Fußball:Elf Retter

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Von Gifthaferln, Unaussprechlichen und Ruhepuls 150: Der Amateurfußball in der Region hat wieder einige prägende Gestalten hervorgebracht

Hachings Stephan Hain, klar. Weil er nicht nur mehr Tore erzielt hat als Spiele absolviert (23 in 19 Einsätzen), sondern vor allem, weil er damit öfter traf als Pullachs Orhan Akkurt (18 in 19) - eigentlich unmöglich. Pipinsrieds Präsident Konrad Höß sowieso, weil er eben Konrad Höß ist. Und natürlich Garchings Daniel Weber, der den kleinen VfR zwischenzeitlich dicht an die Regionalliga-Spitze gecoacht hat. Aber sonst? Die SZ hat sich auf dem Weg in die Winterpause ein paar Gedanken gemacht, welche Personalien in den Regional- und Bayernliga-Fußballklubs der Region sonst noch prägend waren für den bisherigen Saisonverlauf.

Regionalliga Bayern

Orestis Kiomourtzoglou

SpVgg Unterhaching

(1. Platz/21 Spiele/67:11 Tore/57 Punkte)

Kleines Geständnis: Obigen Namen haben wir nicht selbst getippt, sondern von der Homepage der SpVgg Unterhaching kopiert. Sicherheitshalber. Sollte er dennoch Fehler enthalten - nicht unsere Schuld.

Man wird sich den Namen Orestis K. jedenfalls merken müssen, auch als Fan. Denn bislang kommt, wenn Hachings Stadionsprecher "Orestis" ruft, aus dem Publikum eher unverständliches Gemurmel zurück, anstelle eines simplen, entschlossenen "Ki-o-mour-tzog-lou-daaanke-biiitte", wie es sich gehört. Sollte doch möglich sein, so etwas auswendig zu lernen! Orestis jedenfalls, das ist Kern des Problems, hat schon vier Treffer erzielt. Er ist Vierter der Hachinger Torjägerliste, hinter Stephan Hain, Sascha Bigalke und Jim-Patrick Müller. Nicht schlecht für einen 18-jährigen Mittelfeldspieler eigener Züchtung. Sollte also mal jemand behaupten, die Spielvereinigung wäre nur so dominant, weil sie mit ihren Transfers klammheimlich vom einstigen Jugendkurs abgerückt ist, wäre der Grieche das beste Gegenbeispiel: "Und was ist mit diesem Orestis dings...?"

Holger Badstuber

FC Bayern München II (2./21/34:21/38)

Die Leistung stimmte, zumindest räumte Trainer Heiko Vogel dies ein. Doch trotz des 2:0-Sieges gegen Seligenporten dürfte der Abwehrspieler Holger Badstuber in seiner Mannschaft keine Zukunft haben. Die sogenannten Amateure bilden beim FC Bayern München ja das Ende der Ausbildungsabteilung - und bei manchem das Ende aller Träume. Denn wer es mangels Talent nicht zügig zu den Profis schafft, muss es bald anderswo versuchen. Das gilt theoretisch auch für Badstuber, der allerdings dürfte trotz allem bei den Profis unterkommen. Muss sich Vogel halt Ersatz suchen. Die Rückkehr eines anderen Ehemaligen, der sein Glück zuletzt ebenfalls in einer U23 suchte, irgendwo auf einer verregneten Insel, kommt eher nicht infrage: Bastian Schweinsteiger hat es dort gerade wieder in den Profikader geschafft.

Simon Seferings

TSV 1860 München II (3./21/26:23/36)

Sie dürfen noch reden bei 1860 München. Sogar mit der Presse. Zumindest über ihre U21. Für die gilt das Schweigegebot, das sich die Löwen (kraft Dienstanweisung ihres Investors) auferlegt haben, nicht. Sie sind ja auch recht zufrieden mit dem dritten Platz in der Regionalliga, trotz diverser Weggänge zu den Profis. Nachwuchsleiter Wolfgang Schellenberg redet zum Beispiel gerne über Simon Seferings und dessen überraschend positive Entwicklung: "Am Anfang schwankte er zwischen Bank und Kurzeinsätzen, jetzt ist er ein Leistungsträger." Der 21-jährige Mittelfeldspieler kam über ungewöhnliche Umwege zu den Löwen: vom FC Bayern über den SV Heimstetten. Jetzt sei er im Männerfußball angekommen, findet Schellenberg, das merke man an seiner körperlichen Präsenz und Athletik. Auch sein Torschuss ist beachtlich, er ist mit vier Treffern zweiterfolgreichster Schütze. Repräsentativ ist er aus einem weiteren Grund für sein Team: Auch er ist verletzt (Meniskus) und hofft, nach der Winterpause wieder fit zu sein.

Stefan De Prato

VfR Garching (8./21/40:44/32)

Robert und Albert Rudnik waren Ausnahmen. Nicht immer, wenn Garchings Trainer Daniel Weber Spieler aus tieferen Ligen holt, klappt es. Auch nicht mit jedem Brüderpaar, das er coacht, nicht mal im Verein der vielen Niebauers. Doch bei Stefan De Prato hat es funktioniert: Dessen Bruder Florian hatte Weber einmal vom Kirchheimer SC, einmal vom TSV Moosach geholt, er ist sein Spielgestalter, hat sich unter ihm an den Rand des Untergewichts trainiert. Stefan, 23, kam nun vor dieser Saison, ebenfalls vom TSV Moosach, für den er in Kreis- und Bezirksliga stürmte. Drei Ligen höher hat er ohne Anlauf fast jedes Spiel mitgemacht und sieben Tore erzielt. Das Beste: Von den De Pratos gibt es noch einen ganzen Schwung. Webers Reservoir ist nahezu unerschöpflich.

Bayernliga Süd

Georg Gistl

SV Pullach (1./22/49:20/50)

Nach dem ehemaligen Bürgermeister Georg Gistl (1902 bis 1911) ist in Pullach eine Straße benannt. Viel ist nicht über ihn bekannt, aber an seiner Straße liegt ein Fußballplatz, der keinen Namen trägt. Auch nicht Gistls, denn der Bau und die Gründung des zugehörigen Sportvereins ereigneten sich lange nach seiner Amtszeit, im Jahr 1946. Dennoch wird 70 Jahre danach viel über den Platz an der Gistlstraße geredet. Außer einem Kunstrasen hat sich hier wenig verändert, eine Tribüne sucht man vergeblich, die Zuschauer stehen auf dem Rasen hinter einem Geländer. Das ist einer der Gründe, wieso Pullachs unter Trainer Frank Schmöller notorisch erfolgreiche Fußballer nie in die Regionalliga aufsteigen dürfen. Um das doch noch zu ändern, hat Manager Theo Liedl nun bei der Stadt München angefragt, ob Pullachs Heimspiele künftig im Grünwalder Stadion möglich wären. Weg von der Gistlstraße. Bis März hofft er auf eine Entscheidung.

Andreas Faber

FC Unterföhring (2./22/38:29/41)

Früher, jaja, da habe er schon ziemlich viele "Kindergartensachen" mitgemacht, sich provozieren lassen und "in jedem Spiel Gelb gesehen". Die Zeiten seien vorbei, sagt Andreas Faber. Wenn er sich nach dem Spiel immer noch aufregt, verschwindet er schnell in der Kabine. Fünf Minuten, dann ist alles wieder in Ordnung. Der 28-Jährige ist längst über den Status des Präsidentensohnes hinausgewachsen, er ist auf dem Feld einer der Wichtigsten, "ein 1-a-Leader", wie Trainer Andreas Pummer sagt. Bei Faber ist der Satz "Er spielt da, wo der Trainer ihn hinstellt" ausnahmsweise keine Floskel. Der gelernte Zehner gab unter Walter Werner einen Sechser, bei Pummer ist er Stürmer. Weil es damals eben gerade keinen gab. "Ich hätte auch nicht gedacht, dass es so gut funktioniert", sagt er - 18 Tore erzielte er in der vergangenen Saison, aktuell acht. Sein Karriereziel: "Noch mal im Grünwalder Stadion spielen." Also: in die Regionalliga aufsteigen. Sollte es klappen, dann auch dank seiner emotionalen wie spielerischen Flexibilität.

Marco Bläser

FC Pipinsried (3./20/31:25/38)

Das wäre mal ein Karriereende gewesen. Als Spielertrainer entlassen nach einem 1:2 gegen die Wanderfreunde Klingen, Kreisklasse. Und das einem, dessen Vater Jupp neben Wolfgang Overath beim 1. FC Köln spielte. Marco Bläser aber beendete seine Karriere nicht, er hatte im April beim FC Gerolsbach bereits seine bevorstehenden Rückkehr in die Bayernliga verkündet. Zum FC Pipinsried. Zu Konrad Höß. Einmal in seiner Karriere dort zu spielen, sei "eine tolle Sache", fand er, dort habe man ihm seine Glücksnummer 23 reserviert.

Diese trägt Bläser zwar bis heute, allerdings beim Landesligisten SC Olching. In Pipinsried brachte es der ehemalige Regionalliga-Torjäger nur auf fünf Einsätze. Nicht Höß, wie all die Jahrhunderte zuvor, sondern der neue Sportchef Roman Plesche hatte den Kader runderneuert. Er ist 29, sechs Jahre jünger als Bläser. Und holte zunächst ein paar Spielerchen mehr, als er brauchte, weshalb mancher, der im Juni kam, im August wieder ging. Trotz entsprechend holprigen Beginns liegt das Team des Mittelfeld-Spielertrainerduos Fabian Hürzeler und Sebastian Mitterhuber inzwischen auf Aufstiegskurs. Die Tore erzielt Atdhedon Lushi. Die 23 ist nicht etwa seine Glückszahl. Sondern sein Alter.

Florian Wolf

TSV 1865 Dachau (4./22/37:36/38)

Das Trikot von Florian Wolf lag in der Mitte der Kabine, die Fußballer des TSV Dachau 1865 hüpften nach dem 4:1-Erfolg in Vilzing wild drum herum und feierten. Der 30 Jahre alte Angreifer fehlte, weil er sich ein paar Tage zuvor einer Hüftoperation unterzogen hatte. Nicht seine erste, Wolf plagt seit seiner Kindheit eine Schiefstellung des Oberschenkelknochens in der Hüftpfanne. Schon vor einem Jahr hatte er sich zwei Eingriffen unterziehen müssen. Nun droht abermals ein langer Ausfall. Umso bemerkenswerter, wie er sich trotz Schmerzen in 17 Vorrundenpartien warf, dabei immerhin vier Tore vorbereitete. Nun gut, auch der große Francesco Totti pausierte zuletzt wegen der Hüfte, aber er ist 40, da ist es normal, wenn es zwickt. Sollte es zu arg werden, kann er sein Roma-Trikot an den Nagel hängen. Kämpfer Florian Wolf zieht sein am Samstag umjubeltes Dachau-Hemd dagegen bestimmt wieder an. Hoffentlich schon im Frühjahr.

Daniel Steimel

SV Heimstetten (6./20/40:29/32)

Er ist das, was man in Bayern ein Gifthaferl nennt. Einer wie Rafinha früher war, ehe er altersmilde wurde und seine Gegner lieber umarmt, als sie 90 Minuten lang mit allen Mitteln zu bekämpfen. Daniel Steimel, 24, tut Letzteres - zur Not auch in Extraschichten, wie zuletzt im Derby seines SV Heimstetten gegen Unterföhring. Nach Schlusspfiff ließ er es sich nicht nehmen, die Partie mit Gästetrainer Andreas Pummer noch einmal nachzubesprechen. Offenbar waren die Ansichten verschieden, der Coach packte den Kicker am Kragen, ein mobiler Eingreiftrupp musste beide trennen. Es wäre allerdings unfair, Steimel auf seine, nun ja, liberalere Auslegung der Fußballregeln zu reduzieren. Schließlich hat er zuletzt drei Spiele ohne Verwarnung überstanden, womit er den Titel des Gelbkönigs der Liga mit zehn Verwarnungen in 20 Partien an Sonthofens Kapitän Andreas Maier (zwölf in 22 Spielen) übertrug. Steimel ist abgesehen von seinem nimmermüden Einsatz auch ein ausgezeichneter Fußballer, ausgebildet beim FC Bayern. Drei Tore hat er im Saisonverlauf vorbereitet, einige mehr hätte er selbst erzielen können. Aber vor dem Tor fehlt ihm manchmal die Ruhe - Puls mindestens 150.

Daniel Steinacher

FC Ismaning (11./22/33:35/26)

Natürlich war es kein Krückstock, auf den sich Daniel Steinacher, 28, stützte, auch wenn es aus der Ferne so aussah. Eine Gehhilfe hat er, obwohl er auf die 30 zugeht, noch nicht nötig. Er ist auch keineswegs frühverrentet. Bester Laune flachste Steinacher am Samstag, gestützt auf einen geschlossenen Regenschirm, am Spielfeldrand mit Ersatzspielern des FC Ismaning, unbeeindruckt von dessen sportlicher Krise - er war ja nicht an ihr beteiligt. Überhaupt war der Verteidiger selten beteiligt. Trainer Xhevat Muriqi begründet den durchwachsenen Saisonverlauf mit der Vielzahl verletzter und gesperrter Spieler. Steinacher etwa kam bislang auf acht Einsätze. Anfang August sah er eine rote Karte, nach drei Spielen Sperre die nächste. Zuletzt stoppte ihn eine Außenbandverletzung. Im Frühjahr, verkündete Muriqi nun, werde alles anders. Vielleicht spielt dann auch Steinacher wieder Fußball. Eine Sperre konnte er sich in den vergangenen Wochen ja nicht einhandeln.

Onur Misirlioglu

BCF Wolfratshausen (18./22/26:46/18)

"Schwieriger Name." Mit diesem einleitenden Seufzer stellten die Vereinszeitungsautoren des BCF Wolfratshausen vor mehr als zwei Jahren einen neuen Innenverteidiger vor: "Onur Misiroglu", wie sie hartnäckig schrieben, obwohl der Neue korrekterweise noch eine Silbe mehr im Namen trägt. Aber damals war ja noch nicht abzusehen, dass dieser Miroglu eines Tages Retter des BCF sein würde. So unverzichtbar, dass die Vereinsführung ihn Mitte August über die Köpfe der sportlichen Leitung hinweg zum Rücktritt vom Rücktritt überredete und in die Startelf diktierte. Nach sieben Niederlagen in Serie ohne Miglu, der sich mit den Trainern überworfen hatte, war der BCF Tabellenletzter. Kleinere Kollateralschäden: Trainer Patrik Peltram verließ nach dieser Einmischung ebenso den Verein wie Co-Trainer, Sportchef, Technische Leiterin, Torwarttrainer, Kapitän, Vizekapitän und weitere Spieler. Egal: Der Erlöser spielte - anfangs. Seine Bilanz (bisher fünf Einsätze, zweimal ein-, einmal ausgewechselt, 344 Spielminuten, in denen drei Tore und sechs Gegentore fielen) war von einer Syndesmose-Verletzung geprägt. Der BCF ist auch unter Marco Stier Letzter. Es hilft wenig, dass ihm die Gegner Komplimente machen. Den Vertrag mit dem Trainer haben die Farcheter nun dennoch für die nächste Saison verlängert und zwei Neue geholt: Angreifer Jonas Striegel, 23, SF Aying, und Verteidiger Andrej Skoro, 26, Türkgücü. Viel wichtiger: Zuletzt spielte Misirlioglu wieder durch. Rettung naht.

© SZ vom 01.12.2016 / sz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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