American Football:Quatsch mit Kuh

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Passt nicht: Cowboys-Quarterback Jake Schaefer (li), verfolgt von einem Spieler der Schwäbisch Hall Unicorns, auf der Suche nach einer Anspielstation. (Foto: Johannes Simon)

Der Frust sitzt tief bei den Munich Cowboys nach dem 5:70 gegen Tabellenführer Schwäbisch Hall - Trainer Herron weicht unangenehmen Fragen aus

Von Christoph Leischwitz, München

Vor jedem Heimspiel stellen die Munich Cowboys ein paar kleine Holzkühe in die Weitsprunggrube des Dantestadions. Jedes Mal, wenn ein Münchner Football-Spieler einen Touchdown erzielt, geht das Cowboys-Maskottchen in den Sandkasten und wirft unter dem Applaus der Zuschauer eine Kuh um. Am Samstag nach dem Spiel die Schwäbisch Hall Unicorns standen noch alle Kühe. Das Maskottchen verbrachte seine Zeit vor allem damit, die Zuschauer auf der Haupttribüne mit Selfies bei Laune zu halten. Diese Tribüne war auch noch erstaunlich voll, als das Spiel schon beendet war. Wie immer wurde noch der beste Spieler gekürt, Daniel Nentwich, Applaus, doch auf der Tartanbahn stand auch ein Spieler, der laut fragte, was der Quatsch eigentlich soll: nach so einer Partie einen besten Spieler zu küren.

Selbst ältere Vereinsmitglieder konnten nicht sagen, ob es sich um die höchste Heimniederlage in der Geschichte der Cowboys handelte. Zwar hatte niemand einen Sieg gegen den Tabellenführer der Bundesliga Süd erwartet, ja nicht einmal ein enges Spiel. Doch am Ende war aus der Hoffnung auf eine knappe Niederlage - der sechsten im siebten Saisonspiel - eine Demütigung geworden. Endstand 5:70.

Wer nach dieser Packung in die frustrierten Spielergesichter blickte, konnte dort die Frage ablesen, ob diese Niederlage nicht sogar Auswirkungen auf weitere Partien haben könnte, deren Ergebnisse für den Klassenerhalt wichtiger sein werden. Zum Beispiel auf das nächste Spiel in knapp drei Wochen, zu Hause gegen den Tabellennachbarn Marburg Mercenaries. Die Aussagen von Cheftrainer Kevin Herron nach dem Spiel deuten in diese Richtung. "Einige müssen sich an die eigene Nase fassen und fragen, was sie eigentlich erreichen wollen", sagte der Cowboys-Coach mit traurigem Gesicht, die Schirmmütze mit dem gelben "M" tief ins Gesicht gezogen. Es hörte sich allerdings nicht so an, als würde er jetzt zum Umstoßen des oft beschworenen Bocks aufrufen. Vielmehr war ein gewisser Frust herauszuhören, dass ein Teil des Kaders einfach nicht mitzieht. Auch am Spielfeldrand war von fehlendem Herzblut zu hören, davon, dass sich nicht alle so engagieren wie erhofft.

Viele wichtige Spieler sind zudem verletzt. Gegen Schwäbisch Hall fehlte kurzfristig auch noch Runningback Fabien Gärtner, der nach einem weiteren Schlag auf den Kopf eine zuvor erlittene Gehirnerschütterung erst auskurieren will. Das Fehlen des besten Ballträgers machte das insgesamt schwache Angriffsspiel der Cowboys noch durchschaubarer: Der erste Angriff verlief noch vielversprechend, doch danach hatten sich die Gäste schon auf die Münchner Offensive eingestellt. Diese hatte dann so wenig Ballbesitz, dass die Unicorns genug Zeit bekamen, ihre insgesamt zehn Touchdowns zu erzielen.

Die Unicorns hatten im Frühjahr ihren wichtigsten Passempfänger verloren. Moritz Böhringer ist der erste Spieler, der ohne Umweg von einer deutschen Liga in die US-Profiliga NFL gewechselt ist, er steht seit ein paar Wochen bei den Minnesota Vikings unter Vertrag. Böhringer befindet sich zurzeit auf Heimaturlaub und war am Samstag als Zuschauer im Dantestadion. Er sah, dass die Unicorns auch ohne ihn ganz gut klarkommen.

Bei den Cowboys dagegen können Ausfälle wichtiger Spieler nicht annähernd kompensiert werden. Genau das hatte man sich allerdings erhofft, als Herron Cheftrainer wurde und einen insgesamt 13-köpfigen Trainerstab installierte. Deshalb wurde er in der Pressekonferenz nach seiner Kritik an den Spielern gefragt, ob sich der Trainerstab nicht auch einmal hinterfragen müsse. Ob man wegen der vielen neuen Spieler und dem riesigen Kader in Selbstüberschätzung verfallen sei. Ob man also Quantität und Qualität fälschlicherweise gleichgesetzt habe.

Herron sah jetzt noch trauriger aus. Er beantwortete die Fragen nicht. Und so standen am Samstagabend nicht nur im Sand einige Kühe herum. Eine steht auf sehr dünnem Eis.

© SZ vom 04.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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