Munich Rugbears:Leidenschaft ohne Körperkontakt

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Auf dem Weg nach Rio: Maximilian Haberkorn will zu den Olympischen Spielen 2016. Erstmal verrteidigt er mit den Munich Rugbears den deutschen Titel. (Foto: Florian Peljak)

Maximilian Haberkorn hat die Glasknochenkrankheit - und spielt Rollstuhlrugby. Gefährlicher als der Sport ist oft die Anreise

Von Maximilian Gerl, München

Maximilian Haberkorn ist schwer zu stoppen. Er flitzt durch die Halle, so schnell, dass kaum jemand hinterherkommt. Eine Drehung, Haberkorn nimmt den Ball auf, beschleunigt. Im Zickzack weicht er seinen Gegnern aus, passt den Ball zu einem Mitspieler. Der hat Platz und schafft es mit dem Ball ins Ziel. Es ist nur ein Trainingsspiel, an einem Donnerstagabend in einer Sporthalle in Milbertshofen. Doch Maximilian Haberkorn jubelt, als habe er gerade den Titel gewonnen. Der 29-Jährige spielt Rugby. Genauer: Rollstuhlrugby.

Maximilian Haberkorn leidet an der Glasknochenkrankheit. Seine Knochen halten keinen großen Belastungen stand, sie brechen extrem leicht. Haberkorn zählt zu den wenigen Glasknochenkranken weltweit, die Rollstuhlrugby spielen. In Deutschland ist er der einzige, in Europa war er es lange. "In Irland gibt es jetzt noch einen", hat er kürzlich herausgefunden. Rollstuhlrugby ist ein harter Sport, tatsächlich so ähnlich wie Rugby, nur eben auf Rädern. Jeweils vier Spieler versuchen, den Ball innerhalb von 40 Sekunden in die gegnerische Endzone zu transportieren. Alle zehn Sekunden müssen sie den Ball entweder dribbeln oder passen, sonst bekommt ihn der Gegner. Körperkontakt ist aber verboten. Stattdessen nutzen die Spieler ihren Rollstuhl, um den Gegner zu blocken, auszumanövrieren oder notfalls aus dem Weg zu rammen.

Maximilian Haberkorn ist Stammspieler beim deutschen Meister Munich Rugbears. An diesem Wochenende (Samstag 11 Uhr, Sonntag 11.30 Uhr, Hans-Denzinger-Str. 2) richtet sein Klub in Milbertshofen die letzten, entscheidenden drei Bundesligaspiele aus. Die Rugbears wollen ihren Titel verteidigen, momentan stehen sie auf Platz drei. Spitzenreiter Berlin ist nur zwei Punkte voraus. "Wir müssen alle Spiele gewinnen", sagt Haberkorn - und darauf hoffen, dass das den Berlinern nicht gelingt. Es wird also eng, doch Haberkorn ist optimistisch: "Wir stehen richtig gut im Saft."

In Deutschland spielen etwa 350 Sportler in knapp 20 Mannschaften Rollstuhlrugby. Sie alle sind auch im Alltag auf den Rollstuhl angewiesen. Beim Rollstuhlrugby darf - anders als etwa beim Rollstuhlbasketball, wo auch Nichtbehinderte mitspielen können - nur am Spielbetrieb teilnehmen, wer an mindestens drei Körperteilen eingeschränkt ist. Die meisten Spieler sind querschnitts- oder poliogelähmt, amputiert, Spastiker. Und dann ist da noch Maximilian Haberkorn.

Der gebürtige Münchner hat früher Rollstuhlbasketball gespielt, bis in den Landeskader hat er es geschafft. Durch eine Freundin wurde Haberkorn dann auf Rollstuhlrugby aufmerksam, probierte es aus - und fand seine große Leidenschaft. "Rugby ist härter, schneller und taktischer", erzählt er, man merkt ihm die Begeisterung an. Etwa 100 Spiele macht Haberkorn pro Saison, die meisten in der Bundesliga, in der Europa League und mit der Nationalmannschaft. Dazu kommen internationale Turniere. In der Schweiz, in Schweden, in Kanada hat Haberkorn schon gespielt, im Sommer geht es nach England. Ein ganz schönes Reisepensum. "Meine Frau ist nicht begeistert", sagt er und grinst.

Tatsächlich sind die Reisen manchmal gefährlicher als der Sport. Am Hauptbahnhof ist Haberkorn mal die Rolltreppe hinabgestürzt. Auf dem Spielfeld bricht höchstens mal ein Finger, wenn er zwischen die Rollstühle gerät. Aber das ist eher die Ausnahme. Das liegt zum einen an den strengen Regeln, zum anderen an der Konstruktion der Rollstühle. Sie bestehen aus gehärtetem Aluminium und sind extrem stabil. Vorne besitzen sie eine Art Stoßstange, die im Zweikampf als Rammbock dient. Die Räder sind schräg gestellt, das dient der Stabilität. Die Außenseiten der Räder schützt ein dickes Blech, zumindest im besten Fall. Haberkorn zeigt ein Loch in einem der Bleche: "Da hat mich einer in die Zange genommen." Nach etwa einem Jahr sei sein Sportrollstuhl immer so ramponiert, dass er einen neuen benötige. Kostenpunkt: um die 5000 Euro. Das Geld dafür stammt meist von Sponsoren.

Maximilian Haberkorn ist ehrgeizig. Im Training zählt er zu denen, die die Kommandos geben. In den Pausen spritzt er sich das Gesicht ab, so schweißgebadet ist er. "Mir tut danach alles weh", sagt er, aber das ist es ihm wert. Dafür sei die Freude umso größer, wenn die Anstrengung zu Titeln und Anerkennung führe. Ohnehin denkt Haberkorn weiter als bis zur Meisterschaft am Wochenende: Mit der Nationalmannschaft will er zu den Paralympics 2016 in Rio. Allerdings ist die Konkurrenz international stark, die Qualifikation wird schwer. "Mal schauen", sagt Haberkorn und rollt zurück aufs Feld. Weiter trainieren.

© SZ vom 25.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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