1860-Krise: Hoeneß gegen Ude:Verbunden in herzlicher Abneigung

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Zwei Männer, zwei Welten und eine unauflösbare Rivalität: Münchens OB Christian Ude und FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß begreifen sich beide als mächtigste Männer der Stadt. Jetzt zoffen sie sich wegen des TSV 1860. Die Geschichte eines Konflikts.

S. Krass

Es gibt in München einige Menschen, die recht froh sind, dass es in diesem Jahr für den FC Bayern nichts wird mit der Meisterschaft, auch nicht mit dem DFB-Pokal und nicht mal mit der Champions League. Einer davon, die Behauptung sei gewagt, ist Christian Ude.

Zwei, die sich gar nicht mögen: Christian Ude (links) und Bayern-Präsident Uli Hoeneß. (Foto: Robert Haas)

Denn eine der ihm unangenehmeren Pflichten als Oberbürgermeister hängt direkt mit dem FC Bayern zusammen: Es geht um die Titelfeiern des Rekordmeisters auf dem Rathausbalkon. Ihm komme dabei die Aufgabe zu, "ein demonstrativ glückliches, ja fußballstadtvaterglückliches Gesicht zu machen, während die Fans (...) ,Buuuuhh' rufen, weil ich ein Blauer bin und hier überhaupt nichts verloren habe. Ganz genau weiß ich übrigens selber nicht, was ich hier verloren haben könnte, aber es ist eine Frage des Prinzips." So schreibt Ude in seinem Buch "Ich baue ein Stadion".

In diesem Jahr hätte jenes Prinzip Ude einen besonders unangenehmen Tag beschert. Schließlich ist er, just kurz vor Saisonende, in eine verbale Keilerei mit Uli Hoeneß verwickelt. Der FC-Bayern-Präsident wirft dem OB, der 13 Jahre im Aufsichtsrat des TSV 1860 saß, vor, nicht genug für die Rettung der vom Untergang bedrohten Löwen zu tun.

Er selbst, findet Hoeneß, habe hingegen riskiert, von den Bayernfans angegriffen zu werden für die Idee, den Sechzigern indirekt acht Millionen Euro zu leihen. Ude wiederum fühlt sich "persönlich beleidigt" und verlangt "möglichst schnell" eine Entschuldigung. Einig sind beide immerhin darin, dass der andere öffentlich gelogen habe in den vergangenen Tagen.

Dieses Hin und Her ist einerseits die amüsante Ebene eines für die Identität der Stadt München recht ernsten Krise. Andererseits hat der Konflikt eine spannende persönliche Ebene. Denn hier streiten zwei altgediente Autokraten, die sich nicht leiden können, weil sie sich vom anderen mit zu wenig Respekt behandelt fühlen. Aber wie sollte das auch gehen mit der wechselseitigen Ehrerbietung? Schließlich begreifen sich beide als mächtigste Männer der Stadt und stehen deshalb in unlösbarer Konkurrenz.

Dass Ude, seit 1993 im Amt, sich nur zu gern als "Sonnenkönig" titulieren lässt, ist bekannt. Aber auch von Hoeneß, jahrzehntelang Manager und heute Präsident des erfolgreichsten deutschen Fußballvereins, sind Sätze überliefert wie: "Die Stadt sollte sich nicht mit uns anlegen, da schaut sie sehr schlecht aus." Oder, anno 1999: "In gut zwei Jahren ist wieder Wahl. Wir werden auf jeden Fall unsere Fans aktivieren." Auch seinen vielleicht unappetitlichsten Ausrutscher leistete Hoeneß sich auf politischem Parkett. Als 1997 eine FDP-Stadträtin forderte, die Pacht für das Vereinsgelände an der Säbener Straße zu erhöhen, tat er kund: "Von diesen Hinterbänklern sollte man doch ein paar an die Wand knallen."

Die komplizierte Beziehung des FC Bayern zur Stadt zerrüttete auch das Verhältnis Ude-Hoeneß. Der Verein tat schon seit Anfang der neunziger Jahre immer wieder kund, wie unzufrieden man mit der Bühne Olympiastadion sei. Bis 2005 die Arena in der, so Hoeneß, "Schlammgrube" Fröttmaning fertiggestellt wurde, war eine langwierige und verworrene Debatte zu überstehen.

Mal wollten die Bayern ein neues Stadion. Ein extravaganter Standortvorschlag kam von Hoeneß: "Man könnte auch den Schuttberg, den Olympiaberg wegreißen. Was der noch soll, ist mir schleierhaft." Irgendwann waren die Bayern bereit, beim Komplettumbau des Olympiastadions mitmachen, aus dem auch nichts wurde. "Wir fühlen uns immer als Feinde, immer als Gegner", klagte Hoeneß mit Blick auf die "unfähige" Stadtspitze. Die Stadiondebatte wuchs sich zu einer der größten Prüfungen in Udes Amtszeit aus. Der OB sah sich als Opfer eines "Bayern-Krieges". "Hoeneß ist der Erzfeind der Löwen und wird es auch immer bleiben", sagte Ude noch 2008.

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Ein wichtiger Auslöser für die Angriffe des Fußballmanagers war dabei immer, dass er Ude nicht recht über den Weg traut. Zum einen aus parteipolitischer Überzeugung. Im Familienalbum hat Hoeneß ein Foto, auf dem Franz Josef Strauß mit dem frischvermählten Paar Uli und Susanne posiert. Und bis heute singt Hoeneß, wann immer er gefragt wird, Lobpreisungen auf das segensreiche Wirken von Edmund Stoiber.

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Ude wiederum ist nicht nur Sozi, sondern auch noch einer von der Sorte, die mit so offenen Armen durch die Stadt ziehen, dass sich bei Kommunalwahlen selbst CSU-Anhänger hineinkuscheln. Höchst verdächtig, so was. Eine gerüttelt Maß an Prinzipienlosigkeit unterstellt Hoeneß dem Widersacher auch, was dessen 1860-Affinität angeht. Der habe doch eigentlich nichts mit Fußball am Hut und sich nur aus Populismus dazu bekannt.

Dass das nicht ganz an der Realität vorbeigeht, deutet Ude in seinem Stadion-Buch selbst an: Er habe sich nach der Wahl zum Oberbürgermeister, schreibt er, "gelegentlich bei einem Fußballspiel sehen lassen müssen", dann besonders gern beim Lokalderby, "weil man da an einem Nachmittag seine Präsenzpflicht bei zwei Münchner Vereinen erfüllen konnte".

Der aktuelle Disput, wer nun wie viel zum Überleben der Löwen beiträgt oder auch gerade nicht beiträgt, hat auch einen rührselige Komponente. Schließlich beharken sich da zwei Potentaten in der Dämmerung ihrer Macht. Ude tritt nicht bei der nächsten Wahl mehr an und muss zusehen, wie sich die Aufmerksamkeit allmählich von ihm abwendet.

Hoeneß hat sich 2009 vom Managerposten zurückgezogen. Er ist längst nicht mehr jeden Tag an der Säbener Straße, muss oft von seinem Domizil am Tegernsee aus zusehen, wie sich die Dinge entwickeln. Nur manchmal mischt er sich noch ins operative Geschäft ein, zum Beispiel, als er im Herbst per TV-Interview die Demontage des Louis van Gaal einleitete. Nun verkeilt er sich wieder mit Wonne in der Lokalpolitik.

Vor gut einem Jahr hätte man denken können, dass ein wenig Altersmilde eingekehrt ist zwischen den beiden. Als Hoeneß in Reaktion auf den Mord an Dominik Brunner eine Stiftung gründete und für sein wohltätiges Engagement den goldenen Ehrenring der Stadt bekam, hielt Ude eine freundliche Laudatio. Doch dieser Moment wirkte nicht lang nach.

Udes Amtszeit läuft bis zum Frühjahr 2014. Bis dahin wollen Hoeneß' Bayern noch mal ein paar Mal auf den Rathausbalkon. Ude wird wieder demonstrativ glücklich dreinblicken müssen. Oder er macht es wie im Jahr 2008 - und fährt Mitte Mai in Urlaub.

© SZ vom 23.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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