Beachvolleyball:Telefon-Joker

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Diese Flugeinlage von Clemens Wickler sieht souverän aus. Überhaupt zählt der 20-Jährige inzwischen zu den besten Abwehrspielern Deutschlands. (Foto: Michael Kunkel/Hoch Zwei/oh)

Clemens Wickler, Beachvolleyballer aus Starnberg, spielt nach einer recht holprigen Saison plötzlich bei der EM in Klagenfurt

Von Sebastian Winter, Starnberg

Clemens Wickler hatte Klagenfurt eigentlich nicht in seinem Terminplan angestrichen. Die Europameisterschaft, die gerade am Wörthersee begonnen hat und noch bis Sonntag läuft, war für den Beachvolleyballer aus Starnberg und seinen Garchinger Partner Armin Dollinger eigentlich noch eine Nummer zu groß. Immerhin Vierter ist das Duo im vergangenen Jahr bei der deutschen Meisterschaft in Timmendorfer Strand geworden. Doch vor ein paar Tagen rief plötzlich der Blocker Jonathan Erdmann an, Nationalspieler, Olympiateilnehmer und WM-Dritter von 2013. Sein Partner Kay Matysik habe sich verletzt, ob Wickler, der Abwehrspieler, nicht mit ihm bei der EM in Österreich spielen wolle. Es ist, wenn man so will, ein Ritterschlag. Am Mittwoch gewann das Interimsduo sein erstes Gruppenspiel gegen die Griechen Kotsilianos/Zoupanis mit 21:17, 21:13. Nur der letzte der Vierergruppe scheidet aus, der Erste qualifiziert sich direkt für das Achtelfinale. Die Chancen aufs Weiterkommen stehen also schon jetzt gut für Erdmann und Wickler. Und wer einmal in Klagenfurt war, diesem direkt am See gelegenen Tempel des Beachvolleyballs, in dem die Stimmung so aufgeheizt ist wie in kaum einem anderen Stadion, der weiß auch, dass sie die Finalrunde unbedingt erreichen wollen.

Für den 20-Jährigen ist dieses Turnier der bisherige Höhepunkt seiner Beachvolleyball-Karriere, die spätestens steil nach oben ging, als Wickler vor zwei Jahren U-19-Weltmeister und vor einem Jahr U-19-Europameister wurde. Aber in dieser Saison lief es nicht besonders gut für den knapp 1,90 Meter großen Sportler. Im Winter lief noch alles nach Plan für ihn und Dollinger, die beide Sportsoldaten sind und ein wenig von der Sporthilfe unterstützt werden. Im Januar war ihr erstes Trainingslager auf Teneriffa, danach in Ägypten, im März waren sie in der Türkei. Doch zweieinhalb Wochen vor dem Saisonstart riss sich Wickler die Bänder am rechten Sprunggelenk, er war eine Bordsteinkante hinuntergesprungen, auf einem Stein gelandet und umgeknickt. Ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt war das, und dass Wickler unbedingt Anfang Mai den ersten Beachcup in Münster mit Dollinger spielen wollte, machte die Sache nicht besser: Er bandagierte seinen Knöchel dick mit Tape, "aber es ging gar nichts", sagt Wickler. Sie wurden Letzter, "und es war auch richtig dumm, dort zu spielen", gab Wickler zu, denn sein Knöchel war jetzt richtig dick. Erst Anfang Juni stieg Wickler, der in Fürstenfeldbruck, Bad Tölz und im Internat Kempfenhausen Volleyball kennenlernte und schon mit 13 Jahren auf Beachvolleyball umschwenkte, dann wieder ins Turniergeschehen ein. Beim Grand Slam in Porec, einem Turnier der hochdotierten Weltserie, scheiterte er mit Dollinger allerdings in der Qualifikation. Kurze Zeit später bekam dann Dollinger Knieprobleme, sie klangen auch erst langsam wieder ab. Vergangene Woche flog das Duo dann nach Yokohama - und scheiterte erneut in der Qualifikation. Es ist das typische Leben zweier aufstrebender Beachvolleyballer, die sich aber noch nicht in der Weltspitze etabliert haben und nun mühsam Punkte für die Rangliste sammeln müssen. Doch sie haben auch Glück.

Denn eigentlich wollte Dollinger mit Olympiasieger Julius Brink zusammenspielen, der dann aber verletzungsgeplagt vor einem Jahr seine Karriere beendete. Dollinger durfte manchen Sponsorenvertrag weiterführen und profitierte schon deshalb von Brink, mit dem er kein einziges Turnier spielte. "Wir haben das Glück, dass wir uns durch sie aussuchen können, zu welchen Turnieren wir fliegen", sagt Wickler. Das ist nicht unbedingt üblich im Beachvolleyball, wo sich viele Teams selbst um die Reisen kümmern müssen - bei zugleich äußerst schmalen Budgets. Außerdem blieb auch das Trainerteam. Dollinger und Wickler pendeln nun immer zwischen Stuttgart, wo sie am Olympiastützpunkt bei Jörg Ahmann trainieren, und Köln, wo sie ihr persönliches Trainerteam um Markus Dieckmann betreut. Die Coaches haben große Ziele mit dem jungen Duo: "Das Fernziel ist Olympia 2020", sagt Wickler, Stützpunkttrainer Ahmann findet: "Er arbeitet sehr viel an sich, hat eine gute Höhe, viele Schlagoptionen und einen starken Aufschlag. Das Gesamtpaket stimmt einfach. Aber im Zuspiel kann er sicher noch zulegen." Und in der Abwehr, findet Wickler selbst, wo er noch zu hektisch agiere. Die nächsten Ziele sind Biehl in der Schweiz, Long Beach, Kühlungsborn, die U-22-EM im August in Portugal und die DM im September. Aber jetzt genießt Wickler erst einmal Klagenfurt, diese fast schon ausgeflippten, jugendlichen Fans dort. Dollinger wird etwas neidisch den Liveticker verfolgen. Zugleich ist diese Situation aber auch ein Ansporn, es künftig gemeinsam zur EM zu schaffen.

© SZ vom 30.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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