder ist es schon cool, ein Wochenende mit mir Ski zu fahren und mit den Top-Trainern des Deutschen Skiverbandes zu trainieren. Aber es soll auch die Möglichkeit sein, dass die untereinander sehen, wie der andere fährt, also sich gegenseitig zu beobachten.

Haben Sie so eine Auszeichnung erhalten?

Ich habe vom Ministerpräsidenten den Preis für den besten Jugendsportler in Bayern bekommen, das war schon ganz cool und sehr motivierend, muss ich sagen.

Wenn man so weit oben angekommen ist wie Sie, verliert man seine Unbeschwertheit auf diesem Weg, das Kindliche?

Ich denke einfach, das Wichtigste sind neben der Familie die Menschen, mit denen man sich umgibt, die wahren Freunde. Entscheidend ist auch, nie zu vergessen, wo man herkommt, wem man das alles zu verdanken hat. Und man darf nie den Respekt anderen gegenüber verlieren, also auch nicht gegenüber seinen Konkurrenten.

So bleibt man ein Sympathieträger - wie Felix Neureuther.

Ich bin einfach so, wie ich bin. Sicher bin auch ich vorsichtiger geworden mit dem, was man sagt und auch, wie man sich gibt, aber die Erfahrung muss halt jeder selber machen. Aber man darf nie die Leute vergessen, die hinter einem stehen.

Denken Sie in Momenten des Erfolgs auch daran, etwas zurückzugeben?

Das ist selbstverständlich für mich als Sportler und auch als Mensch. Wenn ich mal mit dem Skifahren aufhöre, ist es gar nicht so wichtig, ob ich eines oder hundert Rennen gewonnen habe. Wichtiger ist, dass man etwas Bleibendes schafft. Der Sport ist sehr kurzlebig, 15 Jahre bleiben einem maximal im Leistungssport. Wenn du aufhörst, fragt bald keiner mehr nach dir, dann ist eine herrliche Zeit vorbei, aber die Welt dreht sich weiter. Mein Ziel ist es trotzdem, etwas Bleibendes zu hinterlassen. So ein Thema ist "Beweg dich schlau", eine Kampagne, mit der ich meine Erfahrungen im Sport weitergeben will.

Erfolgreichen Sportler hört man eher zu?

Natürlich, jetzt bin ich in den Köpfen der Kinder, weil sie mich im Fernsehen sehen. Wenn das vorbei ist, denken sie sich irgendwann: Wer war denn das eigentlich? "Beweg dich schlau" oder meine Kinder-Camps liegen mir deshalb sehr am Herzen. Es ist auch schön zu erfahren, wie Kinder ticken, man fühlt sich ab und zu wieder zurück in die Vergangenheit versetzt.

Um was geht es bei "Beweg dich schlau"?

Ich war nie ein Freund von stupiden Trainingsmethoden, ich wollte irgendwie auch herausgefordert werden, vom Kopf her. Eine muskulär schwere Übung auch mental schwierig zu machen. Um die verschiedenen Gehirnhälften zu aktivieren, das erweitert im Endeffekt den Horizont, man wird sehr viel aufnahmefähiger, kann sich besser konzentrieren, wird kreativer, auffassungsschneller und reaktiver. Genau darauf bezieht sich "Beweg dich schlau".

Nur im Training?

Nicht nur. Dank Smartphones und Spielekonsolen bewegen sich Kinder immer weniger. Wenn sie sich bewegen, sollen sie das schlau machen. Das kann beim Zähneputzen anfangen, das geht in der Schulpause. Ich habe ein Buch geschrieben, wir haben Spieletonnen entwickelt mit verschiedenen Utensilien darin. Viele Schulen nehmen an diesem Programm teil, wir bilden auch Lehrer aus, inzwischen erreichen wir schon fast 200 000 Schüler. Das geht auch im Mathe-Unterricht, dass man nicht nur dasitzt und mit Formeln zugeknallt wird, sondern nur mal 30 Sekunden eine Übung macht. Ich denke, die Zeit kann man sich nehmen. Dann sind die Kinder wieder sehr viel aufnahmefähiger.

Felix Neureuther ist einer der prominenten Paten der SZ-Talentiade und wird am 15. Juli die Preise übergeben. Anmeldungen sind noch bis 23. Mai möglich, per Mail an talentiade@sueddeutsche.de oder an die jeweilige Landkreis-Redaktion.

© SZ vom 20.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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