Beachvolleyball:Aus dem Sommer-Loch

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Armin Dollinger und Clemens Wickler überraschen sich selbst mit dem DM-Titel

Von Sebastian Winter, München

So unterschiedlich können sich hochgradige Erschöpfungszustände auswirken: Armin Dollinger fiel es extrem schwer, einzuschlafen in der Nacht von Sonntag auf Montag. Es gelang ihm erst nach Mitternacht, obwohl er zuvor noch "gemütlich gefeiert" hatte, wie er es ausdrückte, mit ein, zwei Bierchen. Sein Partner Clemens Wickler hingegen machte schon um 22 Uhr die Augen zu, er sprach am Montag von einem "großen Spannungsabfall". Die Spannung war tatsächlich extrem gewesen, auch für die 6000 Zuschauer in der vollbesetzten, direkt an der Ostsee gelegenen Ahmann-Hager-Arena in Timmendorfer Strand.

2:1 (18:21, 23:21, 15:11) hatte das für den VfR Garching (Dollinger) und TV Bad Tölz (Wickler) startende Beachvolleyball-Duo das Finale der deutschen Meisterschaft gewonnen - gegen Kay Matysik und Jonathan Erdmann, das topgesetzte Nationalteam vom VC Olympia Berlin. Im zweiten Satz hatten Dollinger und Wickler sogar einen Matchball gegen die Titelverteidiger abgewehrt, die 2012 Olympia-Neunte waren und 2013 WM-Dritte.

Dollinger, 24, und Wickler, der mit 20 Jahren jüngste DM-Sieger überhaupt, fuhren Montagmorgen im Zug zurück in den Süden der Republik und versuchten, den bislang größten Erfolg ihrer Karriere nachwirken zu lassen. Was kaum möglich war, denn parallel mussten sie schon wieder die Reise zum Weltserien-Turnier in der chinesischen Küstenstadt Xiamen planen, das in einer Woche beginnt. Visa, Flüge, Hotelübernachtungen, am Samstag soll der Trip beginnen. Dollinger sagte im Zug: "Ich habe das immer noch nicht realisiert." Also das mit dem DM-Titel.

Gibt's doch gar nicht: Armin Dollinger (rechts), diesen Sommer monatelang verletzt, und Clemens Wickler sind zum ersten Mal deutsche Meister. (Foto: dpa)

Es hatte ja auch kaum jemand die Setzlisten-Achten auf dem Plan. Wegen einer Knieverletzung musste Dollinger im Sommer monatelang pausieren, die DM war seit Juli das erste Turnier, an dem er wieder teilnehmen konnte. Wickler hielt sich währenddessen mit wechselnden Partnern fit, bei der Europameisterschaft spielte er mit seinem Finalgegner Erdmann, weil auch Matysik verletzt war - mehr als Platz 17 sprang aber nicht heraus.

"Wir hatten keine so richtige Saison", sagte Wickler über seinen schwierigen Sommer mit Dollinger, der nun so traumhaft endete: "Ich habe daher nicht damit gerechnet, dass es so klappt." Olympiasieger Julius Brink ging es ganz ähnlich: "Da hätte niemand mit gerechnet", sagte Brink in seiner Funktion als Pay-TV-Kommentator nach dem Matchball, den Dollinger mit einem krachenden Angriffsschlag auf die Linie verwandelt hatte.

Brink, dessen Partner Jonas Reckermann nach London zurückgetreten war, wollte im vergangenen Jahr übrigens mit Dollinger spielen, doch wegen anhaltender Hüftprobleme gab er Ende Mai 2014 sein Karriereende bekannt. Da Dollinger schon ein paar Monate Teil des Teams war, durfte er Sponsorenverträge weiterführen und profitierte daher von Brink, obwohl er mit ihm kein einziges Turnier spielte. Nun nutzt das Duo Dollinger und Wickler, das sich im Sommer 2014 gefunden hat und auf Anhieb bei der DM Vierter wurde, diese finanzielle Basis. Auch ihr Training haben sie längst professionalisiert. Wickler, der in Fürstenfeldbruck, Bad Tölz und im Volleyball-Internat Kempfenhausen ausgebildet wurde, und der Garchinger Dollinger pendeln zwischen Stuttgart, wo sie am Olympiastützpunkt bei Jörg Ahmann trainieren, und Köln, wo sie ein Trainerteam um Markus Dieckmann betreut.

Flitternachmittag: Clemens Wickler im Timmendorfer Goldregen. (Foto: Daniel Reinhardt/dpa)

Ihr Fernziel sind die Olympischen Spiele 2020, aber vielleicht sind sie schon in Rio 2016 dabei - auch wenn die Chancen sehr gering sind. Ins Gedächtnis der Funktionäre und Trainer des Deutschen Volleyball-Verbandes haben sie sich aber spätestens am vergangenen Wochenende gespielt. Immerhin hatten sie Matysik/Erdmann schon in der Vorrunde bezwungen - und im Halbfinale auch Deutschlands Nummer zwei Böckermann/Flüggen (Hamburg). Ihren Preis, einen Kleinwagen, wollen sie nun verkaufen. Er würde ihnen auch kaum helfen bei ihren Reisen durch die Welt.

© SZ vom 15.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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