DEL2:Der Bulle von Bietigheim

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Zwei Meter groß, 108 Kilo schwer, mehr als 1000 Spiele Erfahrung: André Lakos, rechts bei den Olympischen Spielen 2014 in der Partie gegen Finnland. (Foto: imago)

Quasi ein Heimspiel: André Lakos, 37, ehemaliger österreichischer Teamverteidiger, soll Aufsteiger Bad Tölz führen.

Von Johannes Schnitzler, Bad Tölz

André Lakos wirft selbst an einem regnerischen Donnerstag in Bad Tölz einen mächtigen Schatten: 2,01 Meter groß, 108 Kilo schwer. An seinen Maßen allein liegt es aber nicht, dass Lakos für eine der dunkelsten Stunden der deutschen Eishockey-Geschichte mitverantwortlich zeichnete. 2013 spielte die Mannschaft des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) in Bietigheim um die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Sotschi. Das Auftaktduell gegen die Niederlande war keine große Sache, 5:1, rasch erledigt. Gegen Italien patzte das DEB-Team allerdings: 1:2 nach Verlängerung. Damit war klar, dass Deutschland im abschließenden Turnierspiel gegen Österreich einen Sieg nach regulärer Spielzeit brauchte, um nach Sotschi fahren zu dürfen. Verteidiger Constantin Braun sagte, die Qualifikation sei sicher, weil "Deutschland immer gegen Österreich gewinnt". Benedikt Kohl erzielte kurz vor der ersten Drittelpause das 1:0, Michael Wolf traf später zum 2:1. Doch am Ende jubelte - Österreich.

Die Olympia-Quali 2013 geriet für den DEB zum "Córdoba auf Eis". Nicht zuletzt dank Lakos

Zweimal glich das rot-weiß-rote Team eine deutsche Führung aus, rettete sich in die Verlängerung und wurde narrisch: Österreich fuhr nach Olympia, während sich Deutschland erstmals sportlich nicht für das olympische Turnier qualifizierte. Die Medien schrieben vom "Córdoba auf Eis", in Anspielung an das epochale 2:3 der deutschen Fußballer bei der WM 1978 gegen Krankl, Prohaska und Koncilia. Die Verlängerung von Bietigheim wurde zur Qual für die entnervten deutschen Profis, mit Patrick Reimers 3:2 als bitterer Pointe.

Es war der 10. Februar 2013. Der Torschütze zum zwischenzeitlichen 1:1 für Österreich hieß: André Lakos.

An diesem Donnerstag sitzt André Lakos im Konferenzraum der Tölzer Asklepiosklinik, dem neuen "Premiumpartner" der Tölzer Löwen, die gerade in die DEL2 aufgestiegen sind. Er lächelt: "Ich freue mich, endlich hier angekommen zu sein." Die Berge, die Seen, die traumhafte Umgebung: "Ich werde mich hier sehr wohl fühlen." Die Nachricht dieses regnerischen Tages: André Lakos wird in der nächsten Saison für die Tölzer Löwen aufs Eis gehen. Ein Heimspiel quasi: Bad Tölz gehört zu Österreich, haben die Gäste-Fans früher immer gesungen. Lakos sagt: "Dann fühle ich mich gleich noch wohler."

37 Jahre alt ist der Verteidiger mittlerweile und hat mehr als tausend Spiele als Profi auf dem breiten Buckel: in der American Hockey League, in der russischen KHL, in Schweden, der Schweiz. In den vergangenen beiden Jahren verteidigte der Wiener für den tschechischen Klub Orli Znojmo in der multinationalen EBEL. 27 Mal hat Lakos auch für die Kölner Haie in der Deutschen Eishockey Liga gespielt, 2011/12 war das. 1999 war er von den New Jersey Devils gedraftet worden. Zu einem Einsatz in der NHL kam es jedoch nie. 2007 verhinderte ein Ermüdungsbruch im unteren Rückenbereich sein Debüt für die Minnesota Wild. Für Österreich spielte er bei acht A-Weltmeisterschaften und zwei Olympischen Spielen. "Ich hätte vielleicht noch mehr erreichen können", sagt Lakos. "Wenn ich als Junger gescheiter gewesen wäre."

Die Sache mit dem Ermüdungsbruch zum Beispiel: "Ich war damals körperlich in Top-Verfassung, habe fünf, sechs Stunden am Tag trainiert. Wahrscheinlich war das zu viel." Aber er habe sich nichts sagen lassen. In Tölz soll Lakos nun der jungen Mannschaft mit seiner Routine helfen. Auf dem Eis und abseits davon. Der Rechtsschütze gilt als sogenannter Zwei-Wege-Verteidiger, der sowohl seinen defensiven Part erfüllt als auch offensiv Akzente setzen kann. Er sei nach einem "extrem positiven Gespräch" mit Lakos "völlig überzeugt, dass er zu hundert Prozent der richtige Spieler für uns" ist, sagt Trainer Rick Boehm. Geschäftsführer Christian Donbeck ergänzt: Man sei "sehr stolz", einen Spieler wie Lakos präsentieren zu können, einen "Star-Verteidiger". Vielleicht, sagt Donbeck, "vielleicht bekommt der ,Bulle von Tölz' jetzt ein anderes Gesicht".

Lakos lächelt. In Bad Tölz wird er die 64 tragen, wie früher im Nationalteam. Er hat bei den Löwen einen unbefristeten Vertrag unterschrieben, nebenbei wird der Mann, der russisch, tschechisch und schwedisch spricht ("geht so"), für ein international agierendes Unternehmen im Vertrieb arbeiten. An Bietigheim könne er sich durchaus erinnern. "Wir hatten immer gute Mannschaften, aber es hat nie ganz gereicht, gerade gegen Deutschland." 2013 reichte es. Nicht zuletzt dank Lakos.

Der künftige Bulle von Tölz sitzt später in der Stadion-Wirtschaft und verspeist genüsslich einen Brezen-Burger. Er sieht zufrieden aus. Wie einer, der zu Hause angekommen ist.

© SZ vom 28.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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