American Football:Gierig in der Startbox

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Überraschungspaket: Oft glauben seine Gegner, er wolle nur den Weg für Mitspieler freisperren, doch Leon Mehmeti läuft sehr gern selber mit dem Ball. (Foto: Günther Reger)

Leon Mehmeti vom Regionalligisten Fursty Razorbacks spielt bei der Junioren-EM

Von Maria Kurth

Fürstenfeldbruck Leon Mehmeti lacht verlegen. "Jetzt bin ich durcheinander gekommen", sagt er. Mit der rechten Hand fährt er durch seine braunen Haare, berührt den Dreitagebart und bringt seine schwarze Brille mit dem Zeigefinger in Position. Sein Blick versucht irgendwo Halt zu finden. "Jetzt habe ich es wieder", sagt der 18-Jährige, "das war nach dem Testspiel. Wir mussten uns alle auf die Tribüne setzen und dann wurde gesagt, wer dabei ist." So also hat der Footballer von seiner Nominierung für die Junioren-Europameisterschaft (25. bis 27. Juni) in Dresden erfahren. Ob er schon Vorfreude spüre? Mehmeti blickt nach oben, wieder beginnt er zu lachen. Diesmal nicht verlegen, eher stolz. "Mehr als das", sagt er: "Ich bin gierig." Seine Augen sind fokussiert, keine Unsicherheit, kein Anflug von Zweifel.

"Gierig" - dieses Wort benutzt er immer wieder. In den vergangenen Jahren stand er wie ein Rennpferd in der Box, bereit zum Start, doch die Türen öffneten sich nicht - Mehmeti war zu oft verletzt. "Vor zwei Jahren habe ich mir die Schulter ausgekugelt, und im letzten Jahr habe ich mir im letzten Testspiel einen Pferdekuss eingefangen. Das war richtig bitter, weil ich bereits im 75er-Kader war, und danach der Kader für die WM in Kuwait benannt wurde", erinnert er sich. In diesem Jahr gelang ihm Ende Mai der entscheidende Schritt in den 45er-Kader. Nach einem Test-Länderspiel gegen die Schweiz (48:0) wurde der Footballer der Fursty Razorbacks für die EM-Endrunde nominiert, als einer von drei Spielern aus Bayern neben Simon Kürzinger (Ingolstadt Dukes) und Maxim Rodschei (Bamberg Phantoms).

Im Halbfinale trifft die Auswahl am Donnerstag (17 Uhr) zunächst auf die defensivstarken Franzosen; im möglichen Finale könnte es zum Aufeinandertreffen mit Titelverteidiger Österreich kommen. Da Artin Beqiri (Düsseldorf Panther) seine Teilnahme abgesagt hat, ist Mehmeti der einzige Fullback im Team, das ist die schwerere Variante des fürs Laufspiel verantwortlichen Runningbacks. "Klar, dadurch werde ich vielleicht mehr spielen", sagt er. "Aber es ist schade für das Team."

Erst vor drei Jahren brachte ihn ein Freund zu den Razorbacks. "Da hatte ich null Ahnung von dem Sport, aber es hat mir gleich end getaugt", sagt Mehmeti. "End getaugt", oder: "Das ist madig" - den Antworten des 115 Kilo schweren Footballers ist sein Alter anzuhören. "Ich rede schon wieder komisch", bemerkt er selbst, dann fährt er lächelnd fort: "Bei diesem Sport kann jeder mitmachen. Wenn du dünn und schnell bist, läufst du, wenn du breit und stark bist, blockst du." Mehmeti ist eher nicht der leichtgewichtige Typ.

Mit der U19 der Fursty Razorbacks gewann er 2012 und 2014 den bayerischen Meistertitel. Der gebürtige Münchner entwickelte sich auch in der bayerischen Juniorenauswahl schnell zum Leistungsträger, mit der er 2013 deutscher Meister wurde, sein bis dato größter Erfolg. Ein Jahr später unterlag das Team im Finale der Auswahl aus Baden-Württemberg. "Da ging bei mir gar nichts mehr, ich habe geweint, war traurig und glücklich zugleich", erzählt Mehmeti. Traurig, weil das Spiel so eng gewesen sei; glücklich wegen der Auszeichnung zum wertvollsten Spieler (MVP).

Beim Regionalligisten Fürstenfeldbruck spielt er überwiegend in der Defensive Line, "für die Nationalmannschaft bin ich auf dieser Position zu klein", sagt Mehmeti. Er misst nur knapp 1,90 Meter. Eigentlich sei es ihm egal, wo er spiele. Als Fullback, "der große Bruder vom Halfback", könne er seine Mitspieler oft täuschen. "Viele denken, ich mache nur den Weg frei für meine Mitspieler, aber für mein Gewicht bin ich auch relativ schnell. Dadurch überrasche ich meine Gegner oft und laufe einfach mit dem Ball los."

Mehmeti trainiert zweimal die Woche im Verein, geht zusätzlich viermal ins Fitnessstudio. "Im Ausdauerbereich habe ich noch Nachholbedarf", weiß er, "aber ich bin gierig." Diese Motivation fehlte vor knapp einem Monat, als Mehmeti für sein Abitur lernen musste. "Da bin ich kurz mal ins Grübeln gekommen, war irgendwie frustriert und habe daran gedacht, wie viel Zeit mich der Sport kostet." Doch diese Zweifel seien schnell wieder weg gewesen, auch weil Mehmeti ein Ziel hat: "Ich will im Sommer unbedingt in den USA aufs College gehen, das wäre Wahnsinn." Unterstützung erhofft er sich von Razorbacks-Coach Larry Dixon: "Ich hoffe, dass er mir mit Kontakten weiterhilft." Mehmeti träumt vom College, nicht von der NFL: "Aufs College will ich, weil mich das auch persönlich weiterbringt. Die NFL ist nicht mehr mein Traum. Wenn du dort zehn Jahre spielst, bist du körperlich und mental kaputt", sagt Mehmeti, der abseits des Spielfelds seinen Youtube-Kanal mit Filmen speist. "Das macht mir verdammt viel Spaß." Mehmeti hat keinen Plan B, sagt er, keine Alternative zum College. "Wenn das nicht klappt, wäre das schon madig." Gierig genug müsste er sein.

© SZ vom 23.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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