2. Fußball-Bundesliga:Wiedersehen im Breisgau

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Torjäger Florian Niederlechner wechselt vom FSV Mainz zum Zweitligisten Freiburg und trifft dort auf Lucas Hufnagel, einen Bekannten aus gemeinsamen Unterhachinger Zeiten

Von Andreas Liebmann

Vielleicht lag es tatsächlich an diesem einen Drehschuss im vergangenen August. Erster Spieltag, 58. Minute gegen Ingolstadt, Hereingabe von links. Der Neu-Mainzer Florian Niederlechner grätscht den Ball irgendwie wuchtig um seinen Gegenspieler herum aufs Tor von Ramazan Özcan - doch Ingolstadts Keeper reagiert blitzschnell. "Viele hatten gedacht, die schießen wir weg", erinnert sich Niederlechner. Stattdessen feierte der Aufsteiger damals seinen ersten Sieg in der Fußball-Bundesliga. Niederlechner, gerade als einer der torgefährlichsten Zweitliga-Angreifer aus Heidenheim geholt, würde sich also noch etwas gedulden müssen bis zu seinem ersten Treffer für Mainz. Dachte er. Gegen Hannover traf er den Pfosten. Gegen Schalke vergab er eine Großchance. Irgendwann sah er von der Bank aus zu, wie Yoshinori Muto seine Tore erzielte.

Freiburg ist eine schöne Stadt, sagt Niederlechner nun. Am vergangenen Montag ist er mit seiner Freundin erstmals durchgebummelt, tags zuvor hatte er seine neue Mannschaft getroffen. Für eineinhalb Jahre hat der SC Freiburg ihn ausgeliehen, kurz vor Ende der Wechselfrist, auch eine Kaufoption ist vereinbart. Noch wohnt der 25-Jährige aus Hohenlinden bei Ebersberg im Hotel, das ist nichts Neues für ihn, er sucht bereits eine Wohnung. Er sieht seine Zukunft im Breisgau. "Manchmal muss man einen Schritt zurückgehen, um vorwärts zu kommen", erläutert Niederlechner. Doch dieser Rückschritt soll ohnehin ein kleiner werden: "Nächste Saison will ich mit Freiburg in der ersten Liga spielen."

Im Training hat Niederlechner bereits einen guten Bekannten wiedergetroffen: Lucas Hufnagel, mit dem er bei der SpVgg Unterhaching zusammenspielte. "Ich bin damals gerade aus der U19 dazukommen", erinnert sich der 22-jährige Hufnagel, Niederlechner zählte schon zu Hachings Leistungsträgern. Nun habe er sich gefreut, "ein Gesicht von früher wiederzusehen".

Im Sommer hat Lucas Hufnagel Unterhaching verlassen, zweieinhalb Monate lang lebte er dann in Freiburg im Hotel. "Das war die schwerste Zeit, es war schon komisch, plötzlich von München weg zu sein", erzählt der Jungprofi. Aber was heißt schon schwer: "Da lief die Saison ja schon ganz gut für mich." Vom dritten Spieltag an kam der 22-Jährige in jeder Partie zum Einsatz, mit Ausnahme der allerletzten vor der Winterpause, als ein eitriger Zahn ihn womöglich sogar einen Platz in der Startformation gekostet hat. Diese Bilanz war weit mehr, als der Neuling selbst erwartet hatte. Spätestens als er eine Bleibe fand, war alles gut. "Ich habe gespürt, dass ich dem Trainer irgendwie gefalle", sagt er.

Aus gegensätzlichen Richtungen: Lucas Hufnagel, 22, ist direkt vom Drittliga-Absteiger Unterhaching nach Freiburg gekommen. (Foto: Imago)

Hufnagel braucht Selbstvertrauen für seine Spielweise, er ist nicht der Robusteste, ein eher filigraner Offensivspieler, der feine Pässe schlagen kann. Für ihn ist es wichtig, das Vertrauen des Trainers zu spüren, zu wissen, dass er auch mal Fehler machen darf. In Unterhaching hat man das Ende der vergangenen Saison prima beobachten können: Als Trainer Christian Ziege ging und Trainer Claus Schromm kam, da blühte Hufnagel plötzlich auf, wurde vom Ergänzungsspieler zum Antreiber.

In Freiburg fand er ein Klima vor, das ihm half: Der Verein lud ihn zu Autogrammstunden, zu Interviews, alles Signale dafür, dass er schon dazugehörte. Trainer Christian Streich setzte ihn dort ein, wo er sich wohlfühlt: auf einer der offensiven Außenpositionen, manchmal sogar als hängende Spitze, Hufnagels Lieblingsrolle. Nicht etwa im defensiven Mittelfeld, wie allzu oft in Unterhaching. Ein Tor hat er bislang erzielt, den umjubelten Ausgleichstreffer zum 2:2 gegen Bielefeld am neunten Spieltag; es war kein Tor des Monats, eher eines, wo man den Ball eben irgendwie über die Linie drücken muss. Aber ein wichtiges: Es fiel in der 90. Minute. "Das war ein emotionaler Moment", erinnert sich Hufnagel. Im Dezember hat Freiburg seinen Vertrag vorzeitig von drei auf vier Jahre Laufzeit verlängert - auch das so ein Zeichen.

Nebenbei ist der gebürtige Münchner A-Nationalspieler geworden, für Georgien, das Herkunftsland seiner Mutter. Als 15-Jähriger war er dort mal groß durch die Gazetten gegangen. Damals spielte er für den FC Bayern, und im fußballverrückten Kaukasusstaat witterten die Journalisten eine große Story. Nach einigen U17- und U19-Länderspielen sei das "im Sand verlaufen", so Hufnagel - bis er in der zweiten Liga auftauchte, ausgerechnet bei Freiburg, wo schon einige Georgier gespielt haben. Der Verband lud ihn ein, gegen Estland gab er im November ein 22-minütiges Debüt. Auch Niederlechner lobt den Jüngeren: "Gutes Tempodribbling, sehr beweglich, kaum vom Ball zu trennen. Man sieht, dass ihn das halbe Jahr in Freiburg weitergebracht hat."

Sein ehemaliger und neuer Teamkollege Florian Niederlechner, 25, nahm den Umweg über Heidenheim und den Erstligisten Mainz. (Foto: Imago)

Niederlechner selbst wird nie Nationalspieler sein, er war auch nie beim FC Bayern. Bei seinem Herzensverein 1860 war er aus der U13 gefallen, zu klein, zu langsam. Über die Kreisliga-Jugend des TSV Ebersberg arbeitete er sich in die Landesliga zu Falke Markt Schwaben empor, inzwischen war er 1,86 Meter groß, aber immer noch langsam. "Da hatte ich Übergewicht und war wirklich kein Profi", sagt er heute. Sein Laufstil wirkte ungelenk, trotzdem zog er Bälle im Strafraum magisch an, er hatte eine saubere Technik und benötigte oft nur einen Kontakt, eine Fußspitze zum Torerfolg. So kam er nach Ismaning (Bayernliga, 20 Tore), Unterhaching (dritte Liga, 16 Tore), mit Heidenheim (27 Tore) stieg er in die zweite Liga auf. Immer passte er sich dem höheren Niveau an, ist athletisch geworden, robust im Zweikampf. Erst in Mainz blieb er in zwölf Einsätzen ohne Treffer.

Natürlich ist auch sein neuer Klub im Breisgau keine Insel der Harmonie und Beschaulichkeit, der Tabellenzweite will wieder nach oben, unbedingt. Ein Großteil der Angreifer ist verletzt, Nils Petersen, Maximilian Philipp, Tim Kleindienst; nun hat der SC Niederlechner geholt und den Norweger Havard Nielsen. Wenn alle gesund sind, wird es eng in Freiburgs Offensive. "Die Konkurrenz wird größer, aber das ist normal", sagt Hufnagel. Niederlechner will sich gar nicht erst hinten anstellen: "Ich verstecke mich vor niemandem." Freiburgs System mit zwei Spitzen liege ihm, man könne sich auch mal fallen lassen, anders als in Mainz, wo sich eine Spitze aufrieb. Er will schnell Tore erzielen, "Spaß haben". Und er ist zuversichtlich: Trainer Streich habe ihn schon im Sommer haben wollen, habe stets Kontakt gehalten, ihm Glück gewünscht, ihm "ein super Gefühl" gegeben. "Für mich war klar: Wenn ich Mainz verlasse, gehe ich nach Freiburg."

© SZ vom 06.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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