FC Bayern München:Prinzipientreue Anarchisten

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Die Basketballer des FCB gewinnen auch die unbedeutende letzte Partie der Zwischenrunde in Vilnius und ziehen als Gruppenerste ins Eurocup-Viertelfinale ein. Gegen Kasan sind die Münchner nun Favorit.

Von Ralf Tögel, München

Keiner fliegt so schön wie Jared Cunningham: Münchens Guard (Mitte) war beim bedeutungslosen Sieg beim litauischen Vertreter Vilnius mit 23 Punkten erfolgreichster Punktesammler. (Foto: Alfredas Pliadis/imago)

Man kommt an dieser Szene einfach nicht vorbei. Die Basketballer des FC Bayern führen 1:12 Minuten vor dem Spielende gegen Lietuvos Rytas Vilnius 81:80, Braydon Hobbs soll den Ball an der Grundlinie ins Spiel bringen. Plötzlich holt Hobbs weit aus und schleudert das Spielgerät wie ein Diskuswerfer über das gesamte Spielfeld und die Fingerspitzen von Loukas Mavrokefalidis hinweg zum Korb der Litauer. Dort steht Devin Booker, der den Ball per Dunking ins Netz stopft. Solche Aktionen bekommt man im Basketball wohl nur zu sehen, wenn man einen Hobbs im Team hat, den es auch nicht stört, dass ein 2,10 Meter großer, mit allen Wassern gewaschener Grieche den gegnerischen Korb absichert. Hobbs' Schleuderball segelt nur Millimeter über die riesigen Hände des 33-jährigen ehemaligen griechischen Nationalspielers hinweg. Die Aktion steht beispielhaft für das Spiel der Bayern, nicht nur für den Anarchisten Hobbs. Sie zeigt die Abgebrühtheit, das Selbstverständnis, die Klasse, mit der diese Mannschaft in dieser Saison zu Werke geht.

In der Eurocup-Partie gegen die Litauer ging es für die Münchner um nichts mehr, sie war eine Randnotiz, der FCB hatte das Viertelfinal-Ticket längst in der Tasche. Auch der Gruppensieg war gebucht, Vilnius bereits ausgeschieden. Für die Gastgeber ging es nur noch um einen guten Eindruck vor den eigenen Fans im letzten internationalen Auftritt. Entsprechend engagiert spielten sie gegen die Bayern. Letztlich vergebens. "Wir spielen, um zu gewinnen", erklärte Trainer Aleksandar Djordevic das oberste Prinzip des FC Bayern. An Charakter und Willen seines Teams hatte er denn auch nichts auszusetzen.

Im Best-of-three-Modus haben die Bayern in der ersten K.-o.-Runde Heimvorteil

Schon eher am Spiel, das nichts für Feinschmecker war. Gleichwohl demonstrierte sein Team eine für höhere Ziele unabdingbare Siegermentalität. Die Bayern sind nicht nur weiterhin in allen drei Wettbewerben vertreten, sie sind in Eurocup, Pokal und Meisterschaft als Favoriten zu betrachten. In Vilnius genügte es den Münchnern, nach schwächeren Phasen wieder anzuziehen, dank ihrer individuellen Fähigkeiten ist das auch jederzeit möglich. Das erste Viertel ging mit 19:16 an Vilnius, im zweiten Spielabschnitt drehten die Bayern einen 16:24-Rückstand zur 43:38-Halbzeitführung. Im dritten Viertel bauten sie den Vorsprung auf neun Punkte aus (55:46), um dem Gegner durch Nachlässigkeiten vor dem finalen Durchgang den 59:59-Ausgleich zu ermöglichen. Das selbe Spiel im letzten Viertel: Erst ein 9:0-Lauf der Bayern, den Gegner durch Schläfrigkeiten auf 80:81 herankommen lassen, um die Partie auch dank des Geniestreichs von Hobbs schließlich 87:85 für sich zu entscheiden.

Bemerkenswert war das Nervengerüst der Mannschaft, die sich durch keinen Fehler, durch keine gegnerische Aktion aus dem Rhythmus bringen ließ. Zwei Niederlagen stehen in diesem zweitwichtigsten europäischen Wettbewerb bislang auf der Münchner Soll-Seite, das ebenfalls unbedeutende 82:90 bei Reggio Emilia (der FCB war bereits Gruppensieger) und das krachende 76:90 in Turin. Dem darf mittlerweile eine therapeutische Wirkung attestiert werden. Bester Punktesammler war in Vilnius der mit außergewöhnlichen motorischen Fähigkeiten gesegnete Jared Cunningham (23) - keiner steht so lange in der Luft und springt so hoch wie der US-Amerikaner. Besonders gut gelang den Bayern das Spiel unter dem Korb, wofür Devin Booker (18) und Maik Zirbes (14) zuständig waren. Auffallend war auch, dass Spielgestalter Stefan Jovic mit jedem Auftritt mehr Selbstsicherheit ausstrahlt. Seine Fähigkeit, die Mitspieler in Szene zu setzen, spielt ja eine entscheidende Rolle im System des Trainers. Trainer Djordjevic leistetet es sich sogar, auf Rückkehrer Vladimir Lucic zu verzichten, der nach seinem Mittelfußbruch auf der Bank blieb. Auch im Bundesliga-Topspiel in Bamberg am Sonntag (20.15 Uhr) ist ein Einsatz des Flügelspielers unwahrscheinlich, ihm soll in den entscheidenden Wochen größere Bedeutung zukommen, erstmals wohl beim Pokal-Top-Four (17./18 Februar) in Ulm.

Im Eurocup-Viertelfinale ist Lucic, der bis zu seiner Verletzung der auffälligste Münchner Spieler war, auch eine wichtige Option. Denn Gegner Unics Kasan ist nicht nur wegen der fordernden Anreise sehr unangenehm. Am Dienstag, 6. März, hat der FCB im ersten Vergleich der Best-of-three-Serie Heimrecht, muss drei Tage später in der 800 Kilometer östlich von Moskau gelegenen Millionenstadt spielen. Das mögliche dritte Spiel (Mittwoch, 14. März) wäre erneut im Audi Dome. Djordjevic warnt schon mal vor dem Gegner: "Das ist ein Kandidat auf den Titel, da wird nur unsere bestmögliche Leistung reichen." Braydon Hobbs wird schon etwas einfallen.

© SZ vom 09.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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