Matthias Sammer:"Das ist Lebensfreude - trotz aller Anstrengung"

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Er spricht über Poster im Jugendzimmer, Druck, die Sturmkicker - und wie Sport seine Kinder prägt.

Interview von Sebastian Winter

Matthias Sammer hat nicht lange gezögert, als die Anfrage der Süddeutschen Zeitung kam, als Pate bei der Preisverleihung der SZ-Talentiade aufzutreten. Der 49-Jährige hat es nicht weit mit dem Auto aus seiner Heimat Grünwald, er kommt entspannt aus der Tiefgarage, stellt beim Stehempfang interessierte Fragen zum Alter des Hochhauses an der Hultschiner Straße. Später verfolgt er in der ersten Reihe gespannt die Preisverleihung - und zeichnet auf der Bühne freudestrahlend die Sturmkicker aus, eine Inklusions-Fußballmannschaft, die beim SV Niederroth spielt. Nur auf das Essen verzichtet Sammer. Seiner Frau hat er versprochen, spätestens um 22 Uhr zu Hause zu sein.

Herr Sammer, hatten Sie früher Poster mit Sportidolen im Zimmer hängen?

Selbstverständlich. Die größten Fußballer, wobei das in der DDR nicht einfach war, an besondere Poster zu kommen. Da hat man sich eben die DDR-Stars genommen, Dixie Dörner, Siegmar Wätzlich, mein eigener Vater. Oder später Reinhard Häfner, der vor kurzem verstorben ist. Das waren Idole. Ein Poster Dynamo Dresdens, dem Klub, bei dem ich groß wurde, hing natürlich auch in meinem Zimmer.

Früher wurden Sie selbst oft ausgezeichnet, an diesem Abend überreichten Sie nun die Urkunden. Wie ist das für Sie?

Ich freue mich sehr. Weil ich es wichtig finde, nicht nur jene, die im Mittelpunkt stehen, zu beachten, sondern auch jene, die eben noch in der Entwicklung sind.

Die Germeringer Schwimmerin Cornelia Rips hat auf der Bühne von ihrem strikten Tagesablauf am Leistungszentrum in Halle/Saale erzählt. Inwieweit können Sie sich einfühlen in diese Talente?

Sehr. Das sind Organisationssysteme, die mir sehr vertraut sind. Ich hätte aber gar nicht gedacht, dass es das in dem Sinne so extrem noch gibt. Morgens um sieben Uhr ging bei mir jedenfalls die Schule los, dann zwei bis drei Stunden Unterricht, danach Training, in der Mensa gemeinsames Essen, dann noch mal Schule, zum späten Nachmittag hin wieder Training. Zum Abend hin bin ich irgendwann zu Hause gewesen. Bei den Schulaufgaben musste man dann halt auch mal mogeln.

Was können Sie Sporttalenten auf dem Weg in die Spitze raten?

Das Wichtigste ist, Freude zu empfinden und damit den eigenen Antrieb für das, was man tut, in den Mittelpunkt zu stellen. So kann man auch diesem harten und schwierigen Weg mit einer gewissen Selbstverständlichkeit begegnen. Weil einem bewusst ist, dass man das möchte. Sport ist Lebensfreude, trotz aller Anstrengung.

Und wenn der Druck zu groß wird?

Druck empfindest du ja nur, wenn du etwas nicht für dich selbst tust, sondern für jemand anderen. Wer den Druck nur als Last empfindet, sollte auch ehrlich zu sich sein, das respektieren und vielleicht etwas anderes ausprobieren.

Viele Sporttalente streben an die Spitze, Olympische Spiele oder Weltmeisterschaften sind für die meisten das große Ziel. Doch was ist, wenn der Nachwuchs irgendwann spürt oder gesagt bekommt: Es reicht nicht für ganz oben?

Die Frage ist, ob man zu sehr fokussiert ist auf den absoluten Spitzensport. Oder ob man den Sport nicht auch als Ausgleich betrachten kann und mit weniger zufrieden ist. Um beim Fußball zu bleiben: Dann eben in der dritten oder vierten Liga zu spielen, aber dafür seinen Bildungsweg nicht aus seinen Augen zu verlieren.

Die Sturmkicker werden sehr wahrscheinlich nie in der dritten Liga spielen.

Nein, aber die Sturmkicker lieben dieses Spiel und versuchen, es immer weiter zu gestalten. Gleichzeitig - was Bildungswege betrifft - ist es Aufgabe des Staates, diese Kinder nicht aus den Augen zu verlieren.

Wie fanden Sie die Sturmkicker?

Überragend. Ich war total beeindruckt, ihr Auftritt hatte so viel Menschlichkeit und Natürlichkeit in sich, die für mich in meiner Lebensphase, in der ich mich gerade befinde, auch sehr, sehr wichtig ist. Dieser Mut und diese Lebensfreude in ihren Gesichtern, das ist ansteckend.

Wie haben Sie Ihren eigenen drei Kindern Sport vermittelt?

Unsere Tochter Sarah ist sehr sportinteressiert, sie arbeitet bei den Bayern-Basketballern (im Merchandising, d. Red.). Selbst Sport zu machen, damit hatte sie nicht viel am Hut. Marvin hat mit knapp 17 gemerkt, es reicht im Fußball nicht ganz nach oben, und hat dann einen rigorosen Cut gemacht. Mittlerweile studiert er und berät nebenbei den einen oder anderen Kumpel. Leon spielt noch Fußball, in Grünwald, wir werden sehen, wohin es bei ihm noch geht.

Sie waren fast 20 Jahre Fußballprofi, Europameister, Champions-League-Sieger, Weltpokalsieger, drei Mal deutscher Meister. Im September werden Sie 50. Was machen Sie gerade, um sich fit zu halten?

Was die Ausdauer betrifft: Radfahren und Walken. Dann mache ich noch zweimal pro Woche Yoga und außerdem Kräftigungsübungen, um Bauch und Rücken einigermaßen stabil zu halten.

© SZ vom 14.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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