Fußball:In München eine Macht

Lesezeit: 2 min

Zu Beginn des Jahrtausends stürmte der spätere Nationalspieler Cacau (li.) für Türkgücü. Fürstenfeldbruck (Carsten Teschke) ist in die Bezirksliga abgestürzt. (Foto: Günther Reger)

Bis 2020 will der SV Türkgücü-Ataspor in die Regionalliga aufsteigen. Präsident Kivran sieht den Klub immer noch als dritte Kraft in der Stadt - dafür wurde die Mannschaft prominent verstärkt

Von Fabian Swidrak, München

Kadir Alkan streicht sich mit den Handflächen durchs Gesicht, von der Nasenwurzel abwärts bis zum Kinn. Dabei zieht er hörbar die Luft durch die zusammengebissenen Zähne. "Wir sind gut beraten, einen Schritt nach dem anderen und eher langsam zu machen", sagt der Teammanager des Landesligisten SV Türkgücü-Ataspor München schließlich. Ein kurzer Blick nach links, Ergänzung: "Also, das ist meine persönliche Meinung." Einen Stuhl weiter hat Vereinspräsident Hasan Kivran gerade erklärt, es müsse langfristig das Ziel sein, den Klub bundesweit präsent zu machen. "Das ist ambitioniert und ich glaube erst einmal auch nicht, dass wir über die dritte Liga hinauskommen können", sagt Kivran. Es ist eine Einschränkung, die eher wie eine Ansage klingt: erst einmal.

Türkgücü, die "türkische Macht", einst dritte Kraft im Münchner Fußball hinter dem FC Bayern und den Löwen, ist vor wenigen Wochen erst einigermaßen knapp dem Abstieg in die Bezirksliga entgangen. Für diesen Dienstag nun hatte der Sechstligist zu einer "internationalen Pressekonferenz" geladen, um mit türkischen und deutschen Journalisten über die Ambitionen des Vereins zu sprechen. Innerhalb der nächsten vier Jahre soll die erste Mannschaft möglichst zweimal aufsteigen, sagt Kivran, der seit Dezember an der Spitze des Klubs steht. Für die zweite Mannschaft und die A-Jugend, beide gerade in höhere Ligen geklettert, seien weitere Aufstiege im kommenden Jahr ebenfalls eingeplant. Der Druck ist groß.

Um Kivrans Erwartungen gerecht zu werden, haben Teammanager Alkan und Trainer Vitomir Moskovic (ehemals SV Heimstetten) den Kader runderneuert. 14 Spieler haben sie in den vergangenen Wochen verpflichtet. Onur Kaya, 28, der immerhin Bayernliga-Erfahrung hat, soll Ibrahim Aydemir, 33, mit Bällen füttern. Der Stürmer, der schon mit Sivasspor in der türkischen Süper Lig spielte, kommt vom FC Erding. Im Mittelfeld hat sich Türkgücü unter anderem mit Dennis Vatany vom VfR Garching verstärkt. Der 25-Jährige kickte mit dem VfR, der U21 des TSV 1860 und dem FC Memmingen bereits in der Regionalliga.

Es überrascht kaum, dass die Kontrahenten Türkgücü bereits zum Aufstiegsfavoriten für die neue Saison erklären. "Wir nehmen diese Rolle gerne an", sagt Alkan. Die hoch gesteckten Ziele werde man auch der Mannschaft beim Trainingsauftakt am 20. Juni noch einmal deutlich kommunizieren. Kivran ist zuversichtlich: "Wir haben eine gute Mannschaft zusammengewürfelt." Die größte Herausforderung sei es nun, daraus eine Einheit zu formen.

Vorsorglich hat der Klub mit allen Zugängen eine Urlaubssperre vereinbart. Während der Vorbereitung ist die Teilnahme an allen Einheiten ebenso Pflicht wie während des Trainingslagers in Südtirol. Die letzten Prozentpunkte will Türkgücü mit einem erfolgsabhängigen Prämiensystem aus den Spielern herauskitzeln. Laut Kivran wird es auch einen Strafenkatalog geben, um Disziplinverstößen vorzubeugen. Denn: Neben dem sportlichen Erfolg fühlen sich die Münchner auch ihrem Image verpflichtet. "Sponsoren haben keine Lust auf einen Asi-Verein und Berichte über Schlägereien", sagt Kivran. Hat der Klub bis zum Ende seiner Amtszeit im Jahr 2020 die beiden Aufstiege geschafft, will er sich zur Wiederwahl stellen. Und dann? "Unten kenne ich nicht", sagt Kivran. "Dann soll es weiter nach oben gehen." Er erinnert an die großen Zeiten in den Neunzigern, als der Verein in der Bayernliga spielte, damals dritthöchste Klasse, und für einen gewissen Claudemir Jerônimo Barreto alias Cacau das Sprungbrett in den Profifußball war. Aktuell werde Türkgücü von mittelständischen Unternehmen unterstützt, sagt Kivran. Große Konzerne wolle er erst ansprechen, wenn sein Klub Erfolge und hohe Zuschauerzahlen vorweisen könne. "Vom Potenzial her", glaubt der Präsident, "sind wir hinter Bayern und Sechzig immer noch die drittstärkste Kraft."

© SZ vom 15.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: