Skicross:Raus aus der Holzklasse

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Heidi Zacher vom SC Lenggries startet mit großen Erwartungen in den olympischen Winter. Bei der WM im März war sie Vierte, in Pyeongchang ist sie die große Medaillenhoffnung des DSV.

Von Ralf Tögel, Lenggries

Am Montagabend traf der Tross des Deutschen Skiverbands in Val Thorens ein, minus fünf Grad, passable Schneeverhältnisse, gute Stimmung. Präziser gesagt handelte es sich um die Skicrosser des DSV, deren Weltcup-Saison an diesem Donnerstag in dem französischen Wintersportort beginnt. In diesem Winter bekommen Nachrichten und Resultate von Wettbewerben noch mehr Gewicht, denn es ist ein besonderer Winter, ein olympischer. Im Februar sind die Spiele im südkoreanischen Pyeongchang. Knapp zehn Wochen sind es noch bis dahin, doch das Großereignis sitzt den Athleten natürlich im Hinterkopf. Auch bei Heidi Zacher, die aber nicht sonderlich nervös wirkt.

„Es war meine bisher beste Saison“: Heidi Zacher vom Skiclub Lenggries im vergangenen Winter bei einem ihrer beiden Weltcupsiege im italienischen Innichen. (Foto: imago)

Zacher ist eigentlich nie angespannt, da ist auch dieser spezielle Winter keine Ausnahme: "Es ist alles bestens", sagt sie, "die Vorbereitung lief gut, wir haben gut über den Sommer trainiert." Ein typisches Statement für die Tölzerin, die für den Skiclub Lenggries fährt und im Skicross die größte Hoffnung des DSV auf eine Medaille ist. Zacher ist eine Siegfahrerin, sie war schon einmal Zweite im Gesamtweltcup, im Vorjahr wurde sie Vierte. Doch diese Vorsaison hat Zachers Status weiter nach oben geschraubt, als sie drei Rennen gewann und im italienischen Innichen einen Doppelsieg feierte, eine der schwersten Übungen im Weltcup. Nach einem Sieg die Spannung so hoch zu halten, dass man am darauffolgenden Tag die Konkurrenz erneut düpieren kann, ist besonders fordernd. Insgesamt stand die 29-Jährige fünfmal auf dem Podium, "es war meine bisher beste Saison", sagt sie. Nur im letzten Saisonrennen hatte sie das Treppchen als Vierte knapp verpasst. Es war die Weltmeisterschaft in der spanischen Sierra Nevada, ausgerechnet. Sie stand damals im Zielraum, lächelte tapfer und sagte, dass sie sich die gute Saison von dem vierten Platz nicht kaputt machen lasse. Kein Wort von dem Virus, den sie sich eingefangen hatte, die Stimme war vor den Rennen fast komplett weg, alles andere als optimale Voraussetzungen. Zacher suchte selbst im Moment der maximalen Enttäuschung das Positive. Die Lenggrieserin ist ohnehin eine, die das Glas immer halb voll sieht. Der Sportliche Leiter Heli Herdt stand im Zielraum neben ihr, lächelte ebenfalls eisig und sagte: "Holz ist Holz."

Herdt blickte aber sogleich auf das Jahr 2018 voraus, die nächste Chance auf die ersehnte Medaille bei einem Großereignis. Jetzt sagt Zacher, dass die vergangene Saison abgehakt sei, der Blick zurück "bringt einen nicht wirklich vorwärts". Nun gelte es "gut in die Saison zu starten", zumal der Auftakt im Vorjahr etwa holprig geriet. Gleich im ersten Rennen wurde sie im Viertelfinale an zweiter Stelle liegend von der Kanadierin Brittany Phelan "abgeschossen", erinnert sich Zacher, sie stürzte, schied aus. Sie steckte das weg, steigerte sich von Rennen zu Rennen, in der "Cross Alps Tour" wurde sie schon Zweite. Das ist eine Serie von Rennen mit eigener Wertung, ähnlich der "Tour de Ski" im Langlauf oder der Vierschanzentournee im Skispringen. Sechs Rennen in 16 Tagen, beginnend mit dem Donnerstag in Val Thorens, den Abschluss bilden die beiden Rennen von Innichen, die Zacher kurz vor Weihnachten 2016 gewann. Drei ihrer insgesamt fünf Weltcup-Siege feierte sie auf ihrer Lieblingspiste in Innichen.

Von konkreten Zielen will sie zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sprechen, erst mal am Donnerstag eine gute Quali fahren und dann "ins kleine oder große Finale kommen, das wäre schon gut", sagt Zacher. Das erste Rennen sei immer eine wichtige Standortbestimmung. Heli Herdt hat da schon konkretere Vorstellungen: "Ziel muss ganz klar das Podium bei Olympia sein", sagt er. Er habe seine Topfahrerin "noch nie so entspannt und gleichzeitig fokussiert" gesehen. "Ich war überrascht, mit welcher Intensität sie die Trainingsinhalte umgesetzt hat, wie zielstrebig sie arbeitet", sagt Herdt, "das habe ich so noch nie wahrgenommen."

Auch Cheftrainer Peter Stemmer hat bei der 29-Jährigen "skitechnisch extreme Fortschritte" ausgemacht, Resultat einer störungsfreien Vorbereitung im Sommer. "Sie hat sich auch konditionell noch verbessert, ich denke, sie kann ums Podium mitfahren." Vor allem am Start wurde Verbesserungspotenzial geortet, und Zacher hat ihre Hausaufgaben gemacht: "Ich habe daran gearbeitet und mich auch verbessert." Ein weiterer Vorteil dürfte die große Erfahrung der Lenggrieserin sein, Pyeongchang wären bereits ihre dritten Olympischen Winterspiele: "Davon kann ich profitieren. Man sieht schon vieles gelassener." Vor allem in Rennsituationen, wenn es um Zentimeter geht, wenn man im direkten Kampf gegeneinander in Millisekunden Entscheidungen treffen muss, "ist das bestimmt ein Vorteil", sagt Zacher. "Man hat dann vielleicht mehr Geduld, auf seine Chance zu warten." Zuerst muss Zacher aber die Qualifikationsnorm für Olympia erfüllen, ein achter Platz würde reichen. Am besten gleich im ersten Rennen, das von Freitag einen Tag vorverlegt wurde und gleich nach der Qualifikation stattfindet.

Am Samstag ist an selber Stelle das zweite Rennen, weitere sieben stehen vor Pyeongchang auf dem Programm. Der Saisonhöhepunkt ist auf den 23. Februar datiert, dann geht es im Bokwang Phoenix Park bei Bongpyeong-myeon um olympisches Edelmetall. Bis dahin könne viel passieren, sagt Heidi Zacher, aber: "Wenn am Tag X alles zusammenpasst, wer weiß?"

© SZ vom 07.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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