Fußball:Grabungen in Zeit und Raum

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Beim FC Pipinsried machen die Umbauten für die Fußball-Regionalliga nicht am Stadion halt. Auch der Kader des Aufsteigers wird renoviert. Selbst Co-Trainer Sebastian Mitterhuber muss gehen.

Von Christoph Leischwitz, Pipinsried

Konrad Höß hat einige fremd anmutende Geräte im Schuppen neben dem Vereinsheim. Der Präsident und Rasenexperte des FC Pipinsried ist eben bestens ausgerüstet. In der Garage neben der Schuhwaschanlage steht etwas, das entfernt an die Zeitmaschine aus dem gleichnamigen Science-Fiction-Film von 1960 erinnert, freilich fehlt vor allem das große Windrad hinter dem Sitz. Höß behauptet, es handele sich dabei um einen 90 Jahre alten Rasenmäher, der in grauer Vorzeit auch schon im Stuttgarter Neckarstadion zum Einsatz gekommen sei, vermutlich irgendwann während des Paläozoikums der deutschen Fußballgeschichte. "Der macht sehr schöne Muster in den Rasen", sagt er. Man muss ihm das alles glauben, denn wenn der merkwürdige Apparat eine Zeitmaschine wäre, dann hätte er sie im Laufe der Woche wohl angeschaltet. Höß sagt nämlich: "Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, ich würde es tun." Zurück in die Bayernliga.

Der Aufstieg des Dorfklubs FC Pipinsried in die Regionalliga hat allerhand Konsequenzen mit sich gebracht. Zum Beispiel viele Bagger. "Die bauen nicht um, die bauen ein neues Stadion, so schaut das hier aus", schimpft Höß, der seine 50 Jahre alte Vereinsanlage kaum noch wiedererkennt. Wenn die Handwerker und Bauarbeiter fertig sind, dann ist sein heiliger Rasen nicht mehr nur an drei, sondern an allen vier Seiten mit Bande umrandet. Im Westen entsteht ein Parkplatz mit rund 200 Stellplätzen, ein so genannter "Käfig" für die Gästefans muss gebaut werden, einen VIP-Container braucht es auch noch, die Haupttribüne bekommt Sitzschalen.

"Die bauen nicht um, die bauen ein neues Stadion": Präsident Konrad Höß sieht seinen FC Pipinsried vor gewaltigen Herausforderungen. (Foto: Toni Heigl)

In den vergangenen Wochen waren selbst aus Höß' näherem Umfeld immer wieder Zweifel zu hören. Daran, ob er das wirklich durchzieht mit dem Erfüllen der teuren Auflagen. Daran, ob das alles von den Behörden genehmigt und rechtzeitig fertig gestellt werden kann. Höß gibt sich unbeirrt zuversichtlich und lobt immer wieder den Dachauer Landrat Stefan Löwl, der dem Verein mit Rat und Tat zur Seite stehe. Man darf davon ausgehen, dass Höß, 76, der gut vernetzte und mit einer Ehrennadel des Landkreises geehrte Präsident, den Aufwand nicht betreiben würde, wenn am Ende alles an ein paar fehlenden Stempeln scheitern könnte.

Doch eigentlich will Höß das alles gar nicht. Ein bedeutender Grund für seine Meckerei ist die finanzielle Vorleistung, die er zu tragen hat. Er hofft natürlich, sie durch erhöhte Zuschauereinnahmen kompensieren zu können, vor allem mit Blick auf die Spiele gegen den FC Bayern II und den TSV 1860 München. Doch aktuell muss er erst einmal an anderer Stelle sparen. Zum Beispiel am Kader.

"Kein einziger wollte wechseln", sagt Höß. "Kein einziger!" In der Vergangenheit hatte er, halb im Scherz, immer wieder behauptet, er würde den Spielern gar nicht so viel zahlen: "Die bringen ja noch Geld mit, um hier spielen zu dürfen." Jetzt stellt er klar, dass Verstärkungen in Infrastruktur und Kader "für einen Ort wie Pipinsried eigentlich nicht machbar sind". Deshalb müssen mehrere Spieler gehen.

Sebastian Mitterhuber. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Neben den erwartbaren Abschieden von Almir Hasanovic, Ludwig Steinhart oder Qemajl Beqiri gibt es ein paar überraschende wie die von Josip Juricev oder Ruben Popa. Und dann geht auch noch ein absoluter Leistungsträger, der in der vergangenen Saison sogar Co-Trainer war: Sebastian Mitterhuber. "Das alles können wir nicht finanzieren", sagt Höß. Mitterhuber, der einst für Unterhaching in der dritten Liga spielte, hat viel zum Aufstieg beigetragen. Doch für die kommende Spielzeit scheint einer der Wichtigsten ironischerweise auch einer der Entbehrlichsten zu sein. Zumindest ist Pipinsried im defensiven Mittelfeld, Mitterhubers Revier, bestens aufgestellt. Spielertrainer Fabian Hürzeler bekommt Ex-Profi Christoph Burkhard an die Seite gestellt, in Giovanni Goia und Savio Nsereko kommen Spieler mit Erfahrung in höheren Klassen hinzu.

Weil der FC in der Relegation spielte, beginnt die Saison für den Aufsteiger nicht Mitte, sondern erst Ende Juni. Trotzdem drängt die Zeit. Am Freitag hatte die Mannschaft Trainingsauftakt - inmitten einer Baustelle. Höß ist das alles eigentlich viel zu viel Hektik. Er würde gerne weiter einfach Fischsemmeln verkaufen statt nun "Catering" betreiben zu müssen. Aber er geht auch weiter davon aus, dass das Heimspiel gegen 1860 München auch wirklich im kleinen Pipinsrieder Stadion stattfindet, obwohl er einräumen muss, dass gar nicht alle Gästefans in den Käfig passen würden. "Die Auflagen zu bewältigen, das ist eigentlich nicht zumutbar", sagt Höß. Dann merkt er aber an: "Na ja, das Ganze hier wertet das Stadion natürlich schon auch ein bissl auf." Vielleicht hat die Regionalliga ja doch noch eine etwas längere Zukunft in Pipinsried.

© SZ vom 24.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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