Fußball:Orientierungslos im Paragrafendschungel

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Der U17 des SC Fürstenfeldbruck fehlte noch ein Punkt zum Aufstieg in die Bayernliga. Dann bekam Konkurrent Unterhaching sechs aberkannte Zähler zurück. Nun fühlt sich der SCF vom Verband benachteiligt.

Von Christoph Leischwitz, Fürstenfeldbruck

Vor vier Wochen war alles für eine Feier vorbereitet. Vorletzter Spieltag, fünf Punkte Vorsprung, nur ein Punkt fehlte der U17 des SC Fürstenfeldbruck noch zum Aufstieg in die Bayernliga. Stattdessen müssen sie an diesem Mittwoch gegen den FC Schweinfurt in der Relegation antreten. Besser: sie müssten. Der SCF und sein Präsident Jakob Ettner fühlen sich vom Bayerischen Fußball-Verband (BFV) freilich so sehr benachteiligt, dass er nicht mehr zur Relegation antreten will. Eine entsprechende E-Mail sei am Dienstag an den Verband geschickt worden, erklärt Ettner. Er übernehme die volle Verantwortung dafür, auch wenn dies möglicherweise zur Folge habe, "dass dies mein Ende als Präsident des Vereins ist".

Folgendes ist passiert: Ende April hatte das Sportgericht Bayern der SpVgg Unterhaching II, Brucks Konkurrent, sechs Punkte abgezogen. Beim 5:1 gegen Obertraubling hatte die SpVgg einen Spieler ihrer Bundesliga-Mannschaft eingesetzt, der laut Urteil nicht spielberechtigt war. Nach der Berufung der Hachinger entschied das Verbandssportgericht (VSG) unmittelbar vor dem vorletzten Spieltag jedoch, dass Haching die Punkte zurückbekommt. Prompt verloren die geschockten Brucker gegen Milbertshofen - danach war Spitzenreiter Haching uneinholbar. "Aus Sportlersicht ist die Enttäuschung natürlich nachvollziehbar, wenn man statt des sicher geglaubten Aufstiegs in die Relegation muss. Aber nach intensiver Prüfung und Urteil des VSG ist die SpVgg Unterhaching II auf sportlichem Weg korrekt Meister geworden", erklärt BFV-Sprecher Thomas Müther.

Zwei Dinge sind es, die Ettner ärgern: Zum einen zweifelt er das Berufungsurteil an. Der Sachverhalt ist kompliziert. Im Kern ging es aber darum, ob der eingesetzte Unterhachinger Spieler Stammspieler der ersten Mannschaft war oder nicht. Dazu gibt es in der Jugendordnung des BFV und jener des Deutschen Fußball-Bundes unterschiedliche Interpretationen. Im ersten Urteil hatte man die bayerische Variante zur Begründung herangezogen. Das, räumt der BFV ein, sei ein Fehler gewesen. Ettner versteht aber die zweite Entscheidung nicht, im wahrsten Sinne. Zumindest sei sie "von Juristen so spitzfindig formuliert, dass man sie als Normalsterblicher nicht nachvollziehen" könne. Er wirkt frustriert. In solchen Fällen seien es ja immer die "großen" Vereine, in diesem Fall die SpVgg Unterhaching, die Recht bekämen.

Der zweite Grund: Im März hatte der BFV eine Satzungsänderung vorgenommen, der die Transferphase im Jugendbereich ausweitet: Statt am 15. Juni darf ein Spieler nun schon am 1. Juni einen Verein verlassen. Auch deshalb hätten mittlerweile schon sechs Spieler Fürstenfeldbruck verlassen, für die Relegation stünden noch maximal zehn Spieler zur Verfügung.

SCF-Präsident Ettner beklagt Intransparenz beim BFV: "Das ist ja alles nicht mehr zu verstehen."

Die Angelegenheit wurde noch komplizierter, weil Ettner Ende Mai im Urlaub und somit nicht zu erreichen gewesen war. Eigentlich wollte der BFV die Relegation nämlich vor den Pfingstferien austragen lassen. Die Spielansetzung war aber daran gescheitert, dass beide Teams mindestens fünf Tage vor der Partie den Termin bestätigen müssen. Ettner glaubt, dass er nicht der einzige Funktionär ist, dem der Paragrafendschungel über den Kopf wächst. So entsteht Misstrauen; und dieses erweitert den Interpretationsspielraum. Ettner geht es längst nicht mehr nur um die U17, sondern um die seiner Meinung nach intransparenten Entscheidungen des Verbands.

So wurden seit September 2014, nachzulesen auf der Webseite des BFV, 29 Satzungs- oder Ordnungsänderungen beschlossen - nach dem letzten Verbandstag also, der im Normalfall Satzungsänderungen beschließt. Der Vorstand hat laut Satzung zwar die Möglichkeit, diese Änderungen vorzunehmen. Ettner aber findet, dass es beachtlich viele sind, die im so genannten Umlaufverfahren erwirkt wurden, quasi auf Zuruf. Dieses Verfahren erlaubt dem Vorstand Neuregelungen, die dem nächsten Verbandstag nur noch zur Bestätigung vorgelegt werden müssen.

Ettner weiß, dass er auf juristischem Weg gegen den Verband kaum Aussicht auf Erfolg hat - an der BFV-Spitze stehen mehrere Juristen. Trotzdem sagt er: "Die Relegation zu spielen, wäre ein Eingeständnis", und erwägt den Gang vor ein Zivilgericht. Halb im Ernst, halb im Scherz fordert er vom BFV, dass den Vereinen für solche Fälle Anwälte gestellt werden müssten. Denn: "Das ist ja alles nicht mehr zu verstehen."

© SZ vom 21.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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