Eiskunstlauf:Hobby für Frühaufsteher

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"Die Kinder wollen, die Eltern stöhnen": Nachwuchssorgen hat der Germeringer Eiskunstlaufpokal nicht. Aber der Wettbewerb zeigt, dass immer weniger Regionsklubs ambitionierte Athletinnen ausbilden können

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

"Viel Glück, Sophie" wünschte Stephanie Schmidt von den Wanderers Germering ihrer älteren Schwester, die in der Kürklasse acht beim Germeringer Eiskunstlaufpokal als Erste aufs Eis musste. Sophie zeigte sieben verschiedene Einfachsprünge, die in dieser Kategorie vorgeschrieben sind. Der einfache Axel, also eineinhalb Drehungen um die Längsachse, ist noch nicht dabei. Dafür werden drei verschiedene Pirouetten verlangt, darunter die Waagepirouette, die Sophie gut gelang, auch wenn es ihr manchmal etwas an Tempo fehlte. Mit dem letzten Takt der Musik endete ihre Kür nach drei Minuten mit einem Spagat direkt vor den drei Kampfrichtern. "Alleine auf dem Eis zu sein, macht Spaß", sagt die 14-jährige Schülerin hinterher ziemlich außer Atem. Aufgeregt sei sie nicht gewesen, sie ist ja bereits seit fast zehn Jahren Eiskunstläuferin.

Sophie Schmidt belegte Platz vier in der Kürklasse acht, ihre zwölfjährige Schwester Stephanie wurde Zweite. Mit ihnen boten in Germering 230 Läuferinnen und einige wenige Läufer ihr Können am vergangenen Samstag dar, zehn Stunden lang. Es spiegelte die schwierigen Bedingungen wider, die die wenigen Vereine haben, die sich noch ums Eiskunstlaufen kümmern. Aus München und der Region waren in Germering nur vier dabei. "Ich nenne es leistungsorientierten Breitensport, was wir betreiben", sagt Claudia Reudelhuber, die Trainerin des Eis- und Rollsport-Clubs (ERC) München. Eiskunstlaufen als Spitzensport verortet sie von der Schwierigkeit her irgendwo zwischen "Turmspringen und Hochleistungsballett". Doch damit befassten sich die Vereine nicht.

Georg Saumweber (ERC München). (Foto: Carmen Voxbrunner)

Reudelhuber ist seit 40 Jahren Trainerin. Sie kommt ursprünglich aus Bad Tölz und hat schon in vielen Klubs gearbeitet. Reudelhuber klagt nicht wie die meisten ihrer Kolleginnen über fehlende Eiszeiten, sondern über Schnee, Regen und Kälte, mit denen sie auf ihren drei Freieisflächen in München zu kämpfen haben. "Wir hätten gerne eine Traglufthalle über einer Eisfläche", wünscht sich die Trainerin. Sie übt mit ihren Schützlingen auf der Eisbahn am Westbad, am Michaelibad und im Prinzregentenstadion. Vor allem sind die Eltern gefragt, die ihre Kinder während der Woche häufig zu allen drei Trainingsstätten transportieren müssen. Reudelhuber hat in Germering neben zwei Läuferinnen auch Georg Saumweber vom ERC München betreut, einen der wenigen männlichen Läufer an diesem Tag. Saumweber ist seit seiner Kindheit aktiv und hat eine Hobbyläufer-Kür gezeigt. Er gehört zu den älteren Teilnehmern im Wettkampffeld. Älter heißt bei Saumweber 19 Jahre. "Ich habe immer noch großen Spaß am Eislaufen", sagt der Münchner. Die Ansicht mancher Jugendlicher, dass Eiskunstlaufen als zu wenig männlich gilt, kann er nicht teilen. Saumweber gewann die Hobbyläuferkonkurrenz vor vier Mädchen und Frauen.

Eines haben die Eislaufvereine trotz aller Struktur- und Imageprobleme nicht: Nachwuchssorgen. Eiskunstlaufen zieht junge Mädchen immer noch an. "Manchmal sind hundert Kinder im Training", berichtet Reudelhuber. In Germering sieht es nicht anders aus. Bei ihrem eigenen Turnier starteten 59 Kinder von den Wanderers. "Wir geben Kindern den Vorzug und nehmen keine Erwachsenen mehr auf", sagt Wanderers-Abteilungsleiterin Silke Overath, weil die Eiszeiten, die sie in der Germeringer Halle zur Verfügung haben, stark begrenzt sind. Trainiert wird daher auch am Sonntagmorgen um 7.30 Uhr. "Die Kinder wollen, die Eltern stöhnen, wenn sie sonntags um halb sieben aufstehen müssen", erzählt Overath.

Rosenregen: Fabienne Federschmidt (Germering Wanderers). (Foto: Carmen Voxbrunner)

Auch in Germering werde lediglich Eiskunstlauf-Breitensport betrieben, beim TSV Erding sieht es nicht viel anders aus. "Wir haben nur viereinhalb Stunden in der Woche für den Eiskunstlauf zur Verfügung", klagt TSV-Jugendleiterin und Trainerin Doro Hübl. Bisher seien es nur vier gewesen, die zusätzliche halbe Stunde habe man sich diese Saison noch von den Eishockeyspielern schwer erkämpft.

Hübls beide Töchter laufen auch. "Das ist so eine wunderschöne Sportart", schwärmt die ausgebildete Balletttänzerin, um sofort einzuschränken: "Als Hobby ist es schön, aber als Leistungssport brutal." Dort werde radikal aussortiert: "Wenn die Mädchen mit zehn Jahren keinen Doppelsprung können, geht für sie die Welt unter", sagt Hübl.

Sind herausragende Talente da, werden sie frühzeitig abgegeben. Sie landen in einer Leistungsgruppe in der Münchner Olympiaeishalle, die vom ERC München und dem Münchner Eislauf-Verein (MEV) betrieben wird. Manchmal schicken die Trainer die Talente auch gleich an den Bundesstützpunkt nach Augsburg oder ans Bundesleistungszentrum nach Oberstdorf. Diese Talente sind, wenn sie dorthin wechseln, kaum älter als acht Jahre, weiß Wanderers-Abteilungsleiterin Overath. Dann sind wieder die Eltern gefragt, die ihre Kleinen fast täglich von A nach B transportieren müssen. Nicht nur der Eiskunstlauf-Nachwuchs hat dann quasi einen Vollzeitjob, sondern auch dessen aufopferungsbereite Eltern.

© SZ vom 09.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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