Mixed Martial Arts:In Käfigen vom Olymp

Lesezeit: 3 min

Der Kampfsport Mixed Martial Arts beruft sich auf seine antike Entstehung, brutal wirkt er noch immer. Die deutsche Serie macht am Samstag in München Station.

Von Jonas Kraus, München

Um manche Sportarten rankt sich ein Mythos, andere wären ohne einen solchen wohl gar nicht entstanden. Es käme beispielsweise heute niemand auf die Idee, im Laufschritt eine 42,195 Kilometer lange Strecke hinter sich zu bringen, gäbe es da nicht die Legende vom Boten Pheidippides. Dieser hat angeblich die Nachricht vom Sieg bei der Schlacht von Marathon ins 42,195 Kilometer entfernte Athen gebracht, wo er dann vor lauter Erschöpfung zusammenbrach und starb. Dass dieser Mythos wissenschaftlich zumindest stark angezweifelt wird? Geschenkt. Der Marathonlauf war geboren.

Fast noch wichtiger ist eine solche Mythenbildung jedoch für Sportarten, die umstritten sind oder stark kritisiert werden und schon deshalb immer wieder um ihre Daseinsberechtigung kämpfen. Mixed Martial Arts (MMA) ist ein solcher Sport. Dieser Kampfsport vereint alle gängigen Kampfsportarten, vom Boxen über Ringen bis hin zu Karate, kommt dabei aber mit einem deutlich schlankeren Regelwerk aus. Am Samstagabend wird zum dritten Mal in München gekämpft. Der Veranstalter "We love MMA" holt 24 Kämpfer und Kämpferinnen in die kleine Olympiahalle und lässt sie in zwölf Duellen im Oktagon, einem achteckigen Käfig, gegeneinander antreten.

Hinter Gittern: Die deutsche Mixed-Martial-Arts-Serie zu Gast in München. (Foto: imago)

Nicht allen gefällt dieser Sport, der Anfang der 1990er Jahre aus den USA nach Europa kam. Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier sagte 2010 beispielsweise: "Es ist eine schlimme Fehlentwicklung, wenn sich Menschen vor Publikum in Käfigen blutig schlagen. Wir müssen diesem abscheulichen Treiben schnell ein Ende setzen."

Früher waren nur zwei Dinge verboten. Inzwischen kennt das Regelwerk immerhin 31 Fouls

Doch dieses "abscheuliche Treiben" hat eine lange Vergangenheit, und es wird umrankt von einem Mythos. Im Jahr 708 v. Chr. wurde Ringen ins Programm der antiken Olympischen Spiele aufgenommen, 20 Jahre später Boxen. Dadurch, dass bei den vorher von Laufsportarten dominierten Spielen nun zwei Kampfsportarten dabei waren, entbrannte schnell der Streit, wer die besseren Kämpfer seien: Ringer oder Boxer. Zur Klärung dieser Frage wurde eine Mischform beider Sportarten ins Leben gerufen, das "Pankration". Der Mythos, dass ausgerechnet Zeus' Sohn Herakles und der berühmte griechische Held Theseus diesem Sport zu olympischen Ehren verholfen haben sollen, ist wissenschaftlich natürlich nicht haltbar, gibt aber eine schöne Geschichte ab.

Jedenfalls war Pankration seit dem Jahr 648 v. Chr. nachweislich olympisch. Und, auch das kann man mit Sicherheit sagen, es war ein überaus brutaler Sport. Erlaubt war beinahe alles. Schlagen, Treten oder Ringen. Wenn der Gegner am Boden lag, ging es oft erst so richtig los. Regeln? Gab es nur zwei. Man durfte seinen Kontrahenten nicht beißen und ihm nicht in die Augen stechen. Die Kämpfe dauerten so lange, bis einer durch Handheben aufgab, starb - oder die Sonne unterging.

Die Kampfserie füllt riesige Hallen - hier in Hamburg. (Foto: Oliver Ruhnke/imago)

In dieser Tradition sieht sich MMA, wenngleich es bei heutigen Kämpfen, zumindest vergleichsweise, beinahe schon gesittet zugeht. Ein Kampf endet natürlich immer noch, wenn jemand aufgibt oder gar stirbt - was zum Glück äußerst selten vorkommt. Mittlerweile gibt es aber Schiedsrichter, die den Kampf auch beenden, wenn der Gegner bewusstlos ist oder sich nicht mehr wehren kann. Auch das Regelwerk ist mit 31 bekannten Fouls deutlich umfangreicher, Tritte gegen den Kopf eines liegenden Gegners sind beispielsweise verboten. Außerdem läuft eine Uhr mit, die vorgibt, dass ein Kampf maximal 15 Minuten dauert, aufgeteilt in drei Drittel. Der Stand der Sonne hat keinen Einfluss mehr auf die Kampfzeit.

Das ist auch sinnvoll, MMA-Events finden vornehmlich abends statt, damit viele Zuschauer das Spektakel live in der Halle oder am Bildschirm verfolgen können. Und es werden immer mehr, die diesen Wunsch haben. In den USA ist MMA deutlich beliebter als Boxen, und auch in Deutschland liegt der Sport, der hierzulande zwischen 2010 und 2014 nicht im TV gezeigt werden durfte, offenbar im Trend. Deutschlands größte nationale Mixed-Martial-Arts-Serie "We love MMA" ist nach hiesigen Erfolgen mittlerweile auch nach Österreich und in die Schweiz expandiert und hat 2017 nach eigenen Angaben mehr als 20 000 Fans in die Hallen gelockt.

Am Samstag ist mit dem Russen Ruslan Shamilov, der im Weltergewicht für den Munich Fightclub antritt, auch ein Lokalmatador am Start. Der 1,82 Meter große und 84 Kilogramm schwere Modellathlet hat in der "We love MMA"-Serie zwar erst zwei Kämpfe bestritten, diese aber durch Knock-outs gewonnen. Seinen letzten Gegner schickte er nach etwas mehr als drei Minuten zu Boden, versetzte ihm dann noch zwei Schläge auf den Kopf und ließ erst von ihm ab, als sich der Schiedsrichter schützend dazwischen warf. Man kann das gut finden oder nicht. Deutlich brutaler ging es jedenfalls früher zu.

© SZ vom 24.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: