Fußball:Autobahnausfahrt Heimat

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Mario Himsl, einst Assistent von Christian Ziege bei Arminia Bielefeld und Jugendkoordinator bei Greuther Fürth, hilft dem Kirchheimer SC als Nachwuchsleiter

Von Stefan Galler, Kirchheim

Wie schnell es im Fußball gehen kann, hat Mario Himsl im Sommer 2010 erfahren: Er hatte gerade erst die Ausbildung zum Fußballlehrer als Jahrgangsbester abgeschlossen, sich aber offenbar in seiner Klasse keineswegs wie ein Streber aufgeführt. Denn er freundete sich mit einigen seiner Mitschüler an, darunter dem ehemaligen Nationalspieler Christian Ziege. Als Ziege dann Cheftrainer von Arminia Bielefeld wurde, fragte er bei Himsl an, ob er ihm nicht als Assistent zur Seite stehen wolle. Er wollte. Es war für den früheren Bayernligafußballer die Eintrittskarte in die Welt des Profifußballs.

Mittlerweile hat Himsl diesem Mikrokosmus den Rücken gekehrt, vorerst zumindest. Der 43-Jährige ist zurück im Raum München, nachdem er vor einigen Wochen beim ambitionierten SSV Jahn Regensburg, wo er seit Sommer 2015 Nachwuchskoordinator gewesen war, um seine Vertragsauflösung gebeten hatte. "Es waren vor allem private Gründe", sagt Himsl. "Ich war zuletzt viele Jahre lang unterwegs, habe viel zu viel Zeit auf der Autobahn verbracht. Nun wollte ich einfach meinen Kindern wieder näher sein." Und das ist er künftig nebenberuflich als Nachwuchsleiter und C-Jugendtrainer bei jenem Fußballverein, wo seine beiden Buben kicken: Beim Kirchheimer Sport-Club.

Der gebürtige Niederbayer fand in München einen Job, der im weiteren Sinne mit Fußball zu tun hat. Und weil sich diese Arbeit ganz trefflich mit einem Engagement im Amateurfußball unter einen Hut bringen lässt, kam er mit dem KSC ins Geschäft. Himsl wohnt seit mehr als zehn Jahren direkt gegenüber der Sportanlage, seine Söhne spielen in der U9 und in der U15 des Landesligisten. Seinem Kumpel Robert Eckerl, der beim KSC als Funktionär im Herren- und Nachwuchsbereich tätig ist, hatte er schon früher die Zusage gegeben, sich in den Verein einzubringen, wenn es eines Tages mit seiner beruflichen Situation vereinbar sein sollte. Und genau das ist jetzt der Fall. "Der KSC ist ein interessanter Verein, er hat gute Möglichkeiten, ist dennoch familiär. Da möchte ich gerne helfen", sagt Himsl. In Kirchheim sind sie schon ein bisschen stolz auf diesen Coup. Jörg Krause, stellvertretender Abteilungschef und Sportlicher Leiter für den Erwachsenenbereich, hofft darauf, dass "die Räder schon bald ineinander greifen".

Konkret soll Himsl den Jugendtrainern unter die Arme greifen: "Mario ist die ideale Ergänzung zu unseren Trainern. Er kann den unerfahrenen Leuten im Jugendbereich Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten bieten, die ihresgleichen im Landkreis suchen", sagt Krause. Himsl besucht nicht nur regelmäßig die Übungseinheiten sämtlicher Nachwuchsjahrgänge und gibt den Trainern Tipps, wie sie ihre Einheiten effizienter gestalten können; er bietet auch Workshops an Wochenenden an, um die Trainingsarbeit zu verbessern. Der erste fand am Königssee statt - mit beachtlichen Erfolgen, wie Himsl findet: "Die Kirchheimer Trainer sind alle sehr offen und interessiert." Es gehe jedoch nicht nur um Trainingslogistik, sondern auch um pädagogische und soziale Aspekte. Himsl will, dass sich die Kinder wohlfühlen.

Logischerweise hören Spieler und Trainer einem wie Himsl gerne zu: Als Aktiver war er unter anderem für die SpVgg Unterhaching II, den MTV Ingolstadt und den SC Baldham-Vaterstetten am Ball, stieg mit dem SV Lohhof unter Trainer Ludwig Trifellner in die Regionalliga auf und schaffte am Ende seiner aktiven Laufbahn recht schnell den Wechsel ins Trainerfach. Beim FC Ismaning assistierte er zunächst Tom Sitter, rückte dann 2005/06 selbst in die Verantwortung. Parallel war er Berufssoldat, wurde Trainer der Bundeswehr-Nationalmannschaft und studierte an der Sporthochschule in Köln. "Als ich dann bei Ismaning aufgehört habe, war ich eigentlich schon fast weg vom Fußball", erzählt Himsl. Doch dann erhielt er die Möglichkeit, bei Bayer Leverkusen ein Praktikum zu absolvieren. Prompt bekam er anschließend die Chance, Verbandstrainer beim Bayerischen Fußball-Verband (BFV) zu werden und die Fußballlehrer-Ausbildung zu machen.

Plötzlich war er mehr im Geschäft als je zuvor. Mit seinem Kumpel Ziege ging es nach Bielefeld, nach dessen Entlassung durfte Himsl bleiben - als Assistent von Ewald Lienen. Doch die Mannschaft erwies sich in der zweiten Liga als nicht konkurrenzfähig. "Es war hochinteressant, mit Lienen zusammenzuarbeiten, der Umgang mit ihm war sehr locker. Aber das Gesamtbild, die schlechte Stimmung in der Kabine, all das war sehr schwierig."

Die nächste Station war die SpVgg Greuther Fürth, wo Himsl Jugendkoordinator wurde, zweimal jeweils eine Drei-Sterne-Zertifizierung für das Nachwuchsleistungszentrum erwirkte und mithalf, Talente wie den heutigen Schalker Johannes Geis zu fördern. "Eine tolle Zeit", resümiert der Niederbayer. Im vergangenen Sommer wurde der Nachwuchsbereich des "Kleeblatts" dann neu strukturiert - und Himsl, der zuletzt zusätzlich für die zweite Mannschaft verantwortlich gewesen war, zog als Nachwuchsleiter zu Jahn Regensburg weiter. "Dort kann sich etwas entwickeln", sagt Himsl über die Oberpfälzer, "eine tolle Aufgabe eigentlich". Aber eben nur "eigentlich", denn Regensburg passte zuletzt nicht mehr in seinen persönlichen Lebensplan, wie Himsl sagt. "Ich war leer im Kopf und wollte heim zu meiner Familie."

Nun ist er also wieder da. Die Kirchheimer versprechen sich viel von seiner Arbeit, denn seit dem sensationellen Aufschwung unter dem früheren Trainer Ivica Coric, der den Klub nicht zuletzt dank eines großartigen Jahrgangs aus dem eigenen Nachwuchs von der Kreisklasse bis in die Landesliga führte, tritt der Klub auf der Stelle. "Die Krux ist, dass die Ausbildung der Spieler meistens nach der A-Jugend vorbei ist", sagt KSC-Funktionär Krause. "Diesen Übergang vom Nachwuchs zu den Erwachsenen muss man eleganter hinbekommen - und da zählen wir auf Marios Kompetenz." Krause sieht für den Verein eine große Zukunft, auch weil der neue Cheftrainer Steven Toy "ein absoluter Glücksfall" sei. Noch einer.

© SZ vom 31.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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